bipar – ein erfolgreiches erstes Jahr

Jörg Sommer im Interview zum ersten Arbeitsjahr des Berlin Institut für Partizpation

Der Direktor des bipar spricht im Interview über die Arbeit des Instituts im vergangenen Jahr, den Stand der Beteiligung in Deutschland und über anstehende Projekte.

Herr Sommer, 2018 war das erste vollständige Wirkungsjahr des Berlin Institut für Partizipation. Wie schätzen Sie die Arbeit im vergangenen Jahr ein? Was haben Sie erreicht? Sind Sie zufrieden?

Absolut. In den vergangenen Monaten haben wir gemeinsam mit unseren zwischenzeitlich fast 100 assoziierten Mitgliedern bemerkenswert viel leisten können:

Unser Ende 2017 erschienenes KURSBUCH BÜRGERBETEILIGUNG #2 hat Tausende von Leserinnen und Lesern gefunden und stand bei Amazon wochenlang unter den Top 100 Politik-Sachbüchern in mehreren Rubriken. Das kommende KURSBUCH BÜRGERBETEILIGUNG #3 wird erstmals von einer mehrköpfigen Redaktion aus dem Kreis unserer Mitglieder verantwortet. Wir haben zudem erstmals deutlich mehr Beitragsangebote, als wir im Band unterbringen können und konnten gemeinsam ein hoch interessantes Portfolio an Autoren und Texten zusammenstellen. Erscheinen wird das KURSBUCH BÜRGERBETEILIGUNG #3 im Frühsommer des kommenden Jahres.

Unser Informationsportal www.bipar.de konnte weiter rasant wachsen. Wir haben teilweise über 2.000 individuelle Besucher pro Tag, über 500 Beiträge sind erschienen und wir ergänzen die Seite regelmäßig um neue Bereiche. Unsere Methodendatenbank wächst weiter an, unsere Literaturliste umfasst über 300 recherchierbare Fachbücher und -beiträge. Seit Anfang Dezember werden neue Beiträge regelmäßig mit interessanten Literaturtipps aus unserer Datenbank ergänzt. Großer Beliebtheit erfreuen sich auch unsere ePaper, die allesamt kostenlos zum Download zur Verfügung stehen.

Wie sind Ihre Pläne für das Portal? Gibt es in 2019 neue Angebote?

In der Tat haben wir einiges geplant: Unser in 2018 neu gestartetes Branchenverzeichnis umfasst bislang rund 80 Einträge an Wissenschaftlichen Einrichtungen, Dienstleistern und Fortbildungsträgern. In den vergangenen Wochen haben wir damit begonnen, ein Fortbildungsportal aufzubauen, das Informationen zu Bildungsangeboten, Bildungsanbietern und -materialien enthält. Getestet wird gerade der neu implementierte Veranstaltungskalender. 2019 wollen wir insbesondere diesen Kalender, das Branchenverzeichnis und das Bildungsportal weiterentwickeln, auch ein Ausbau der Referentenvermittlung ist geplant. Wir wollen www.bipar.de langfristig zur ersten Anlaufadresse für alle Menschen entwickeln, die sich für das Thema Bürgerbeteiligung interessieren.

Das Institut versteht sich ja auch als Mittler zwischen Beteiligungsexperten und der Politik. Wie schätzen Sie die aktuelle politische Landschaft ein. War 2018 ein gutes Jahr für die Beteiligung?

Viel bewegt hat sich vor allem in den Kommunen. In der Bundespolitik ist noch viel Luft nach oben. Noch immer ist die im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vereinbarte Expertenkommission zu Demokratie und Bürgerbeteiligung nicht in Sicht. Aus Regierungskreisen hören wir, dass es 2019 endlich losgehen soll, ob und wie lange aber diese Regierung und damit der Koalitionsvertrag noch Bestand haben wird, ist schwer einzuschätzen. Das Thema Politische Teilhabe ist jedenfalls nicht wirklich oben auf der Agenda der Regierungspolitik.

Ähnlich sieht es auch in allen Fraktionen des Deutschen Bundestages aus. Bis heute hat nicht eine Fraktion einen dezidierten Sprecher bzw. eine Sprecherin für Beteiligungsthemen. Wir sind zwar mit vielen Parlamentariern im Gespräch, aber von einer soliden Verankerung der Bürgerbeteiligung in der Parlamentstätigkeit können wir (noch) nicht sprechen.

Um so wichtiger war deshalb unser erster Parlamentarischer Abend, den wir im Oktober gemeinsam mit der Dialoggesellschaft und der Bertelsmann-Stiftung durchführen konnten. Mit rund 80 Teilnehmern aus Politik und Verbänden war er sehr gut besucht. Das gemeinsame Plädoyer aller Einladenden (auch der Industrievertreter) für mehr und bessere Bürgerbeteiligung in Planungsvorhaben fand im Parlament durchaus Resonanz, es führte zu diversen Einladungen und Folgegesprächen.

Erst kürzlich fand die erste Jahrestagung des Instituts statt. Hat sich das Format bewährt? Soll es weitergeführt werden?

Unsere Jahrestagung im Haus der Demokratie in Berlin war ein voller Erfolg. Viele unserer Mitglieder konnten teilnehmen, einige haben sich dort auch erstmals persönlich getroffen. Die gemeinsame Diskussion über Elemente und Merkmale von „Beteiligungskultur“ war extrem spannend und inspirierend. Wir werden diese Jahrestagungen auf jeden Fall zu einer regelmäßigen Veranstaltung entwickeln. Ich freue mich schon auf unser diesjähriges Treffen.

Im Juni vergangenen Jahres hat das Institut auch die Koordination der Allianz Vielfältige Demokratie von der Bertelsmann-Stiftung übernommen. Was hat Sie dazu bewogen?

Die Allianz Vielfältige Demokratie vereint zwischenzeitlich über 170 Akteure der Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen, die für das Thema Bürgerbeteiligung verantwortlich sind. Kernelement der Allianz ist neben dem bundesweiten, ebenen-übergreifenden Austausch der Transfer von Wissen und Erfahrungen sowie die Entwicklung praxistauglicher Handlungs- und Lösungsansätze. Die Bertelsmann-Stiftung musste sich nach drei Jahren Aufbauarbeit weitgehend aus der intensiven Betreuung zurückziehen. Es ist dort Hauspolitik, in Projekten zu denken, Initiativen zu lancieren, aber diese nicht dauerhaft zu betreuen, die Stiftung versteht sich als gesellschaftlicher Impulsgeber. Für die Allianz stellte sich die Frage, ob und wie eine Weiterarbeit möglich ist. Da nahezu alle Mitglieder weiter gemeinsam wirken wollten, brauchte es einen neuen Koordinator. Wir halten die Arbeit der Allianz für so wichtig, dass wir uns hier aktiv einbringen.

Konnten Sie das leisten?

Es war natürlich gerade für ein so junges Institut eine gewisse Herausforderung, doch bislang haben wir nur positive Rückmeldungen. Obwohl wir deutlich weniger Ressourcen als die Bertelsmann-Stiftung zur Verfügung haben, entwickelte sich die Allianz im vergangenen halben Jahr ausgezeichnet. Neue Ländergruppen sind entstanden und zahlreiche Mitglieder neu hinzu gekommen. Die Zusammenarbeit innerhalb der Allianz gestaltet sich außerordentlich erfreulich, die Impulse der Allianz auf die beteiligungspolitische Debatte in Deutschland sind nicht zu übersehen, was an dem umfangreichen ehrenamtlichen Engagement der Themenkreisleiter und aktiven Allianzmitglieder liegt. Dies wollen wir auch in Zukunft weiter fördern und unterstützen.

Was ist in 2018 noch geschehen?

Aufgenommen haben wir zwischenzeitlich auch die Arbeit an eigenen Studien. In Kürze veröffentlichen wir die erste bipar Studie zu „Demokratie in der Arbeitswelt“, die aktuell in Zusammenarbeit mit einer großen Gewerkschaft entsteht und für die wir mehr als 1.000 Beschäftigte über ihre Erfahrungen mit innerbetrieblicher Beteiligung befragt haben.

Begonnen haben wir auch damit, eines der meistgenannten Themen in unserem Beteiligungsprozess vor Institutsgründung anzugehen: Die Entwicklung eines Beteiligungsindex, der in regelmäßigen Abständen einen vergleichenden Blick auf die Entwicklung der Beteiligungskultur in Deutschland werfen soll. Hier freuen wir uns ganz besonders über Mitglieder, die diesen Index mit uns gemeinsam entwickeln wollen.

Das Thema Qualität von Bürgerbeteiligung hat Sie ja auch persönlich schon lange beschäftigt. Wie sehen die Aktivitäten und Pläne des Instituts hierzu aus?

Was alles möglich ist, wenn sich kompetente Mitglieder des Instituts engagiert einbringen, zeigt die AG Evaluation, die zwischenzeitlich sehr weit bei der Entwicklung eines Zertifizierungs- und Qualitätsmanagementsystems für beteiligungsorientierte Kommunen gekommen ist. Es liegt ein bereits weitgehend ausdifferenziertes Kriterienset vor, ebenso wie eine erste Fassung des Zertifizierungsprozesses. Aktuell sind wir mit ersten Pilotkommunen im Gespräch, im kommenden Jahr wollen wir mit der praktischen Aufnahme der Tätigkeit beginnen.

Das sind eine Menge Aktivitäten. Sie haben also erreicht, was sie sich vorgenommen haben?

Alles in allem haben wir im vergangenen Jahr nicht nur gemeinsam viel geleistet, sondern sogar weit mehr erreicht, als wir uns zu Jahresbeginn vorgenommen hatten. Die Entwicklung verlief dabei streckenweise überaus stürmisch. Ich danke allen unseren aktiven Mitgliedern, aber auch unserem hauptamtlichen Team und den zahlreichen sehr engagierten Praktikantinnen und Praktikanten, ohne die dieser Erfolg so nicht möglich gewesen wäre.

Und die Pläne für 2019? Können Sie dazu schon etwas verraten?

Vieles, was wir in 2018 begonnen haben, wird erst im kommenden Jahr Früchte tragen. In den Bereichen Qualifikation und Medien streben wir zwei neue, langfristige Projekte an und nach wie vor freuen wir uns über Vorschläge und Anregungen aus dem Kreis unserer Mitglieder. Übrigens: Die Mitgliedschaft im Institut ist kostenlos und steht jedem offen, der sich wissenschaftlich, politisch oder praktisch mit politischer Teilhabe beschäftigt – wir freuen uns über weitere aktive Mitstreiter!

Literaturhinweise

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Johannes Drerup, Gottfried Schweiger (Hrsg.)

Politische Online- und Offline-Partizipation junger Menschen Sammelband

J.B. Metzler, Stuttgart, 2019, ISBN: 978-3-476-04744-1.

Links | BibTeX

Bertelsmann Stiftung (Hrsg.)

Schwindendes Vertrauen in Politik und Parteien Forschungsbericht

2019.

Abstract | Links | BibTeX

Roland Roth; Udo Wenzl

Jugendlandtage in den Bundesländern – Zwischen Dialog, Beteiligung, politischer Bildung und Nachwuchsförderung Forschungsbericht

2019, ISBN: 978-3-922427-24-7.

Links | BibTeX

Dörte Bieler, Dr. Laura Block, Annkristin Eicke, Luise Essen

Partizipation ermöglichen, Demokratie gestalten, Familien stärken Forschungsbericht

Bundesforum Familie 2019.

Links | BibTeX

Jörg Sommer (Hrsg.)

KURSBUCH BÜRGERBETEILIGUNG #3 Buch

Republik Verlag, Berlin, 2019, ISBN: 978-3942466-37-0.

BibTeX

Jörg Sommer, Bernd Marticke

Status quo und Potentiale der innerbetrieblichen Partizipation Buchabschnitt

In: Jörg Sommer (Hrsg.): KURSBUCH BÜRGERBETEILIGUNG #3, Republik Verlag, Berlin, 2019, ISBN: 978-3942466-37-0.

Abstract | Links | BibTeX

Jörg Sommer, Hans Hagedorn

Gute Beteiligungskultur – auf dem Weg zu einem praxisorientierten Qualitätsmanagement in der Bürgerbeteiligung Buchabschnitt

In: Jörg Sommer (Hrsg.): KURSBUCH BÜRGERBETEILIGUNG #3, Republik Verlag, Berlin, 2019, ISBN: 978-3942466-37-0.

Links | BibTeX

Stefan Löchtefeld, Jörg Sommer

Das Prinzip Haltung: Warum gute Bürgerbeteiligung keine Frage der Methode ist Buchabschnitt

In: Jörg Sommer (Hrsg.): KURSBUCH BÜRGERBETEILIGUNG #3, Republik Verlag, Berlin, 2019, ISBN: 978-3942466-37-0.

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Ahmet Derecik; Marie-Christine Goutin; Janna Michel

Partizipationsförderung in Ganztagsschulen. Innovative Theorien und komplexe Praxishinweise Buch

Springer VS, Wiesbaden, 2018.

BibTeX

Allianz Vielfältige Demokratie/Bertelsmann Stiftung (Hrsg.)

Wegweiser Breite Bürgerbeteiligung: Argumente, Methoden, Praxisbeispiele Online

2018.

Links | BibTeX

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