Ernährung im Wandel

Finale Empfehlungen des Bürgerrates beschlossen

Insgesamt neun Empfehlungen hat der Bürgerrat „Ernährung im Wandel“ in seiner Abschlusssitzung vorgestellt.

Von September 2023 bis Januar 2024 wurden von den 160 Teilnehmenden des Bürgerrates gemeinsam Empfehlungen rundum das Thema Ernährung erarbeitet und formuliert. Hierfür tagte der Bürgerrat an drei Wochenenden sowie in sechs Online-Sitzungen, in denen Fragen der (individuellen sowie kollektiven) Gesundheit, der (ökonomischen, ökologischen und sozialen) Nachhaltigkeit sowie der (Lebensmittel- und Versorgungs-) Sicherheit diskutiert und beleuchtet wurden. Dabei wurden die Themen, Wünsche und Ideen der Bürger*innen rundum das Thema Ernährung sukzessive verdichtet, priorisiert und schließlich als konkrete politische Handlungsempfehlungen finalisiert.

In der abschließenden Sitzung stimmte der Bürgerrat, über die 13 finalen Empfehlungen ab. Dabei wurde zunächst die Zustimmung (Ja / Nein / Enthaltung) abgefragt und anschließend von gar nicht wichtig (1) bis sehr wichtig (6) priorisiert. So wurden von den 11 mehrheitlich getragenen (mindestens 50 % Zustimmung) Vorschlägen schließlich die am höchsten priorisierten ermittelt. Insgesamt beschloss der Bürgerrat neun Empfehlungen sowie eine weitere Querschnittsempfehlung:

  1. Investition in die Zukunft: Kostenfreies Mittagessen für alle Kinder als Schlüssel für Bildungschancen und Gesundheit
  2. Bewusstes Einkaufen leicht gemacht durch ein verpflichtendes staatliches Label
  3. Verpflichtende Weitergabe von genießbaren Lebensmitteln durch den Lebensmitteleinzelhandel
  4. Lebensbedingungen und Herkunft von Tieren transparent darstellen
  5. Fördern statt Fordern – neuer Steuerkurs für Lebensmittel
  6. Gesunde, ausgewogene und angepasste Gemeinschaftsverpflegung in Krankenhäusern, Reha-, Senioren- und sonstigen Pflegeeinrichtungen
  7. Verbrauchsabgabe zur Förderung des Tierwohls
  8. Altersgrenze für Energydrinks
  9. Mehr Personal für Lebensmittelkontrollen und bessere Transparenz der Ergebnisse für die Öffentlichkeit
  10. Querschnittsempfehlung: Aufklärung und Bildung als Fundament für alle Empfehlungen des Bürgerrats

Die ausführlichen Empfehlungen und Begründungen für die Empfehlungen finden Sie HIER.

Zwischen Lob und Kritik: Reaktionen auf die Empfehlungen

Der Lebensmittelverband Deutschland e. V. reagierte schnell und mit harscher Kritik auf die beschlossenen Empfehlungen. Die Vorschläge seien realitätsfern und politisch nicht umsetzbar. „In einem Bundesland, in dem nicht einmal Schulbücher kostenlos sind, ist die Einführung eines kostenlosen Schulessens schlicht nicht finanzierbar“, heißt es etwa in seiner Pressemitteilung. Und weiter: „Ein Lebensmittelsiegel, das Gesundheit, Klima und Tierwohl in einem vereint, ist reines Wunschdenken. Komplexität auf ein Minimum zu reduzieren ist reine populistische Augenwischerei ohne jeden Erkenntnisgewinn für die Verbraucherinnen und Verbraucher“. Das Format Bürgerrat als politisches Beteiligungsverfahren, wird schließlich in einem Seitenhieb auf die aktuellen Bauernproteste kommentiert: „Das Steuergeld, das für diesen scheindemokratischen Prozess ausgegeben wurde, hätte man besser den Landwirten zur Verfügung gestellt“.

Lob erhält die Arbeit der Bürger*innen hingegen von der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK). Das Wissenschaftsbündnis aus medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften, Verbänden und Forschungseinrichtungen zur Prävention von u. a. Adipositas, Diabetes, Krebs und Herz-Kreislaufkrankheiten unterstützt die Empfehlungen des Bürgerrats zur Anpassung des Mehrwertsteuersystems, demnach Lebensmitteln wie Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte steuerlich entlastet sowie Zucker und Fleisch höher besteuert werden. Die Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), Barbara Bitzer, resümiert: „Die Empfehlungen des Bürgerrates sind eindeutig und zeigen, was die Menschen in unserem Land wirklich wollen“.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sieht sich unterdessen durch die Forderungen des Bürgerrates in seiner Ernährungspolitik bestätigt. Der Vorschlag, allen Kindern und Jugendlichen in Deutschland täglich eine gesunde Mahlzeit zu servieren sei Leitbild des BMEL und werde auch in der Ernährungsstrategie der Bundesregierung (diese wurde zwei Tage später im Kabinett beschlossen) eine zentrale Rolle spielen. Auch die vom Bürgerrat vorgeschlagene Verbrauchsabgabe zur Förderung des Tierwohls, sei im Sinne des BMEL und werde vom Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir bereits gefordert. So wird bilanziert: „Die Empfehlungen sind eine Unterstützung aus der Mitte der Gesellschaft für eine bürgernahe Ernährungspolitik, die auch der Landwirtschaft zu Gute kommt“.

Bis Ende Februar sollen die Empfehlungen in einem Gutachten zusammengefasst und an die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas übergeben werden. Anschließend gehen diese in die parlamentarischen Beratungen. Politisch bindend sind die Empfehlungen nicht.

Literaturhinweise

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