Onlineportal zur Bewertung von Bürgerhaushalten

Der Bürgerhaushalt ist – zumindest theoretisch – eine effiziente Partizipationsmethode für Bürgerinnen und Bürger. Sie erhalten die Möglichkeit, über Teile des Bürgerbudgets mitzuentscheiden und so aktiv Einfluss auf die Gestaltung ihrer Stadt bzw. ihres Viertels zu nehmen. Doch wie bei allen Methoden kann die Theorie noch so gut sein, wenn sie in der Praxis nicht richtig umgesetzt wird. Mit dieser Problematik setzt sich das Internetportal Buergerhaushalt.org auseinander, welches von der Bundeszentrale für politische Bildung in Zusammenarbeit mit der Servicestelle „Kommunen für die Eine Welt/Engagement Global“ ins Leben gerufen wurde. Hier können Beteiligte die Umsetzung und Durchführung des Bürgerhaushaltes in ihrer Stadt oder ihrem Viertel für alle sichtbar evaluieren.
Zusätzlich bietet die Plattform umfangreiche Informationen rund um das Thema Bürgerhaushalt, Expertenmeinungen und die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Sie richtet sich an interessierte Bürgerinnen und Bürger, Beteiligungspraktiker, Städte und Kommunen. Kurz gesagt jeden, der sich für das Thema Bürgerhaushalt interessiert.
Ziele
Das Portal strebt einerseits danach, die Methode des Bürgerhaushaltes weiter zu verbreiten und andererseits die Evaluationsmöglichkeiten bzgl. der Methode stetig zu verbessern. Das übergeordnete Ziel ist dabei, eine größere Partizipation von Bürgerinnen und Bürgern in ihrer Stadt oder Kommune zu erreichen.
Aufbau
Wie bereits angesprochen, bietet die Plattform vor allem zwei Hauptdienstleistungen an: Zum einen stellt sie erste Informationen und beratende Unterstützung zur vorbereitenden Begleitung von Bürgerhaushalten bereit. Zum anderen offeriert sie die Möglichkeit, bereits durchgeführte Bürgerhaushalte zu evaluieren.
Außerdem organisiert die Website ein jährliches Netzwerktreffen, bei dem sich die rund 300 Mitglieder des Bürgerhaushalt-Netzwerkes regelmäßig treffen. Die Mitgliedschaft ist kostenlos und nach unkomplizierter Registrierung direkt auf der Internetseite für jeden möglich.
Bereits beim erstmaligen Besuchen findet sich der Neuankömmling problemlos auf dem Internetportal zurecht. Über einen Reiter auf der Seite kann eine interaktive Karte betrachtet werden, auf der vergangene und aktuelle Bürgerhaushalte verschiedener Städte lokalisiert sind. So bekommt der Nutzer einen schnellen Überblick darüber, in welchen Teilen Deutschlands die Methode des Bürgerhaushaltes wie intensiv genutzt wird.
Kritik und Lob
Schön ist, dass der Methode Bürgerhaushalt ein Forum geboten und sie insgesamt weiterverbreitet wird. Interessierte können sich informieren und Anregungen für die eigene Umsetzung holen. Außerdem erhalten Kommunen und Organisatoren von Bürgerhaushalten ein Feedback zu ihrer Arbeit. Im besten Fall beherzigen sie konstruktive Kritik und es wird eine Verfahrensverbesserung beim jeweiligen Bürgerhaushalt erreicht.
Allerdings benötigt das Portal eine große Anzahl an beteiligungswilligen Nutzern. Nur wenn viele betroffene Bürgerinnen und Bürgern ihr Urteil abgeben, entsteht letztlich ein repräsentatives Ergebnis. Umgekehrt besteht daher auch das Risiko, dass bei geringer Anteilnahme individuelle Einzelmeinungen stellvertretend für eine ganze Gruppe gesehen werden. Deshalb muss die Auswertung der Bewertungen differenziert und sorgfältig geschehen.
Der wohlüberlegte Aufbau der Seite erlaubt es, kurzfristig und zielorientiert auf die Evaluation eines ausgewählten Bürgerhaushalts zuzugreifen. Ebenso macht sie interessierten Nutzern dank des umfangreichen Informationsmaterials eine längere Verweildauer schmackhaft.
Positiv anzumerken ist letztlich die Möglichkeit, sich die Inhalte der Website auf englisch anzeigen zu lassen. Es wird so das Potential einer internationalen Vernetzung von Beteiligungsinteressierten, die sich für Bürgerhaushalte begeistern, zu fördern und der Erfahrungsaustausch erleichtert.
Fazit
Ein Besuch der Internetseite Buergerhaushalt.org lohnt sich. Egal, ob man sich nur über die Beteiligungsmethode des Bürgerhaushalts erkundigen möchte, informative Erfahrungsberichte zu laufenden oder abgeschlossenen Projekten lesen mag oder nach einem laufenden Bürgerhaushalt in seiner Region sucht, für jeden ist etwas dabei.
Literaturhinweise
Demokratische Partizipation in der Schule Buchabschnitt
In: Angelika Eickel; Gerhard de Haan (Hrsg.): Demokratische Partizipation in der Schule: ermöglichen, fördern, umsetzen, S. 7-39, Wochenschau Verlag, Schwalbach/Ts., 2007.
Leitfaden partizipativer Verfahren. Ein Handbuch für die Praxis Buch
ITA-Institut für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien, 2006.
Kooperative Demokratie: Das politische Potenzial von Bürgerengagement Buch
Campus Verlag, Frankfurt am Main, 2006, ISBN: 978-3593380131.
Klassenherrschaft und politisches System. Die Selektivität politischer Institutionen Buchabschnitt
In: Claus Offe; Jens Borchert; Stephan Lessenich (Hrsg.): Strukturprobleme des kapitalistischen Staates, Campus Verlag, Frankfurt am Main, 2006.
Regieren mit Mediation: Das Beteiligungsverfahren zur zukünftigen Entwicklung des Frankfurter Flughafens Buch
VS Verlag, Wiesbaden , 2005.
Die Zukunft gemeinsam gestalten. Das Handbuch Öffentlichkeitsbeteiligung Buch
Wien, 2005.
Kommunaler Bürgerhaushalt – ein Leitfaden für die Praxis Forschungsbericht
2004.
Recipes for Public Spheres: Eight Institutional Design Choices and Their Consequences Artikel
In: The Journal of Political Philosophy, Bd. 11, Nr. 3, S. 338-367, 2003.
Massenmedien und lokaler Protest Buch
Westdeutscher Verlag, Opladen, 2002.
Legitimität durch Verfahren? Bedingungen semi-konventioneller Partizipation: eine qualitativ-empirische Studie am Beispiel von Fokusgruppen zum Thema »Lokaler Klimaschutz« Buch
Roderer, Regensburg, 2002.