Demokratie-Dialog mit Hans Hagedorn

Qualitätsmanagement in der Bürgerbeteiligung

Beim zweiten Demokratie-Dialog der Ländergruppe Berlin/Brandenburg diskutierten die Anwesenden mit ihrem geladenen Gast Hans Hagedorn das Thema „Evaluation von Beteiligung“.

Demokratie-Dialog mit Hans Hagedorn

In ihrem zweiten Demokratie-Dialog am 8. April 2019 befasste sich die Ländergruppe Berlin/Brandenburg der Allianz Vielfältige Demokratie mit dem Thema „Gute Beteiligung evaluieren, Vorstellung der unterschiedlichen Methoden und Projekte“. Zu Gast war der Beteiligungsexperte und Leiter der AG Evaluation des bipar Hans Hagedorn, der u. a. den Qualitätsmanagementansatz des Berlin Instituts für Partizipation vorstellte.

Partizipation in der Hauptstadt – Die Stiftung Zukunft Berlin

Stefan Richter von der gastgebenden Stiftung Zukunft Berlin eröffnete den Abend. Er stellte die Arbeitsweise der Stiftung vor und gab einen Überblick über laufende Projekte. Die gemeinnützige Stiftung sei ein unabhängiges Forum für bürgerschaftliche Mitverantwortung. In ihr engagieren sich mehr als 500 Berliner Bürger und diverse Initiativen. Sie werden durch ein Team der Geschäftsstelle organisatorisch unterstützt. Auf diese Weise bringe die Stiftung Bürger mit politischen Entscheidern zusammen, biete Veranstaltungen zum Meinungsaustausch und sei Plattform für die Artikulation politischer Positionen, so Richter. Er führte aus, dass die Projekttätigkeiten vielfältig sind: Sie umfassen u. a. Aktivitäten zur Stadtplanung und urbanen Begrünung, die Arbeit mit und Integration von Geflüchteten oder Initiativen zur Kulturförderung. Bürgerschaftliche Mitverantwortung sei für ihn wichtig, da so die vielfach vorhandene Kompetenz eingebunden werden könne. Zudem habe er die Erfahrung gemacht, dass Bürger aktive Handlungsmöglichkeiten wünschen und sich als Teil der Lösung und nicht des Problems begreifen. 

Qualitätsmanagement in der Bürgerbeteiligung

Hans Hagedorn diagnostizierte in seinem Vortrag, dass alle Beteiligten zufriedener sind, wenn wichtige politische und stadtplanerische Entscheidungen im Dialog gereift seien, hohe Qualität besitzen und breit akzeptiert werden. Fraglich sei jedoch, wie „erfolgreiche“ oder „gelungene“ Bürgerbeteiligung realisiert werden könne. Zur Beantwortung dieser Frage gebe es eine Reihe unterschiedlicher Ansätze: Bei herkömmlichen Evaluationsverfahren erfolge in der Regel lediglich eine Auswertung von einzelnen Veranstaltungen oder Projekten. Dabei stehe die subjektive Wahrnehmung der Beteiligten oft im Vordergrund. Zudem seien langfristige Wirkungsanalysen selten und wegen der ex post Betrachtung kämen die Ergebnisse zu spät. Daher seien wissenschaftliche Evaluationsansätze hilfreich, aber als ausschließliches Instrument nicht effektiv genug.

Ähnliches gelte für die zweite Möglichkeit einer Normierung von Verfahren. Standardisierte, technische Regelwerke seien sicherlich ein hilfreiches Instrument, so der Beteiligungsfachmann. Insbesondere trügen sie bei den Initiatoren von Beteiligungsverfahren dazu bei, das Partizipationsverständnis zu schärfen. Allerdings habe auch diese Methode Nachteile: Die Umsetzung von Beteiligungsverfahren dürfe nicht nur blind anhand von Projektmeilensteinen erfolgen, sondern müsse sich immer wieder auf die Interventionen von außen einstellen. Gesetzte Normen und Standardisierung seien infolge ihrer Starrheit dazu nur unzureichend imstande.

Ein dritte Möglichkeit sei die Entwicklung und Nutzung von Leitlinien. Der Vorteil dieses gegenwärtig vielfach genutzten Instruments sei ein gemeinsamer Lern- und Selbstverpflichtungsprozess aller Beteiligten. Dies setze natürlich voraus, dass die kommunalen Leitlinien fallweise entwickelt und nicht von anderen Kommunen oder Städten „abgeschrieben“ werden würden. Allerdings sei auch dieses Verfahren alleine für den eingangs formulierten Anspruch erfolgreicher Bürgerbeteiligung nicht hinreichend, denn institutioneller Kulturwandel bedinge ein Zusammenspiel bei der Entwicklung von Strukturen, Zuständigkeiten und Prozessen. Leitlinien seien daher ein hilfreiches, aber kein ausreichendes Instrument.

Qualitätsmanagement als Lösung

Eine Möglichkeit zur Lösung des Problems sieht der Beteiligungsexperte in der Schaffung eines Qualitätsmanagements (QMS), wie es gegenwärtig vom Berlin Institut für Partizipation entwickelt wird. Zentrales Merkmal dieses Ansatzes sei eine ganzheitliche Betrachtung jeder Institution/Kommune bzgl. dem Stand und der Entwicklung ihrer Beteiligungskultur. Dies umfasse u. a. die Analyse der Informationsprozesse, der Ressourcenkapazitäten, der Ergebnisverwendung und der Bereitschaft zu proaktiver Beteiligung. Hans Hagedorn verwies zur Verdeutlichung des geplanten Vorgehens auf die weite Verbreitung von Qualitätsmanagementsystemen in der Wirtschaft. Dort würden sie genutzt, um gleichermaßen die System-, Prozess- und Produktqualität regelmäßig zu überprüfen und zu verbessern.

Das seit 2017 in Konzeption befindliche Qualitätsmanagement für Beteiligung des bipar soll eine möglichst hohe Praxisrelevanz aufweisen. Das Ziel ist es über Zertifizierungen und Vergleichbarkeit, Anreize zur Verbesserung der partizipativen Strukturen in Kommunen und Institutionen beliebiger Größe zu schaffen.

In methodischer Hinsicht wird dazu ein universelles Kriterien- und Leitfragenset entwickelt. Bei der Bewertung der jeweiligen Institution sollen integrativ drei Perspektiven betrachtet werden, um zu einer Einschätzung zu gelangen:

  • Institution
    Wie handlungsfähig und offen ist die Institution, um mit ihren Strukturen, Abläufen und Ressourcen Partizipation zu ermöglichen?
  • Prozess
    Wie effektiv sind die Prozesse für Partizipationsprojekte, um ein Optimum aller betroffenen Interessen zu berücksichtigen?
  • Relevanz
    Wie hoch ist die Relevanz der Partizipationsergebnisse, um sich gegenüber anderen Einflüssen durchzusetzen?

Der Zertifizierungsprozess solle laut Hans Hagedorn anhand von ein- bis zweitägigen Audits stattfinden. In diesem Rahmen könne über die Anwendung der Indikatoren und die Durchführung von Interviews eine Gesamtbewertung der Kommune/Institution erstellt werden. Erste Praxiserfahrungen sollen noch 2019 in ausgewählten Pilotkommunen gewonnen werden.

Diskussion und Fazit

In der anschließenden regen Diskussion diskutierten die Teilnehmenden u. a., wie die Qualität des Zertifizierungsprozesses gesichert werden kann, ob ein gut aufgesetzter Evaluierungsprozess auch zwangsläufig zu guten Beteiligungsprozeduren führt und wie groß der Aufwand für die zu zertifizierenden Organisationen in der Empirie sein wird. Zudem wird die Praxis zeigen müssen, inwieweit Kommunen bereit sind sich an einem Verfahren zu beteiligen, in dem am Ende ein transparentes, vergleichendes Ranking steht. 

Ob sich aus guten Beteiligungsprozessen auch gute Beteiligung ableiten lässt, bleibt aber offen. Eine Zertifizierung wird aber Transparenz herstellen und einen Nährboden guter Beteiligung bieten. Der Prozess wird sich demnach eher an einer Prüfung eines Hygieneamts als an der Idee eines Michelin-Sterns orientieren. Es werden keine „Feinschmeckerpreise“ vergeben, sondern Mindest-Standards für Beteiligung gesetzt.

Der dritte Demokratiedialog der Regionalgruppe Berlin/Brandenburg wird am 3. Juni 2019 stattfinden. An diesem Abend wird das Thema „Rechtspopulisten, Beteiligung und direkte Demokratie“ diskutiert werden. 

Literaturhinweise

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Jürgen Habermas

Theorie des Kommunikativen Handelns Buch

Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1981.

BibTeX

Sherry Arnstein

A Ladder of Citizen Partizipation Artikel

In: Journal of the American Planning Association, Bd. 35, Nr. 4, S. 216-224, 1969.

Abstract | BibTeX

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Die Konfliktlösungskonferenz ist ein Beteiligungsformat, bei dem in einem mehrgliedrigen Verfahren heterogene Standpunkte unterschiedlicher Interessengruppen transparent werden. Im Dialog werden Lösungsräume identifiziert und im Ergebnis entsteht ein Gutachten mit Handlungsempfehlungen für politische Entscheidungsträger.

Deliberative Mapping
Beim Deliberativen Mapping entwickeln Fachleute und Bürger gemeinsam in einem konsultativen Verfahren priorisierte Handlungsalternativen zur Bearbeitung eines Konfliktthemas.

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