Rückblick: Jahrestagung 2018

Die diesjährige Jahrestagung des Berlin Institut für Partizipation widmete sich der Frage, wie eine gute Beteiligungskultur entwickelt und gefördert werden kann.

Vor gut einem Jahr entstand das Berlin Institut für Partizipation. Nun feierte es mit rund 50 Gästen seinen ersten Geburtstag. In freundschaftlicher Atmosphäre diskutierten Mitarbeiter, assoziierte Mitglieder, Experten und interessierte Gäste über die Frage, wie sich die Beteiligungskultur in Deutschland positiv entwickeln und gestalten lässt.

Inputs und spannende Formate

Dies geschah im Rahmen innovativer Formate und Tools wie einem moderierten Informations-Netzwerk oder der Voting-App Sli.do. Assoziierte Mitglieder stellten in Inputs laufende Vorhaben oder Ideen vor. Sie spiegelten die heterogenen Kontexte, aus denen die Aktiven des bipar stammen, wider und reichten von E-Partizipation über Jugendbeteiligung bis hin zur Wirkungsanalyse oder Evaluation von Partizipationsprozessen.

Alle diskutierten mit

An Bürgerbeteiligung werde oft erst dann gedacht, wenn die Politik Projekte und Maßnahmen gegen die Wand gefahren habe, lautete die markante Feststellung des bipar-Direktors Jörg Sommer in seiner Eröffnung der diesjährigen Jahrestagung des Institutes. Für ihn könne Bürgerbeteiligung soviel mehr sein als bloße Medizin. Doch dazu brauche es entsprechende Rahmenbedingungen und Strukturen, die Bürgern aktive Teilhabemöglichkeiten böten. Zudem setze es ein neues Verständnis hinsichtlich der Bedeutung und Potentiale dialogischer Beteiligung bei allen Beteiligten voraus.

Höhepunkt des Abends war eine offene Expertendiskussion zu den Perspektiven der Beteiligungskultur. Heike Walk (HNE Eberswalde), Hans Hagedorn (Leiter der AG Evaluation des bipar), Frank Zimmermann (Leiter der Heidelberger Koordinierungsstelle Bürgerbeteiligung) und Jörg Sommer (Direktor des bipar) diskutierten unter Moderation von Andreas Paust (assoziiertes Mitglied des bipar) das Thema intensiv. Das Publikum war mittendrin statt nur dabei und bereicherte die lebendige Diskussion mit Zwischenfragen und Anmerkungen.

Facettenreichtum einer Beteiligungskultur

Der Austausch verdeutlichte die Vielschichtigkeit und Komplexität des Begriffs, der Anknüpfpunkte auf Mikro-, Meso- und Makroebene bietet: Als Inhaberin eines Lehrstuhls für Transformation Governance betonte Heike Walk, dass Beteiligungskultur zunächst einmal bedingt, „Partizipation als hohen Wert zu schätzen und zu leben“.

Gerade am Beispiel der Suche nach einem Endlager für hoch radioaktive Abfälle ließe sich gut erkennen, wie wichtig Vertrauen in diesem Zusammenhang ist. Gorleben stelle einen eskalierten Konflikt dar, der als Beispiel für den Nullpunkt bei der Entwicklung einer Beteiligungskultur angesehen werden könne, erläuterte Hans Hagedorn. Basisvertrauen sei wichtig, jedoch müsse es sukzessive aufgebaut werden, anderenfalls steige die Neigung zum Blockadeverhalten in Prozessen.

Anhand der Äußerungen von Frank Zimmermann wurde deutlich, welch wichtigen Beitrag bei der Schaffung von Vertrauen eine Verständigung auf und Kommunikation von transparente(n) Spielregeln – bspw. städtische Leitlinien oder Leitbilder – leistet. Der Prozess der gemeinsamen Erarbeitung sei in diesem Kontext selbst ein Schlüssel zum Erfolg und das Ergebnis drücke stets die Präferenzen- und Verständigungsprozesse der Beteiligten aus. Daher seien die Resultate solcher Verfahren auch nicht kopierbar.

Methoden zum Aufbau einer Beteiligungskultur

Die anwesenden Experten waren sich darin einig, dass es von großer Bedeutung sei, möglichst alle themenrelevanten Akteure bzw. Betroffenen einzubinden. Sogenannte „stille Gruppen“ müssten in ihren Räumen erreicht werden und mit entsprechenden Methoden, wertschätzendem Verhalten und angepasster Sprache eingebunden werden. Überhaupt sei die Frage der Methode häufig von nachrangiger Bedeutung und es entscheide laut Jörg Sommer vor allem Gestus und Habitus der beteiligten Akteure für den Erfolg eines Verfahrens.

Pflicht zur Beteiligung?

Zum Abschluss der Diskussion tauschten sich die Anwesenden über das Für und Wider einer Partizipationspflicht aus. Heike Walk betonte, dass zivilgesellschaftliches Engagement und Bürgerbeteiligung intrinsisch motiviert sein sollten, weswegen eine Partizipationspflicht schwierig sei. Ähnlich sah es Jörg Sommer, der sich eine solche Regel nur für gewählte Repräsentanten vorstellen könnte. Insbesondere würde eine solche Pflicht bedeuten, dass der Bürger bei reinen Akzeptanzbeschaffungs- und Scheinbeteiligungsverfahren gezwungen werden würde, ein schlechtes Verfahren zu unterstützen. Das könne nicht richtig sein.

Es bleibt viel zu tun

Insbesondere die Ausführungen von Frank Zimmermann zur Entwicklung der Beteiligungskultur in Heidelberg zeigten die Chancen innovativer Formen und Strukturen politischer Governance. Deutlich wurde allerdings auch, dass damit ein längerfristiger Prozess verbunden ist. Er muss auf der dauerhaften Bereitschaft aller Beteiligten zu neuen Umgangsformen im politischen Diskurs fußen und den Bürger vom Objekt politischen Elitenhandelns zum aktiv Gestaltenden machen.

Literaturhinweise

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Die Konfliktlösungskonferenz ist ein Beteiligungsformat, bei dem in einem mehrgliedrigen Verfahren heterogene Standpunkte unterschiedlicher Interessengruppen transparent werden. Im Dialog werden Lösungsräume identifiziert und im Ergebnis entsteht ein Gutachten mit Handlungsempfehlungen für politische Entscheidungsträger.

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