Demokratiedialog mit Jörg Mitzlaff

Online-Petitionen als Instrument der Bürgerbeteiligung

Beim dritten Demokratie-Dialog der Ländergruppe Berlin/Brandenburg diskutierten die Anwesenden mit Jörg Mitzlaff und Rita Schuhmacher von openPetition über das Für und Wider von Online-Petitionen als Beteiligungsinstrument.

Welche Bedeutung und Rolle kommt dem Petitionswesen als politischem Teilhabeinstrument in Zeiten wachsenden Populismus zu? In ihrem dritten Demokratiedialog diskutierte die Ländergruppe Berlin/Brandenburg der Allianz Vielfältige Demokratie dazu mit Jörg Mitzlaff und Rita Schuhmacher. Im Mittelpunkt standen dabei die Ziele und Arbeitsweisen der gemeinnützigen Petitionsplattform.

Menschen eine Stimme geben

Mittels etlicher Beispiele verdeutlichten Jörg Mitzlaff und Rita Schumacher die Grundhaltung und Ziele von openPetition. Die Organisation versteht sich als Akteur, der einen Beitrag zur Stärkung der digitalen Demokratie und Bürgerbeteiligung leisten will. Bürgerinnen und Bürger fühlten sich „häufig nicht abgeholt“. Die Online-Plattform soll ihnen eine Möglichkeit bieten, in der Öffentlichkeit und insbesondere bei politischen Entscheidungstragenden Gehör zu finden. Es solle nicht das Gefühl vorherrschen, Politik würde undurchsichtig unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden und Entscheidungen hinter verschlossenen Türen getroffen werden, betonte Schuhmacher. Stattdessen solle sie von der Kommunalebene bis in das supranationale Gebilde der EU niederschwellig, partizipativ und transparent erfolgen. Daher bestehe ein wesentlicher Teil der alltäglichen Arbeit in der Unterstützung von Petentinnen und Petenten bei der Umsetzung und Ausgestaltung ihres Anliegens. Für viele Menschen sei die Formulierung und Vertretung eines politischen Anliegens, die damit verbundene Kommunikation und der politische Dialog gänzlich Neuland, so Schuhmacher.

Die Praxiserfahrungen zeigen zudem, dass Petitionen von Menschen nicht als „letzte Lösung“ angesehen werden, wie es bisweilen vermutet wird. Vielmehr sei es vor allem die Niederschwelligkeit von Online-Petitionen, die das Instrument für breite Teile der Gesellschaft zu einem interessanten Beteiligungstool mache, so openPetition-Geschäftsführer Mitzlaff. Impulse für die Beschreitung des direktdemokratischen Weges von der Volksinitiative bis hin zum Bürgerentscheid stellen daher aus seiner Sicht häufig Reaktionen auf eine unzureichende politische Beachtung der Petitionsanliegen dar.

Zudem bestünde in Teilen der Gesellschaft ein ausgeprägtes Misstrauen gegenüber staatlichen Strukturen. Diese würden allein deswegen auf die Nutzung von Beschwerdeeinrichtungen wie dem Petitionsausschuss des Bundestages verzichten, um keine sensiblen Daten preiszugeben. Ein in der Zivilgesellschaft verorteter Akteur könne hier als Mittler wirken. openPetition sehe sich daher auch nicht als Konkurrent von Petitionsausschüssen, sondern wolle diese bzw. die demokratischen Institutionen insgesamt stärken.

Umgang mit Populisten

Intensiv diskutierten die Teilnehmenden die Frage, wie mit Petitionen rechtspopulistischer Akteure umgegangen werden solle. Die politisch neutrale Petitionsplattform beruft sich in diesem Fall auf Ihre Nutzungsbedingungen und unterzieht jede eingegangene Petition einer Einzelfallbewertung. Dabei gehe es ausschließlich um die inhaltliche Dimension. Der Ausschluss eines Anliegens aufgrund einer bloßen Zugehörigkeit eines Petenten zu einer bestimmten Partei erfolge nicht. Zentrales Kriterium bei der inhaltlichen Bewertung sei die Frage, ob das Anliegen gegen die freiheitliche Grundordnung verstoße. Die Nutzungsbedingungen von openPetition umfassen unter anderem ein Verbot von pauschalisierenden Aussagen, Diskriminierung, Verstöße gegen den Datenschutz und Werbung. openPetition behält sich auch vor, Petitionen wegen mangelnder Qualität, z. B. wegen fehlender Quellenangaben und Verweise, mit einem Banner zu versehen. Mit Blick auf die in der Diskussion thematisierte „Alternative für Deutschland“ sei außerdem zu bedenken, dass es sich um eine vielfach gewählte Partei handele, die nach geltendem Recht innerhalb der Verfassung steht, so Mitzlaff.

Überhaupt sei es nicht zuträglich, sich einem Dialog mit Rechtspopulisten zu entziehen, betonte er. Dies würde nur der Bildung von gesellschaftlichen Blasen und der Stärkung einer „Opferrolle“ Vorschub leisten. Er vertraue stattdessen auf die Selbstheilungskräfte der Demokratie. Indem openPetition auch Akteuren aus dem rechtspopulistischen Milieu im Rahmen der rechtlichen Grenzen die Kommunikation Ihrer Anliegen erlaube, würde die Organisation daher auch nicht dazu beitragen, deren Überzeugungen salonfähig zu machen. Vielmehr werde umgekehrt eine demokratisierende Wirkung ausgeübt. Denn diese Petenten müssten sich einerseits den geltenden Nutzungsbedingungen beugen und andererseits in den Dialog mit anderen Nutzern begeben. Auf diese Weise können sie nicht in ihrer abgeschotteten Interessengemeinschaft verbleiben.

Fazit

Insgesamt zeigte der diskussionsreiche Abend, dass auf dem Weg zu einer gelebten politischen Beteiligungs- und demokratischen Streitkultur noch ein weiter Weg vor uns liegt. Ungeachtet der Frage, ob es sich dabei um deliberative Instrumente, direktdemokratische Entscheidungsverfahren oder Beschwerdeinstanzen handelt, ist dazu zunächst ein vielschichtiger Lernprozess bei allen beteiligten Akteuren notwendig. Eingeordnet in einen größeren Kontext stellen Petitionen sicherlich nur ein spezifisches Teilhabeinstrument dar und sind kein Allheilmittel für die Revitalisierung der Demokratie. Sie können allerdings – in einem emanzipatorischen Verständnis – über das erlebte Gefühl der Selbstwirksamkeit dazu beitragen, die politische Aktivierung von Menschen zu fördern und Bürgeranliegen auf die politische Agenda zu setzen.

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