Bürgerbeteiligung in Singapur

Der Weg zu Partizipation in einem hybriden Regime

In Singapur wächst unter den Bürger*innen der Wunsch nach mehr Beteiligung. Trotz etablierter, zentralistisch organisierter Planungsmechanismen scheint sich die Regierung allmählich darauf einzulassen.

Singapur nach der Unabhängigkeit 

Als Singapur 1965 seine Unabhängigkeit erlangte, waren die ökonomischen Verhältnisse im Lande eher rückläufig. Eine hohe Arbeitslosenquote und Wohnungsmangel plagten die Gesellschaft. Zudem waren natürliche Ressourcen kaum vorhanden, was den Stadtstaat abhängig von der Produktivität der eigenen Bevölkerung machte. Diese unsichere geopolitische Lage setzte das Land jedoch unter Druck, schnell auf stabilen Standbeinen zu stehen. 

Die Regierung, die seit der Unabhängigkeit von der People’s Action Party (PAP) geführt wird, entschied sich dazu, die Rechte des Einzelnen einzuschränken und stattdessen die Entwicklung der Stadt zentral zu planen. Dieser Schritt wurde mit einer vermeintlich höheren Effizienz gerechtfertigt. Der Ansatz scheint gewirkt zu haben. Innerhalb eines halben Jahrhunderts hat Singapur eine unfassbare ökonomische Entwicklung genommen und sich zu einem internationalen Finanzzentrum entwickelt. Die Bevölkerung selbst hatte bei dieser Entwicklung jedoch nur wenig Mitspracherecht. Die Kommunikation zwischen Bürger*innen und Regierung beschränkte sich größtenteils auf einseitige Informationskampagnen. 

In den frühen 1990er Jahren, als die ökonomischen Verhältnisse zunehmend besser wurden, zeigte sich aber ein neuer Trend. Die Grundbedürfnisse waren für viele Menschen gedeckt. Dadurch gewannen Themen wie Bildung, Kultur und soziale Fragen an Bedeutung. Auch in der westlichen Welt fand in dieser Zeit ein Wandel zu mehr Transparenz und liberaleren Werten statt. Die Bevölkerung fing demnach an, ihre Einschränkungen mehr und mehr zu hinterfragen. 

Legitimation der Macht beibehalten 

Die Legitimität der Regierung ist stark an die wirtschaftliche Leistung des Landes gekoppelt. Vor allem die ältere Generation, die noch gute Erinnerungen an die Lebensbedingungen kurz nach der Unabhängigkeit hat, tendiert dazu, Beteiligungseinschränkungen zum Wohle des wirtschaftlichen Wachstums zu akzeptieren. Gerade in den jungen Jahren Singapurs wurde Beteiligung als Bedrohung für die Macht der PAP empfunden. Heute scheint die Regierung jedoch eingesehen zu haben, dass mehr Teilhabe durchaus Vorteile bringen kann. Bürger*innen tendieren dazu, mehr Verständnis für politische Entscheidungen aufzubringen, wenn sie im Prozess eingebunden werden. Ebenso kann der Staat Unruhen vorbeugen, indem er frühzeitig politische Probleme erkennt. 

So wurden seit der Jahrtausendwende einige Plattformen erstellt, um den Bürger*innen mehr Partizipation zu ermöglichen. Die Partizipation findet jedoch überwiegend auf lokaler Ebene statt und erfolgt in Bereichen, in denen es um wenig kontroverse Themen geht. Dies ist besonders in der Stadtplanung der Fall. REACH Singapore (reaching everyone for active citizenry @ home) erlaubt es Bürger*innen zum Beispiel, Input zu Vorschlägen der Regierung einzureichen, die dann von Beamt*innen bearbeitet werden. Eine weitere Plattform ist Our Singapore Fund, auf der Förderungen für eigene Projekte erworben werden können.

Herausforderungen der Bürgerbeteiligung 

Mittlerweile gibt es also einige Möglichkeiten für Bürger*innen in Singapur, ihre Ansichten zu teilen. Allerdings kann kaum nachverfolgt werden, inwiefern diese Stimmen tatsächlich gehört werden. Zum Beispiel gab es 2012 eine nationale Aktion namens Our Singapore Conversation, bei der fast 50 000 Bürger*innen in Sitzungen über Probleme sprechen konnten. Danach wurden die Ergebnisse in einem öffentlichen Bericht festgehalten. Wie viel Gewicht sie jedoch bei darauffolgenden Entscheidungsprozessen tatsächlich hatten, bleibt unklar. 

Um die Bürgerbeteiligung in Singapur demnach wirklich effektiv zu gestalten, muss mehr Transparenz geschaffen werden. Wenn unklar ist, welchen Einfluss Beteiligungsprojekte haben, wird weniger in diese investiert. Die Qualität leidet und Singapur kann wieder auf das ursprüngliche Argument zurückgreifen, dass Bürgerbeteiligung zu Ineffizienz führe. Je mehr Bürger*innen beteiligt sind und an die Wirksamkeit ihrer Taten glauben, desto höher die Qualität der Beteiligung, wovon Singapur durchaus profitieren kann. 

Literaturhinweise

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Peter Dienel; Ortwin Renn

Planning Cells: A Gate to „Fractal“ Mediation Buchabschnitt

In: Thomas Webler; Peter Wiedemann (Hrsg.): Fairness and Competence in Citizen Participation: Evaluating Models for Environmental Discourse, Kluwer, Dordrecht, 1995.

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Richard Schröder

Kinder reden mit! Beteiligung an Politik, Stadtplanung und Stadtgestaltung Buch

Beltz, Weinheim, 1995.

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Peter Dienel

New Options for Participatory Democracy Buchabschnitt

In: Chiranji Yadav (Hrsg.): Perspectives in Urban Geography, City Planning: Administration and Participation, Concept Publishing Company, New Delhi, 1986.

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Robert Jungk; Norbert Müllert

Zukunftswerkstätten: Wege zur Wiederbelebung der Demokratie Buch

Goldmann Verlag, München, 1983.

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Talcott Parsons

Zur Theorie sozialer Systeme Buchabschnitt

In: Stefan Jensen (Hrsg.): Studienbücher zur Sozialwissenschaft, Bd. 14, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 1976, ISBN: 978-3-322-83798-1.

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Sherry Arnstein

A Ladder of Citizen Partizipation Artikel

In: Journal of the American Planning Association, Bd. 35, Nr. 4, S. 216-224, 1969.

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