Aufsuchende Beteiligung

Formate der aufsuchenden Beteiligung tragen interessante Namen wie „Kochlöffeldialog“ oder „Frühstücksbus“. Was es damit auf sich hat, erklärt dieser Beitrag.

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Eine Möglichkeit, um die Beteiligungsbasis in selbstselektiven Partizipationsverfahren zu verbreiten, ist die Einbindung von Formaten der aufsuchenden Beteiligung im Verfahren. Damit ist das „direkte Zugehen auf Menschen in ihrer alltäglichen Umgebung also z. B. beim Einkaufen oder auf Dorffesten [gemeint]“, wie Dr. Frank Friesecke, Lehrbeauftragter für Wirtschaft und Umwelt an der Hochschule Nürtingen-Geislingen, ausführt (vgl. Friesecke 2017: 130). Wie dies gelingen kann, zeigen folgende drei Praxisbeispiele.

Beispiele der aufsuchenden Beteiligung

Im Sommer 2015 fand im Rahmen des Projekts „Entwicklungs- und Pflegeplan Tempelhofer Feld (EPP)“ eine Öffentlichkeitsbeteiligung statt. Zur Debatte stand die Frage, wie die Fläche des ehemaligen Flughafengeländes in Berlin zukünftig genutzt werden solle. Dazu wurden direkt auf dem Tempelhofer Feld insgesamt 500 Interviews mit Bürgern geführt, die ihre Wünsche und Vorstellungen für die Nutzung des Areals einbringen konnten, das viele Berliner in der Freizeit für Sport und Erholungsaktivitäten nutzen. Des Weiteren wurden Incentives genutzt: So wurden bspw. an Informationsständen Spielzeuge an Familien verteilt und ein mobiler Teepavillon als Anlaufpunkt aufgebaut, um einen indirekten Informationszugang zu schaffen. Zudem waren die Fragebögen mit vielen Icons ausgestattet, um eine Beteiligung von Personen mit geringen Deutschkenntnissen zu ermöglichen und Niederschwelligkeit zu erreichen.

Beim Kochlöffeldialog im baden-württembergischen Ludwigsburg lädt die Kommune Neckarweihingen zu Kochkursen ein. Denn „eine gemeinsame Mahlzeit ist eine optimale Grundlage für einen offenen Austausch und Dialog“, meint der Stadtteilbeauftragte Tobias Schwärze. Er hat die Aktion ins Leben gerufen. Beim gemeinsamen Essen können die Teilnehmenden bei angenehmer Atmosphäre ins Gespräch kommen und sich über ein festgelegtes Thema austauschen. Besonders Gruppen, welche selten an Partizipationsverfahren teilnehmen, sollen durch dieses Dialogformat an den Zukunftsgesprächen der Stadt beteiligt werden. Dabei ist der Stadt wichtig, eine heterogene Gruppe abzubilden und ein breites Spektrum an Meinungen von Personen mit unterschiedlichen soziostrukturellen Hintergründen zu erhalten. Aus diesem Grund werden acht Personen per Zufallslosung zu den Kochabenden eingeladen. Auch bei dem Projekt Salz & Suppe der Stadt Stuttgart wurde ein Raum für milieuübergreifende Dialoge beim Kochen geschaffen. Acht Kochgruppen trafen sich an mehreren Abenden im Juni 2016, um gemeinsam zu essen und über ein selbstgewähltes Thema zu diskutieren. Unterstützt wurde jede Gruppe durch einen Moderator, der nach einem Stadtspaziergang und dem Abendessen die Gesprächsrunde anleitete sowie Ergebnisse sammelte. Am Ende stand eine Abschlussveranstaltung bei der jede Gruppe ihre ausgearbeiteten Ideen und Projektvorschläge vorstellte.

Ein letztes Beispiel wird regelmäßig in der Stadt Friedrichshafen umgesetzt. Bei der Initiative Frühlingserwachen fährt ein „Frühstücksbus“ acht städtische Orte in Friedrichshafen an und lädt dort Passanten auf Kaffee und Kuchen ein. Ziel dieses Projektes ist es, die Dialog- und Kontaktbereitschaft der Bürger zu stärken und Räume der Begegnung zu schaffen. „Die Gespräche sollen auf Augenhöhe ablaufen. Egal, ob man einen Wohnungslosen vor sich hat oder einen Banker “, sagt Lena Reiner, die bereits zum dritten Mal an der Umsetzung mitwirkte. Die Idee wurde bereits in vielen weiteren Städten aufgegriffen und so wird bspw. auch in den Städten Berlin, Darmstadt und Luzern versucht, einen „Frühstücksbus“ ins Leben zurufen.

Mit einfachen Methoden viel erreichen

Diese Exempel zeigen, dass es mit relativ einfachen und kostenarmen Methoden möglich ist, den (politischen) Dialog zwischen Menschen zu fördern. Allerdings setzt das die Bereitschaft der Umsetzenden voraus, sich unorthodoxer und teilweise auch zeitaufwändiger Verfahren zu bedienen, um die Kommunikation zwischen Menschen aktiv zu stimulieren.

Literaturhinweise

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Europa ganz nah: Lokale, regionale und transnationale Bürgerdialoge zur Zukunft der Europäischen Union Forschungsbericht

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Kinder und Jugendliche im Quartier - Handbuch und Beteiligungsmethoden zu Aspekten der urbanen Sicherheit Forschungsbericht

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Politische Teilhabe von Migrantinnen*selbstorganisationen mit Fokus auf ihre Lobby- und Gremienarbeit Forschungsbericht

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Bundesrepublik 3.0 Forschungsbericht

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Mitreden: So gelingt kommunale Bürgerbeteiligung - ein Ratgeber aus der Praxis Buch

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Politische Online- und Offline-Partizipation junger Menschen Sammelband

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Jugendlandtage in den Bundesländern – Zwischen Dialog, Beteiligung, politischer Bildung und Nachwuchsförderung Forschungsbericht

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The crisis of democracy and the science of deliberation Artikel

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Methodenhinweise

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Beim Deliberativen Mapping entwickeln Fachleute und Bürger gemeinsam in einem konsultativen Verfahren priorisierte Handlungsalternativen zur Bearbeitung eines Konfliktthemas.

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