Demokratie mag gelernt sein

Die demokratiepädagogische Bedeutung von Klassenräten

In den letzten Jahren hat das Modell der Klassenräte einen Aufschwung erlebt. Immer mehr Schulen und Klassen nutzen sie, um Konflikte und Anliegen innerhalb der Klassen zu besprechen. Wie dieser Beitrag zeigt, können Klassenräte aber auch von großer demokratiepädagogischer Bedeutung sein.

Dass Demokratie nicht selbstverständlich ist, zeigt sich an vielen Beispielen in der Welt und in der Geschichte. Umso wichtiger, dass sie erlernt, gelebt und geschützt wird. Demokratie wird heute nicht nur als Form der Entscheidungsfindung, sondern auch als Haltung und Umgang miteinander betrachtet. Demokratische Werte können dabei durch Erfahrungen schon in der Schule gelernt werden. Ein Weg, um dies zu erreichen, können Klassenräte sein. In Klassenräten können Schüler*innen Selbstbestimmung und Eigenverantwortung lernen, indem sie gemeinsam als Klasse thematisieren, was sie bewegt und bedrückt. Dabei ist jede*r gleichberechtigt und es wird konsensorientiert vorgegangen. 

Für den Klassenrat kommen alle Schüler*innen mit Klassenlehrer*in oder Schulsozialarbeiter*in regelmäßig, meist wöchentlich, zusammen. Klassenräte bieten dabei Raum, um Anliegen, Konflikte und Probleme der Schüler*innen gemeinsam zu thematisieren. Es gibt verschiedene Rollen (z. B. Moderation, Protokoll und Regelwächter*in), die regelmäßig gewechselt werden, sodass jede*r in verantwortender Position sein kann. Die Gleichberechtigung aller wird dabei sehr ernst genommen: Schüler*innen und Erwachsene teilen im Klassenrat die gleichen Rechte, Pflichten und Regeln. Im Klassenrat kann neben klasseninternen Themen auch über (außerschulisches) zivilgesellschaftliches Engagement geredet und entschieden werden.

Typischerweise läuft ein Klassenrat folgendermaßen ab:

Nachdem die Rollen zugeteilt wurden, wird zunächst mit einer Anerkennungsrunde begonnen, in welcher jede*r etwas sagen kann, was ihm oder ihr gut gefällt bzw. gefallen hat. Danach wird kurz auf die Beschlüsse der vergangenen Woche eingegangen und die Auswirkungen dieser werden gemeinsam evaluiert. Sobald die zu besprechenden Themen festgelegt sind, werden diese gemeinschaftlich besprochen. Bei Problemen wird versucht, ein Konsens zu finden, damit niemand als Verlierer*in aus der Diskussion kommt. Sind die Einigungen beschlossen, wird mit einer kurzen Feedbackrunde geschlossen, in welcher rekapituliert wird, was an der Sitzung gut oder noch verbesserungswürdig war. Dieser Ablauf ist jedoch keineswegs starr, sondern kann von jeder Klasse auf eigene Weise interpretiert und angepasst werden.

Wichtig bei den Diskussionen ist, dass die Kinder und Jugendlichen versuchen, sich in andere Mitschüler*innen reinzuversetzen und deren Gefühle zu verstehen. So können auf emphatische und lösungsorientierte Weise Kompromisse gefunden werden. Auf keinen Fall sollte im Klassenrat jemand bloßgestellt, gedemütigt oder ausgegrenzt werden. Der Klassenrat soll ein sicherer Raum für die Kinder und Jugendlichen sein, sich zu öffnen, auszusprechen und für das eigene Handeln Verantwortung zu übernehmen.

Gelingt das, können Klassenräte einen demokratischen und wertschätzenden Umgang der Kinder/Jugendlichen untereinander fördern. Die Schüler*innen lernen, Verantwortung für sich selbst, das eigene Lernen, die Klasse und die Klassen- bzw. Schulkultur zu übernehmen. Auch kann durch Perspektivwechsel die Wahrnehmung von Vielfalt in Lebensrealitäten, Interessen und Sichtweisen verbessert werden. Die Schüler*innen schärfen ihre politische und emotionale Urteilsfähigkeit und können so insgesamt ihre persönlichen, sozialen und demokratischen Kompetenzen stärken.

In der Weitsicht können Klassenräte auf diese Weise unsere Demokratie stärken. Kinder und Jugendliche müssen erfahren, dass ihre Stimme von Bedeutung ist und sie individuell etwas bewegen können. Indem Klassenräte das Verantwortungsbewusstsein von Schüler*innen fördern, wird es ihnen später erleichtert, als mündige, kritische und selbstbewusste Bürger*innen am politischen Geschehen zu partizipieren. Denn Demokratie ist weit mehr als nur eine Art, gemeinschaftliche Entscheidungen zu treffen. Sie ist der respektvolle und bewusste Umgang miteinander. Das kommt nicht von irgendwo, sondern muss gelernt und trainiert werden – beispielsweise in Klassenräten.

Literaturhinweise

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Bürgerbeteiligung und Mediation - Überschneidungen und Unterschiede Buchabschnitt

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Harry Assenmacher

Direkte Demokratie ist keine Utopie Buchabschnitt

In: Jörg Sommer (Hrsg.): Kursbuch Bürgerbeteiligung #1, Verlag der Deutschen Umweltstiftung , Berlin, 2015, ISBN: 978-3942466141.

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In: Jörg Sommer (Hrsg.): Kursbuch Bürgerbeteiligung #1, Verlag der Deutschen Umweltstiftung , Berlin, 2015, ISBN: 978-3942466141.

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In: Jörg Sommer (Hrsg.): Kursbuch Bürgerbeteiligung #1, Verlag der Deutschen Umweltstiftung , Berlin, 2015, ISBN: 978-3942466141.

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Akzeptanz in der Medien- und Protestgesellschaft: Zur Debatte um Legitimation, öffentliches Vertrauen, Transparenz und Partizipation Sammelband

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Jahrhundertaufgabe Energiewende: Ein Handbuch Buch

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Hope for democracy - 25 years of participatory budgeting worldwide Online

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Die neue Macht der Bürger: Was motiviert die Protestbewegungen? Sammelband

Rowohlt, Reinbeck, 2013, ISBN: 978-3498072544.

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