Kommunale Partizipation junger Menschen

Die Beteiligung von jungen Menschen an der Kommunalpolitik ist von großer Bedeutung. Fabian Wesselmann analysiert die Partizipation von jungen Menschen neben herkömmlichen Wahlen. Wesselmann erörtert Partizipation von jungen Menschen aus der rechtlichen Perspektive und erläutert im zweiten Schritt, warum diese auch als eine politische Aufgabe zu verstehen ist.

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„Die Alten bestimmen, die Jungen müssen für den Rest ihres Lebens die Konsequenzen tragen“ (Eisenreich 2016: 4): Dieser Kommentar zum Brexit-Referendum im Jahr 2016 beschreibt auch treffend ein Dilemma der deutschen Kommunalpolitik. So kommt eine Auswertung des WDR von 87 Prozent der Geburtsjahrgänge von Stadt-und Gemeinderatsmitgliedern in Nordrhein-Westfalen zu dem Ergebnis, dass lediglich elf Prozent dieser Ratsmitglieder höchstens 40 Jahre alt sind (Westdeutscher Rundfunk Köln 2018). Gerade wenn gesellschaftliche Gruppen in der repräsentativen Demokratie (fast) ohne Repräsentant_innen sind, bedarf es besonderer Anstrengungen der Politik, diese fehlende Perspektive zumindest in Ansätzen auszugleichen. Dies gilt nicht nur – man denke an andere unterrepräsentierte Gruppen wie Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit geringem Einkommen-, aber eben auch für die Beteiligung von jungen Menschen an der Kommunalpolitik. Gleichzeitig stellen sich den Kommunen eine ganze Reihe ernst zu nehmender Aufgaben, die nach der Expertise von jungen Menschen „schreien“: Denn wer sollte im Wettbewerb um Fachkräfte zwischen den Regionen besser über die Attraktivität einer Kommune für junge Menschen Auskunft geben können, als junge Menschen selbst (vgl. Böhm/Sell-Greiser 2017: 265, 275, 280-281)?

Dieser Beitrag rückt die Frage in den Mittelpunkt, wie die Beteiligung von jungen Menschen an der Kommunalpolitik abseits von Wahlen rechtlich ausgestaltet ist und welche politischen Aufgaben sich im Lichte dieser rechtlichen Vorgaben ergeben. Schon Art.12 Abs.1 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention) hält fest, dass die Vertragsstaaten dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zusichern, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife berücksichtigen (Barrot 2010: 212). Gem. §8 Abs. 1 S.1 SGBVIII1 sind Kinder und Jugendliche entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen (Barrot 2010: 212). Besonders spannend ist aber der Blick auf das Kommunalrecht der Bundesländer.

Beschränkt werden soll die Untersuchung dabei in den Flächenstaaten auf die Gemeinden, Städte und Landkreise. In den Stadtstaaten Hamburg und Berlin werden hingegen nur die Bezirke sowie in Bremen die Bremer Stadt-und Ortsteile und Bremerhaven einbezogen.Zwar sind die Hamburger und Berliner Bezirke sowie Bremer Stadt-und Ortsteile keineKommunen (zur Situation in den Stadtstaaten siehe Gern/Brüning 2019: Rn.197-204). In der Praxis dürfte aber diese Ebene vielleicht noch am ehesten mit der Kommunalpolitik in den Flächenländern vergleichbar sein. Im Fokus dieses Beitrages steht die Beteiligung von jungen Menschen – entsprechend der Legaldefinition des §7 Abs.1 Nr.4 SGBVIII sind das alle Menschen, die noch nicht 27 Jahre alt sind.

Vier Kategorien der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen im Kommunalrecht

Wie haben die Bundesländer die Beteiligung von jungen Menschen an der Kommunalpolitik in ihrem Kommunalrecht geregelt (vgl. Seybold, in: Dietlein/Mehde, NKomVG, §36 Rn.4-9)? Die Analyse, die sich auf Regelungen mit ausdrücklicher Erwähnung der Beteiligung vonKindern und Jugendlichen beschränkt, zeigt, dass sich die Länder in vier Gruppen kategorisieren lassen:

Zunächst ist vereinzelt die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen – rechtlich – ein „Muss“, was etwa für Schleswig-Holstein gilt: Gem.§47f Abs.1 S.1 GO SH muss die Gemeinde bei Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, diese in angemessener Weise beteiligen. Eine Beteiligungspflicht findet sich auch inHamburg (§33 S.1 BezVG HH),teilweise in Bremen (§18 VerfBrhv) und wohl auch in Brandenburg (§18a Abs.1 BbgKVerf). Die Vorschriften stellen dabei klar, dass die Beteiligungspflicht nicht durch die bereits in der Gemeindeordnung verankerten Verfahren (wie etwa der Möglichkeit eines Einwohnerantrags) erfüllt wird, sondern darüber hinaus geht (§18 VerfBrhv; §47f Abs.1 S.2 GO SH) oder sehen vor, dass geeignete Verfahren zu entwickeln sind (§33 S.2 BezVG HH; §47f Abs.1 S.2 GO SH; §18a Abs.2 BbgKVerf). Zudem wird in Schleswig-Holstein auch eine Rechenschaftspflicht statuiert: So muss die Gemeinde bei der Durchführung von Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, in geeigneter Weise darlegen, wie sie diese Interessen berücksichtigt und die Beteiligung durchgeführt hat, §47f Abs.2 GO SH. In Brandenburg ist dies immerhin als „Soll“ geregelt (§18a Abs.4 BbgKVerf) und gilt ebenso wie die Beteiligungspflicht auch für die Landkreise (§131 Abs.1 S.1 Hs.1 i.V.m. §18a Abs.1, Abs.4 BbgKVerf). Zwischen der ersten und zweiten Gruppe ist Baden-Württemberg einzuordnen, das nur die Beteiligung von Jugendlichen als „Muss“ und die Beteiligung von Kindern hingegen als „Soll“ vorsieht (§41a Abs.1 S.1 GemO BW).

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Dieser Auszug entstammt dem Artikel „Die Beteiligung von jungen Menschen an der Kommunalpolitik: Rechtliche Vorgaben und politische Aufgaben“ von Fabian Wesselmann (2019), erschienen im KURSBUCH #3. Ziel des Beitrags ist es, die bestehende Rechtslage hinsichtlich der Beteiligung von jungen Menschen an der Kommunalpolitik abseits von Wahlen zu analysieren und einen Überblick über Beispiele aus der Praxis gegeben. Darauf aufbauend werden Handlungsempfehlungen diskutiert. Weiterführende Informationen zum KURSBUCH #3 und eine Bestellmöglichkeit finden Sie hier

Literaturhinweise

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Die Planungszelle. Der Bürger als Chance Buch

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Peter Henning Feindt

Neue Formen politischer Beteiligung Buchabschnitt

In: Ansgar Klein; Ruud Koopmans; Heiko Geiling (Hrsg.): Globalisierung, Partizipation, Protest, S. 255-274, Leske+Budrich, Opladen, 2001, ISBN: 978-3-322-94936-3.

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