Luft nach oben

Zur aktuellen Lage der EU-Beteiligungsinstrumente

Wie ist es um die Möglichkeiten bestellt, die Politik der Europäischen Union mitzugestalten? Diese Frage erörtert eine lesenswerte Publikation der Bertelsmann Stiftung.

Bürokratiemonster, Legitimationskrise und Demokratiedefizit werden medial nicht selten als Charakteristika der EU verwendet. Skeptiker*innen werfen ihr häufig Trägheit und Elitenherrschaft vor. Mit der Konferenz zur Zukunft Europas 2022 sollte nun der EU-Bevölkerung ein neues Beteiligungsinstrument zum Policymaking der Europäischen Union an die Hand gegeben werden. Die Konferenz mit symbolträchtigem Namen ist aber nur eines von mehreren bereits vorhandenen Instrumenten zur politischen Partizipation der Europäer*innen. Dass andere Beteiligungsoptionen nicht ausreichend bekannt sind und deshalb zu wenig genutzt werden, könnte als unnötig verschwendetes Potenzial der europäischen Demokratie gedeutet werden. Aber warum verbleiben die Angebote weitestgehend ungenutzt? 

Die Bertelsmann Stiftung beleuchtet in ihrem Policy Brief EINWURF den sogenannten „Flickenteppich” der europäischen Beteiligungslandschaft und gibt wertvolle Impulse für zukünftiges Handeln.

Dem Policy Brief zufolge kann die Konferenz zur Zukunft Europas durchaus als Antwort auf die bestehende EU-Verdrossenheit vieler EU-Bürger*innen gedeutet werden. Eines der zentralen Argumente, die aus Sicht der Skeptiker*innen für ein Demokratiedefizit sprechen, ist der Glaube, keinen aktiven Einfluss auf die Politikgestaltung nehmen zu können. Die unabhängige Plattform der Bertelsmann Stiftung eupinions befragt deshalb seit 2016 regelmäßig die europäische Öffentlichkeit zu politischen Themen und Trends. Das Ergebnis: Die meisten Teilnehmer*innen wünschen sich mehr Mitsprache, kennen ihre Partizipationsmöglichkeiten aber nicht ausreichend. Und obwohl der Wunsch zu mehr Beteiligung besteht, herrscht ein verbreitetes Misstrauen bezüglich der Wirksamkeit eigener Partizipation. Beides drückt sich dann in den weitgehend ungenutzten Beteiligungskonzepten aus. Doch nicht nur die Bevölkerung attestiert ein institutionelles Partizipationsdefizit. EU-Demokratiexpert*innen kommen ebenfalls zu dem Schluss, dass die Potenziale der EU nicht ausreichend ausgeschöpft würden, obwohl bereits „solide” Ansätze und Methoden vorhanden sein. Neben der Wahl des Europaparlaments ist die Europäische Bürgerinitiative das bekannteste Beispiel für Bürger*innenbeteiligung. Die weiteren fünf Instrumente sind in der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt. 

Vorschläge der Autor*innen

Um diskursiver und partizipativer zu werden, müsste die Europäische Union dem Policy Brief zufolge die drei Problemfelder Bewusstseinslücke, Performanzlücke und politischer Wille der Akteure angehen. Um das zu erreichen sollte die EU zur Herstellung niedrigschwelliger, partizipativer Gestaltungsmöglichkeiten 

  1. an einer aktivierenden öffentlichen Kommunikation, 
  2. einer breiteren Beteiligung an den bereits bestehenden Instrumenten und 
  3. der eigenen Ausrichtung zu öffentlicher Partizipation arbeiten. 

Abschließend haben die Autor*innen konkrete Empfehlungen für zukünftiges politisches Handeln abgeleitet: Die Weiterentwicklung der politischen Kultur um partizipatorische Elemente als Ergänzung zur repräsentativen Demokratie steht dabei im Fokus. Dazu bedarf es einer adäquaten Konzeptionierung der Strategie zur Nutzung und zum Ausbau der Beteiligungsinfrastruktur. Hierfür ist Herstellung einer zielgenauen und effektiven Kommunikationsstrategie für bestehende Beteiligungsformate von zentraler Bedeutung. Zuletzt kann die Bereitstellung eines gemeinsamen Online-Hubs für alle Beteiligungsinstrumente in Kombination mit mehr digitalen Partizipationsmöglichkeiten zuträglich sein. Dies würde dem Zeitgeist entsprechen und könnte deshalb möglicherweise auch neue, bisher beteiligungsferne Gruppen aktivieren.

Den kompletten Policy Brief „EINWURF 1/2022 – Das fehlende Puzzleteil: Eine Beteiligungsinfrastruktur für die EU-Demokratie” der Bertelsmann Stiftung können Sie hier herunterladen.

Literaturhinweise

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Abstract | Links | BibTeX

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Der Planungsworkshop unterstützt mit seinem strukturierten Ablauf und geringen Zeitanspruch Kommunen bei der Ausarbeitung eines Aktionsplans. Die Methode ist besonders geeignet für Gruppen, die bereits über eine gemeinsame Vision verfügen.

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Die Konfliktlösungskonferenz ist ein Beteiligungsformat, bei dem in einem mehrgliedrigen Verfahren heterogene Standpunkte unterschiedlicher Interessengruppen transparent werden. Im Dialog werden Lösungsräume identifiziert und im Ergebnis entsteht ein Gutachten mit Handlungsempfehlungen für politische Entscheidungsträger.

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