Jugendbeteiligung im ländlichen Raum

Wie kann Jugendbeteiligung im ländlichen Raum neu gedacht werden? Das Projekt „Vorschlags-Expedition” der Gemeinde Nuthetal macht es vor.

Jordan McQueen via unsplash

Der Wunsch nach politischer Beteiligung und Vertretung ist bei vielen Kindern und Jugendlichen zentral. Sie wollen ihr Umfeld mitgestalten, haben ihre eigenen Bedürfnisse und sehen (spezifische) Bedarfe, die von Erwachsenen womöglich übersehen werden. Immer wieder kommen Studien zu dem Ergebnis, dass junge Menschen Interesse am politischen Geschehen und insbesondere dessen Auswirkungen auf ihre Lebensrealität haben (Hört uns zu! Vodafon Jugendstudie). Jedoch kann in den letzten Jahren auch beobachtet werden, dass immer mehr Jugendliche sich von politischen Entscheidungsträger*innen nicht gehört und sich in ihren Bedürfnissen nicht berücksichtigt fühlen (ebd.).   

Auf kommunaler Ebene anknüpfen

Die kommunale Ebene spielt hierbei eine tragende Rolle, da sie für die jungen Menschen am besten greifbar ist und so Demokratie lebensnah vermitteln kann. Doch gerade dort sind die Entscheidungsträger*innen in Gemeinderäten und Ausschüssen oftmals älter. So ergab beispielsweise eine Studie der Hochschule Kehl, dass rund 60% der Gemeinderät*innen über 55 Jahre alt sind (Wer sind die Gemeinderätinnen und Gemeinderäte in Baden-Württemberg?). Zwar gibt es in vielen Gemeinden und Städten Deutschlands Jugendvertretungen, doch diese sind oftmals nur beratend tätig und haben somit nur einen geringen Einfluss auf den Entscheidungsprozess. Um Scheinbeteiligung zu vermeiden, die statt wichtigen Selbstwirksamkeitserfahrungen Resignation und Enttäuschung zur Folge haben kann, ist eine Anknüpfung an bestehende Strukturen sinnvoll. Zusätzlich können junge Menschen auf diese Weise bereits Abläufe, Möglichkeiten und Limitationen der demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten kennenlernen. Gerade in ländlichen Gebieten ergibt sich bei Jugendvertretungen oft das Problem, dass sich zu wenige junge Menschen finden, die sich ein Engagement über einen Zeitraum von 2-3 Jahren vorstellen können. Denn genau in diesen Jahren stehen wichtige und lebensweisende Entscheidungen und Ereignisse für sie an. Aus diesem Grund hat die Gemeinde Nuthetal ein zusätzliches Angebot der Jugendbeteiligung geschaffen. Im Rahmen des Bürgerbudgets wurde das Projekt der „Vorschlags-Expedition” ins Leben gerufen, das junge Menschen unterstützen soll, ihre Ideen im Abstimmungsprozess einzubringen. 

Von der Idee bis zur Umsetzung

Zunächst wurde im Rahmen einer Ideenwerkstatt eine erste Bedarfsanalyse gemacht. Wo sehen junge Menschen Probleme? Was möchten sie verändern? Was brauchen sie in der Gemeinde? Durch die bewusst offene Gestaltung der Ideenwerkstatt sollten möglichst viele junge Menschen zur Teilhabe angeregt werden. Im nächsten Schritt wurden die gefundenen Ideen weiterentwickelt. Mit Folgeworkshops wurden in diesem Schritt die vielversprechendsten Ideen konkretisiert und ausgearbeitet. Auch hier wurde darauf geachtet, dass weitere Teilnehmende am Prozess teilhaben können. Um das örtliche Bürgerbudget kennenzulernen und zu verstehen, wurden darauffolgend die Ideen mit Kriterien und Limitationen des örtlichen Bürgerbudgets abgeglichen, um den Weg zur Einreichung zu ebnen und den jungen Menschen die Rahmenbedingungen näherzubringen. Durch einen Besuch im Rathaus und den Austausch mit den Verantwortlichen für das Bürgerbudget wurde die Idee schließlich auf Ihre Realisierbarkeit hin überprüft. Das Kennenlernen der Verantwortlichen vor Ort wirkte darüber hinaus demokratiefördernd, da die jungen Menschen so den Entscheidungsprozess besser nachvollziehen können. Anschließend wurde die Idee der Jugendlichen als Vorschlag eingereicht, um offiziell bei der Abstimmung über die Verwendung des Bürgerbudgets teilzunehmen. In der letzten Etappe vor der Abstimmung entwickelten die Beteiligten gemeinsam eine Werbekampagne für ihren Vorschlag, um ihr Projekt bekannt zu machen.  

Was bleibt?

Zwei junge Menschen, die im Projekt „Vorschlags-Expedition” beteiligt waren und ihre Idee in die Abstimmung gegeben haben, ziehen eine positive Bilanz. Für sie stellt das Projekt eine Möglichkeit dar, ihrer Stimme in der Gemeinde Gehör zu verschaffen. Eine der größten Hürden stellt aus der Sicht der beiden die Sprache dar, die in Ausschüssen, Gremien und Dokumenten verwendet wird, da diese für junge Menschen oftmals schwer verständlich sei und so viele davon abhalten würde, sich zu engagieren. Sie plädieren deshalb für eine Übersetzung in eine jugendnahe Sprache, die für alle leicht verständlich ist. Das Projekt in Nuthetal hat gezeigt, dass junge Menschen in bestehende Strukturen eingegliedert werden können und so ihre Perspektiven verstärkt einbringen können. Außerdem konnten die Teilnehmenden des Projekts Erfahrungen über die Funktionsweise des Bürgerbudgets sammeln. Den ganzen Bericht über Jugendbeteiligung in ländlichen Räumen können Sie hier lesen: Jugendbeteiligung in ländlichen Räumen: das Format Vorschlags-Expedition bei Bürgerbudgets und sein Kontext 

Literaturhinweise

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Anmerkungen zur Partizipation des Bürgers in der bundesdeutschen Demokratie Buchabschnitt

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Am Rande der Gesellschaft: Risiken sozialer Ausgrenzung Buch

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Regieren mit Mediation: Das Beteiligungsverfahren zur zukünftigen Entwicklung des Frankfurter Flughafens Buch

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Die Zukunft gemeinsam gestalten. Das Handbuch Öffentlichkeitsbeteiligung Buch

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Nuclear Energy Agency

OECD Nuclear Energy Agency: Stepwise Approach to Decision Making for Longterm Radioactive Waste Management Buch

Experience, Paris, 2004.

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