Projekt Bürgerrat für Demokratie

Am 15. November 2019 erreichte das Projekt „Bürgerrat Demokratie“ seine vorletzte Phase: In Berlin wurde das erarbeitete Bürgergutachten an die Politik übergeben.

Foto: Tag für Demokratie via flickr.com , Lizenz: CC BY 2.0

Am 15.11.2019 erreichte das Projekt Bürgerrat Demokratie seine dritte und damit vorletzte Phase: In Berlin trafen sich die Teilnehmenden des Bürgerrats sowie Politiker und Interessierte aus der Zivilgesellschaft, um die Ergebnisse des Rates zu besprechen und das Bürgergutachten an die Politik zu übergeben.

Darum geht es

Initiiert von Mehr Demokratie e.V. und gefördert von der Schöpflin Stiftung wurde der Bürgerrat mit dem Ziel entwickelt, gegen die wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Demokratie vorzugehen.

Besonders an dem Projekt ist das Auswahlverfahren der Teilnehmenden. Mit dem Ziel einen Querschnitt der Gesellschaft abzubilden, wurden die Teilnehmer über ein gewichtetes Losverfahren rekrutiert. Die Veranstalter haben den Prozess in Ihrem Abschlussbericht transparent dargestellt und auch die Schwierigkeiten geschildert, eine repräsentative Teilnehmerstruktur zu generieren. Am Ende gelang dies überwiegend zufriedenstellend. Die Tatsache, dass Teilnehmende mit höherem Bildungsabschluss weit überrepräsentiert waren, war und ist auch für viele andere Beteiligungsprozesse typisch. Hier wird man in zukünftigen Auflagen sicher noch weiter optimieren.

Im September dieses Jahres kam der Bürgerrat an insgesamt vier Tagen zusammen, um gemeinsam zu diskutieren, abzustimmen und ein Bürgergutachten zu verfassen. Begleitet wurden die Teilnehmenden dabei stets von Experten, die für das notwendige Fachwissen sorgten. Zudem gab es ein Team von Moderatoren, die vor Ort wichtige Punkte, wie die Redeordnung oder das Zusammentragen der Ergebnisse koordinierten.

Am Ende wurde über 22 Ergebnisse abgestimmt, welche als Empfehlungen in dem Bürgergutachten formuliert wurden. Besonders hervorgehoben werden vier Empfehlungen zur Frage der Ergänzung der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie durch direktdemokratische Elemente:

  1. Unsere bewährte repräsentative Demokratie soll durch eine Kombination von Bürgerbeteiligung und Volksentscheiden auf Bundesebene ergänzt werden.
  2. Es soll per Zufallslos berufene Bürgerräte auf Bundesebene geben.
  3. Es soll bundesweite Volksentscheide geben.
  4. Es soll eine unabhängige Stabsstelle für Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie eingerichtet werden.

Zudem wurde, auch wenn es thematisch in eine etwas andere Richtung geht, die Empfehlung eines Lobbyregisters auf Bundesebene ausgesprochen.

Tag der Demokratie

Vertreter des Bürgerrates übergaben die Ergebnisse im Rahmen der Veranstaltung an den Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble. Die Hoffnungen, die damit auf der Politik liegen, wurden während der gesamten Veranstaltung immer wieder betont. Die Initiatoren des Bürgerrats stellten klar: Die Ergebnisse dürfen nicht ins Leere laufen. Um Bürgerbeteiligung auch zukünftig erfolgreich umzusetzen, sei es besonders wichtig, dass die Beteiligten sich ernst genommen fühlen. Die Übergabe würde jedoch nicht heißen, dass das Projekt Bürgerrat nun abgeschlossen sei: „Jetzt ist die Politik am Zug. In hundert Tagen ziehen wir erste Bilanz. In einem Jahr erwarten wir Rechenschaft. Wir bleiben dran“, so das Vorstandsmitglied von Mehr Demokratie e.V. Roman Huber.

Im Programm der Veranstaltung kamen viele relevante Akteure, wie der wissenschaftliche Beirat oder der Bürgerratsvorsitzende zu Wort. Das Fazit des Experiments Bürgerrat war durchweg positiv, wenn nicht sogar enthusiastisch. Claudine Nierth (Mehr Demokratie e.V.) sagte, dass ihre anfänglichen Zweifel komplett beseitigt seien und sie den Bürgerrat sowie auch sein Auswahlverfahren, durchweg positiv bewerte.

Die ebenfalls eingeladenen Politiker der Bundestagsparteien bewerteten den Bürgerrat alle als Erfolg. Besonders die Einführung eines Lobbyregisters wurde von Friedrich Straetmann (Die Linke) begrüßt und Helge Lindh (SPD) lobte den zukunftsweisenden Charakter des Bürgerrates. Zurückhaltende Kritik äußerte Torsten Frei (CDU/CSU), der sich insbesondere gegen Volksentscheide auf Bundesebene aussprach. Ermutigende Worte kamen dagegen von Anna Christmann (Bündnis90/DieGrünen), wenngleich sie um Verständnis für langwierige Prozesse in der Politik bat. Während der Diskussion gab es aus dem Publikum immer wieder drängende Zwischenrufe, die auf das Ernstnehmen des Bürgergutachtens pochten. Gerade die Aussage von Stephan Thomae (FDP), dass einige Forderungen eine Grundgesetzänderung erfordern, stieß auf Skepsis im Plenum. Abschließend sprachen sich alle Vertreter für eine Evaluation der Ergebnisse im nächsten Jahr aus.

Der Ball liegt nun im Parlament, dessen Vertreter vom Bundestagspräsidenten ausdrücklich aufgefordert wurden, ihn aufzunehmen und Initiativen einzubringen. Wir bleiben gespannt …

Literaturhinweise

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Dieter Rucht

Die Anti-Atomkraftbewegung Buchabschnitt

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Leitfaden partizipativer Verfahren. Ein Handbuch für die Praxis Buch

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Am Rande der Gesellschaft: Risiken sozialer Ausgrenzung Buch

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Regieren mit Mediation: Das Beteiligungsverfahren zur zukünftigen Entwicklung des Frankfurter Flughafens Buch

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Thomas Petermann; Constanze Scherz

TA und (Technik-)Akzeptanz(-forschung) Artikel

In: Technikfolgenabschätzung - Theorie und Praxis , Bd. 3, Nr. 14, S. 45-53, 2005.

Abstract | Links | BibTeX

Ortwin Renn

Technikakzeptanz: Lehren und Rückschlüsse der Akzeptanzforschung für die Bewältigung des technischen Wandels Artikel

In: Technikfolgenabschätzung - Theorie und Praxis , Bd. 3, Nr. 14, S. 29-38, 2005.

Abstract | Links | BibTeX

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