RWE: Akzeptanz für Großprojekte

rwestudie1„Partizipationsmaßnahmen sind kein PR-Posten, sondern sie sind unverzichtbare kalkulatorische Größe bei der Verwirklichung eines Großvorhabens.“

Dieser Satz ist nachzulesen auf der Website von RWE.

Überraschend? Für manch einen sicher. Schließlich hat sich gerade RWE als einer der Atombetreiber in der Vergangenheit in Sachen Beteiligung nicht gerade geschickt verhalten. Auch aktuell lassen die Beteiligungsprozesse zum Beispiel bei Rückbauverfahren abgeschalteter AKWs noch viel Raum zur Verbesserung.

Möglicherweise sind die für alle Seiten unbefriedigenden Erfahrungen aus der Vergangenheit auch der Grund dafür, dass RWE viel Geld in die Hand genommen und eine aufwändige Studie zur Bürgerbeteiligung beauftragt hat.

Bezeichnenderweise heißt sie „Akzeptanz für Großprojekte“, was schon im Titel eine problematische Fragestellung andeutet, die den Erkenntnisgewinn unnötig schmälert. Denn Akzeptanz ist letztlich nur eine von vier Dimensionen gelingender Beteiligungsverfahren. Zweifellos ist es jene, die einen Konzern wie RWE am meisten interessiert, politische Entscheidungsträger legen dagegen den Fokus meist eher auf die zweite Dimension der Legitimation. Verdrängt werden dagegen immer wieder die durch gelungene Beteiligungsverfahren stets verbesserte Qualität der Entscheidungen und vor allem die Emanzipation, d.h. die aktivierende Wirkung auf die Gesellschaft, die zu einer Revitalisierung unserer oft von Lethargie geprägten politischen Willensbildung beitragen kann.

Dennoch ist es gut, dass RWE diese Studie in Auftrag gegeben und veröffentlicht hat. Bietet sie doch tiefe Einblicke in die Denkweise Deutschlands Top-Manager. Sie ist von Ängsten und Befürchtungen, aber auch von Erwartungen geprägt. Dass die bisherige Praxis, Entscheidungen hinter verschlossenen Türen durch politische oder wirtschaftliche Eliten zu fällen und sie dann konsequent durchzusetzen, keine Zukunft hat, ist zwischenzeitlich auch in den Vorstandsetagen der Konzerne Allgemeingut.

Dass mehr Beteiligung der Schlüssel ist, arbeitet diese Studie deutlich heraus. Sie stellt die richtigen Fragen, bleibt aber oft die passenden Antworten schuldig. Das mag auch daran liegen, dass sie sehr von den Befindlichkeiten und Befürchtungen der Auftraggeber geprägt ist. Immer wieder scheint zum Beispiel durch, dass die Industrie sich als den „schwächeren Akteur“ zum Beispiel in der Auseinandersetzung mit NGOs sieht. Dies hält angesichts der realen Ressourcenausstattung keiner ernsthaften Prüfung stand, ist aber exemplarisch für die Sorgen der Wirtschaft – und ihre große Vorsicht mit wirklich ergebnisoffenen Formaten der Beteiligung.

Fazit: Eine lesenswerte Studie, die nicht in allen Bereichen auf der Höhe der wissenschaftlichen Diskussionen und der Praktiken Erfahrungen ist, aber dennoch ein Bekenntnis zu mehr und besserer Bürgerbeteiligung begründet.

Es bleibt abzuwarten, wie sich zum Beispiel die Beteiligungspraxis von RWE entwickelt. In der Endlagerkommission sind hier positive Entwicklungen offensichtlich. Beide Vertreter der Atomwirtschaft unterstützen das zwar zunächst sehr mühsam diskutierte aber zwischenzeitlich sehr engagierte Beteiligungskonzept der Kommission vorbehaltlos, inklusive dem offenen Ansatz des „lernenden Verfahrens“. Nun bleibt abzuwarten, ob wir auch eine gemeinsame Lernkurve realisieren können. Das wäre ein, wenn auch nicht das entscheidende Kriterium für den Erfolg der Kommission.

Autor: Jörg Sommer

Literaturhinweise

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