Partizipative Umweltpolitik

Das Umweltministerium hat Leitlinien für die zukünftige Einbindung der Bürger erarbeitet. Einblicke von der Präsentationsveranstaltung und eine erste Einschätzung bietet der folgende Beitrag.

Foto: © BMU/Heiko Adrian

Das Umweltministerium (BMU) führte in der Vergangenheit u.a. Bürgerdialoge zum integrierten Umweltprogramm 2030 und zum Klimaschutzplan 2050 durch. Zur Qualitätssicherung hat es nun unter Mitwirkung der Öffentlichkeit, Leitlinien für zukünftige Bürgerbeteiligungsverfahren erarbeiten lassen. Ergebnis dieses Prozesses ist die Publikation „Gute Bürgerbeteiligung. Leitlinien für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit“, die am 16. Januar 2019 bei einer Veranstaltung der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Sie werden als verbindlicher Bestandteil in die Geschäftsordnung des BMU aufgenommen.

Entstehungsprozess

Das BMU beauftragte die IFOK GmbH (Institut für Organisationskommunikation) und das Deutsche Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung (FÖV) mit der Erstellung der Leitlinien. Da laut Jonas Gobert vom IFOK klar war, dass Leitlinien für gute Bürgerbeteiligung nicht ohne Öffentlichkeitsbeteiligung entstehen können, wurde ein Leitlinienentwurf in einem partizipativen Prozess überarbeitet. 25 zufällig ausgewählte Bürger sowie 27 Mitarbeiter des BMU beschäftigten sich dazu in zwei separaten Workshops Anfang 2018 mit dem Konzept. Die daraus hervorgegangenen knapp 200 Hinweise und Verbesserungsvorschläge wurden so weit wie möglich in die Leitlinien aufgenommen.

Funktion der Leitlinien

Obwohl die Leitlinien in einem partizipativen Prozess erarbeitet wurden, sind sie bei weitem kein Garant für künftig gelingende Bürgerbeteiligung. Nichtsdestotrotz machen sie den Anspruch transparent, den das BMU an eigens initiierte Bürgerbeteiligungsverfahren stellt. Für das Ministerium bedeutet Bürgerbeteiligung einen beratenden Einbezug der Bürger in Entscheidungsprozesse.

Angelika Vetter von der Universität Stuttgart betonte zusätzlich zum Wert der Transparenz die symbolische Funktion der Leitlinien. Sie verdeutlichen sowohl nach Innen den eigenen Mitarbeitern als auch nach Außen den Bürgern, dass die Leitung Beteiligung schätzt. Abgesehen davon hätten die Leitlinien einen hohen handlungsanleitenden Wert und könnten dabei helfen, Routinen zu entwickeln.

Großes Interesse der Anwesenden

Das angewandte Verfahren der Zufallsauswahl zur Ermittlung der Workshopteilnehmenden rief im Auditorium methodische Nachfragen hervor. Daraufhin wurde erklärt, dass der Pool aus dem die Bürger zufällig ausgewählt wurden auf einem Telefonregister basierte, welches sowohl Festnetz-, als auch Mobilnummern enthält. Die Zufallsauswahl wurde gemäß der Faktoren Alter, Geschlecht und Bildungsgrad auf Repräsentativität geprüft und entsprechend ergänzt. Vor diesem Hintergrund wurden auch die Vor- und Nachteile einer zufälligen Bürgerauswahl bzw. direkter Auswahl bestimmter Stakeholder für Bürgerbeteiligung diskutiert. Das BMU entschied sich für eine Zufallsauswahl, da es Entscheidungen trifft, die sich auf die Lebensverhältnisse aller Bürger auswirken und nicht nur auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe. Aus dem gleichen Grund sei es wichtig, dass alle relevanten Informationen so aufbereitet würden, dass sie für Menschen verschiedener Bildungsgrade gut verständlich sind. Eine am Entstehungsprozess beteiligte Bürgerin betonte die Wichtigkeit des niederschwelligen Zugangs zu Informationen und rief in diesem Kontext auch ins Bewusstsein, dass nicht alle Medien automatisch für jede Bevölkerungsgruppe geeignet seien.

Lob und Kritik

Die Leitlinien und ihr Entstehungsprozess ernteten sowohl Lob als auch Kritik aus den Reihen der Anwesenden. Der Beteiligungsexperte Andreas Paust von der Bertelsmann Stiftung lobte die realistischen und präzise formulierten Ziele. Gleichzeitig erinnerte er daran, dass trotz definierter Ziele die Flexibilität nicht verloren gehen sollte. Um dies zu gewährleisten, schlug er dem BMU einen Beirat für Bürgerbeteiligung vor. Außerdem betonte Paust, dass die Einbindung der Bürger so früh wie möglich initiiert werden sollte. Sobald an Beteiligung gedacht werden würde, sei es für diese häufig schon zu spät. Kritik äußerte er an der Art der Einbindung der Mitarbeiter des BMU in den Entstehungsprozess: Zwar konnten sich ausgewählte Mitarbeiter im Rahmen des durchgeführten Workshops einbringen, doch für die restlichen Mitarbeiter gab es keine Möglichkeit, Verbesserungsvorschläge zu äußern.

Obwohl einzelne Aspekte des Entstehungsprozesses und des Inhalts der neuen Leitlinien für gute Bürgerbeteiligung des BMU von Experten kritisch beurteilt wurden, sind sie insgesamt ein Schritt in Richtung einer stärker partizipativ ausgerichteten Umweltpolitik. Inwieweit die Leitlinien Wirkung entfalten, wird sich in der Zukunft zeigen. Die Leitlinien können hier als PDF heruntergeladen werden.

Literaturhinweise

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Bürgerbeteiligung in kommunalen Zusammenhängen: Ausgewählte Instrumente und deren Wirkung im Land Brandenburg Buch

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Gesellschaftliche Akzeptanz von CO2-Abscheidung und -Speicherung in Deutschland Artikel

In: Energiewirtschaftliche Tagesfragen, 2008.

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Demokratische Partizipation in der Schule Buchabschnitt

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TA und (Technik-)Akzeptanz(-forschung) Artikel

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Ortwin Renn

Technikakzeptanz: Lehren und Rückschlüsse der Akzeptanzforschung für die Bewältigung des technischen Wandels Artikel

In: Technikfolgenabschätzung - Theorie und Praxis , Bd. 3, Nr. 14, S. 29-38, 2005.

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