Deutschland. Digital. Demokratisch.

Dokumentation zur Fachtagung

Eine dialektische Beziehung

In seiner Keynote nahm der Direktor des Berlin Institut für Partizipation und Koordinator der Allianz Vielfältige Demokratie Jörg Sommer die Wechselwirkungen zwischen Digitalisierung und Demokratie in den Blick. Er sprach über ein gefährliches Missverständnis, zwei großartige Chancen und drei überraschende Herausforderungen bei der Digitalisierung politischer Teilhabe. Er widerlegte dazu zunächst die verbreitete These, dass Fortschritt per se allen Menschen gleichermaßen zugute käme. Anhand historischer Beispiele zeigte er, dass technische Innovationen zwar stets imstande waren, Gesellschaftsstrukturen in ihren Grundfesten zu erschüttern und dass sie radikale Veränderungen mit sich brachten. Die Verteilung entstehender Gewinne sei jedoch nie zwingend so erfolgt, dass “alle” profitieren; vielmehr gab es stets Gewinner*innen und Verlierer*innen. Dies sei auch bei der Digitalisierung politischer Teilhabe nicht anders. Hate Speech, Echokammern sowie das Nutzerverhalten beeinflussende Algorithmen zeigten eindrücklich, dass die Digitalisierung zunächst auch nur ein Werkzeug darstelle. Als solches müsse es einer bewussten Nutzung unterliegen, um einen gesellschaftlichen Mehrwert zu schaffen. 

Die Digitalisierung an sich sei also nicht demokratiefördernd. Sie sei vielmehr demokratiefordernd. Sie fordere Antworten, die wir noch nicht haben. Sie fordere Diskurse, die wir zu wenig führen. Und sie fordere Mut zur gesellschaftlichen Gestaltung wirtschaftsgetriebener Innovationen, den wir erst noch aufbringen müssen, folgerte der Beteiligungsexperte. 

Doch zugleich halte die Digitalisierung auch zwei Chancen bereit, die Sommer als fokussierte und permanente Demokratie bezeichnete. Die digitalen Innovationen bieten demnach Menschen neue Optionen, um sich themenspezifisch und zeitlich asynchron entsprechend ihrer Kapazitäten und Bedürfnisse einzubringen. Dies führe zu einer Gesellschaft, in der politische Teilhabe stetig möglich ist und sich nicht auf die wiederkehrenden formalen Wahlakte beschränkt. Die Verknüpfung von fokussierter und permanenter Demokratie verspreche daher auch “… eine um ein Vielfaches umfassendere und bessere Beteiligung als heute”, so Sommer.

Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Dies zeigte der letzte Teil des Vortrages. Er thematisierte drei Herausforderungen, die auf dem Weg zu einer fokussierten und permanenten Demokratie angegangen werden müssen. Anhand des Begriffs der “demokratischen Dominanz” betonte Sommer, dass die Strukturen für den digitalen Austausch sowie die privatwirtschaftlichen Betreiber*innen einer starken demokratischen Einhegung bedürfen. Mit der zweiten Herausforderung der “demokratischen Universalität” griff Sommer die zuvor als Chance vorgestellten Punkte der punktuellen und asynchronen Beteiligung auf. Diese müssten stets dem Anspruch gehorchen, das Gemeinwohl zu fördern und dürften nicht zum Abgleiten in eine “Buffet-Demokratie” führen, bei der nur noch individuelle Betroffenheit als Beteiligungstriebkraft wirke. Vor allem brauche es jedoch “demokratischen Gründergeist” bzw. eine demokratische Innovationskultur. Sommer forderte dazu mehr Mut und Bereitschaft zur Veränderung tradierter demokratischer Strukturen und die Erprobung digitaler Werkzeuge. Dazu brauche es jedoch auch entsprechende finanzielle Fördermaßnahmen.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Zur nächsten Seite

Literaturhinweise

99 Einträge « 2 von 10 »

Kirsten Fründt, Ralf Laumer (Hrg.) (Hrsg.)

Mitreden: So gelingt kommunale Bürgerbeteiligung - ein Ratgeber aus der Praxis Buch

Büchner Verlag, 2019, ISBN: 978-3-96317-158-1.

Links | BibTeX

Stefan Löchtefeld, Jörg Sommer

Das Prinzip Haltung: Warum gute Bürgerbeteiligung keine Frage der Methode ist Buchabschnitt

In: Jörg Sommer (Hrsg.): KURSBUCH BÜRGERBETEILIGUNG #3, Republik Verlag, Berlin, 2019, ISBN: 978-3942466-37-0.

BibTeX

Steffen Rudolph

Digitale Medien, Partizipation, Ungleichheit. Eine Studie zum sozialen Gebrauch des Internets Buch

Springer VS, Wiesbaden, 2019.

Links | BibTeX

Allianz Vielfältige Demokratie/Bertelsmann Stiftung (Hrsg.)

Wegweiser Breite Bürgerbeteiligung: Argumente, Methoden, Praxisbeispiele Online

2018.

Links | BibTeX

Allianz Vielfältige Demokratie/Bertelsmann Stiftung (Hrsg.)

Bürgerbeteiligung, Volksabstimmungen, Parlamentsentscheidungen: Empfehlungen und Praxisbeispiele für ein gutes Zusammenspiel in der Vielfältigen Demokratie Online

2018.

Links | BibTeX

Allianz Vielfältige Demokratie/Bertelsmann Stiftung (Hrsg.)

Bürgerbeteiligung - Praxisberatung für die Kommunalpolitik: Handreichung für die Weiterbildung von Kommunalpolitikern Online

2018.

Links | BibTeX

Michael A. Neble; Kevin M. Esterling; David M. J. Lazer

Politics with the People – Building a Directly Representative Democracy Buch

Cambridge University Press, 2018, ISBN: 9781316338179.

Abstract | Links | BibTeX

Dieter Kostka

Bürgerbeteiligung bei der Endlagersuche für Atommüll - Ein externer Blick unabhängiger Mediationsexpert*innen Buchabschnitt

In: Jörg Sommer (Hrsg.): Kursbuch Bürgerbeteiligung #2, Verlag der Deutschen Umweltstiftung | bipar, Berlin, 2017, ISBN: 978-3942466-15-8.

Abstract | Links | BibTeX

Danuta Kneipp; Anja Schlicht

Öffentlichkeitsbeteiligung und Krisenkommunikation bei Infrastrukturprojekten Buchabschnitt

In: Jörg Sommer (Hrsg.): Kursbuch Bürgerbeteiligung #2, Verlag der Deutschen Umweltstiftung | bipar, Berlin, 2017, ISBN: 978-3942466-15-8.

Abstract | Links | BibTeX

Peter Patze-Diordiychuk; Jürgen Smettan; Paul Renner; Tanja Föhr (Hrsg.)

Methodenhandbuch Bürgerbeteiligung - Bürgerbeteiligungsprozesse erfolgreich planen Buch

oekom verlag, München, 2017, ISBN: 978-3-86581-833-1.

Abstract | Links | BibTeX

99 Einträge « 2 von 10 »

Stöbern Sie in unserem Literaturverzeichnis ...