Ein Bürgerrat für das Klima

Frankreich wagt mehr Partizipation

Der französische Präsident Emmanuel Macron setzt in der Klimapolitik auf mehr Bürgerbeteiligung, um sozialen Unruhen vorzubeugen.

Foto: Alice Triquet via unsplash .

Effektivität und soziale Verträglichkeit stehen in der Klimapolitik häufig in einem Spannungsfeld. Heftige Proteste, wie die der „Gelbwesten“ in Frankreich im letzten Jahr, können die Folge sein, wenn die sozialen Auswirkungen von Maßnahmen unzureichend berücksichtigt werden. Daher erarbeitet ein Klima-Bürgerrat gegenwärtig Empfehlungen für die Politik.

Als Reaktion auf die sozialen Unruhen hatte die französische Regierung unter Präsident Emmanuel Macron im Oktober 2019 einen Klima-Bürgerrat eingesetzt. Die Nationalversammlung hatte auf Initiative der Regierung im Sommer 2019 den Klimanotstand ausgerufen und mit einem Gesetz das Land zur Klimaneutralität verpflichtet.

Der Klima-Bürgerrat

Der französische Klima-Bürgerrat umfasst 150 Bürgerinnen und Bürger aus Stadt und Land zwischen 16 und 65 Jahren. Durch eine zufällige Auswahl der Mitglieder soll sichergestellt werden, dass der Rat repräsentativ für die französische Gesellschaft ist. Die Bereitschaft zum Engagement ist groß: Bei der Auswahl der Teilnehmenden zeigten zwei Drittel der angefragten Personen hohes oder sehr hohes Interesse an einer Teilnahme. Der seit ca. vier Monaten existierende Bürgerrat hat die Aufgabe, den Präsidenten zu beraten, auf welchem Weg Frankreich seine CO2-Reduktionsziele erreichen kann. Angestrebt ist eine 40%ige Reduktion bis 2030 im Vergleich zu 1990.

Zunächst war geplant, dass der Bürgerrat dem Parlament direkt Maßnahmenvorschläge in verschiedenen Handlungsfeldern unterbreitet. Auf der vierten von insgesamt sieben Tagungen des Klima-Bürgerrates am 10. Januar 2020 kündigte Macron nun an, in einem landesweiten Referendum über einen vom Bürgerrat erarbeiteten Maßnahmenentwurf entscheiden zu lassen. Dadurch wird den Vorschlägen noch mehr Gewicht verliehen. Verbindlich für das Parlament wird das Votum jedoch nicht sein.

Mehr und dauerhafte Partizipation?

Mit dem temporär eingesetzten Klima-Bürgerrat ist es aber noch nicht getan: Um die demokratische Innovation des Klima-Bürgerrates im französischen Regierungssystem langfristig zu verstetigen, soll der Rat für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (CESE) reformiert werden. In Zukunft ist geplant, dass per Zufallsverfahren ausgeloste Bürgerräte zur dritten Kammer der Republik werden. Dies kündigte der derzeitige Präsident des CESE, Patrick Bernasconi, an. Der CESE bildet die dritte Kammer der Republik und vertritt zurzeit die organisierte Zivilgesellschaft aus Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen etc.

Macron setzt mit dem Klima-Bürgerrat und der geplanten Umstrukturierung der dritten Kammer der Republik nun auf neue Formen der Beteiligung. Damit reagiert er auf soziale Verwerfungen und anhaltende Vorwürfe des Elitismus. Die Zukunft wird zeigen, inwiefern diese Maßnahmen einem Vertrauensverlust in die bestehenden  Strukturen der repräsentativen Demokratie in Frankreich entgegenwirken können.

Mit den Entwicklungen im Nachbarland Frankreich drängt sich die Frage auf, welche Potentiale Bürgerräte in Deutschland haben. Die Friedrich-Ebert-Stiftung veröffentlichte diesbezüglich kürzlich eine Studie, in der diese Beteiligungsstruktur zur Stärkung der Partizipation auf Bundesebene theoretisch Verwendung findet. Ein erstes großes Praxisexperiment wurde 2019 von Mehr Demokratie e. V. und der Schöpflin Stiftung durchgeführt, bei dem 160 Bürger in einem mehrmonatigen Verfahren politische Empfehlungen erarbeiteten, die schließlich Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble übergeben wurden. Das große Interesse von allen Seiten am Verfahren hat gezeigt, dass es auch in Deutschland zukünftig noch mehr Mut bedarf, um neue Wege der Bürgerbeteiligung zu beschreiten.

 

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