Umbau des Alexanderplatzes: Gespielte Beteiligung?

Quelle: Internetpräsenz: MeinAlex.de, eigene Aufnahme

#meinAlex: Nur ein Spiel?

Das kürzlich erschienene Onlinespiel #meinAlex erlaubt es den Spielern, den Alexanderplatz in Berlins Mitte völlig neu nach eigenen Vorstellungen zu gestalten: eine Mietskaserne neben dem Neptunbrunnen, ein Rummelplatz hinter dem roten Rathaus oder doch lieber ein Komplettabriss der gesamten Bebauung? Wer will, kann neben den Fernsehturm auch noch einen zweiten setzen, denn: In diesem Planspiel ist alles möglich.

In einem „Voting“ kann nach Fertigstellung online über die einzelnen Entwürfe abgestimmt werden. Persönliche Favoriten oder eigene Entwürfe können zusätzlich über Facebook oder Twitter geteilt werden. Informationen über Sinn und Zweck des Ganzen sucht man auf der Seite #meinAlex.de jedoch vergeblich. Ist der digitale Umbau des Alexanderplatzes wirklich nur ein Spiel?

Stadtplanung in Berlins Mitte

Über eine Neugestaltung des Gebiets rund um den Fernsehturm wird derzeit tatsächlich debattiert. Bereits in den 90er Jahren wurde im Rahmen eines städtebaulichen Wettbewerbs ein Masterplan für die Neubebauung des Alexanderplatzes beschlossen. Der vorgesehene Plan einer dichten Hochhausbebauung der Architekten Hanns Kolhoff und Helga Timmermann wurde bisher nicht realisiert, denn den radikalen Entwurf eines „Manhattans an der Spree“ wollte niemand so recht haben. Wir berichteten über den Start der Beteiligung.

Den radikalen Entwurf eines „Manhattans an der Spree“ wollte niemand so recht haben.

Nach 20 Jahren Stillstand soll der Masterplan nun überarbeitet werden, wobei die Orientierung am Bestand und die Berücksichtigung aktueller Entwicklungen im Vordergrund stehen. Um auch die Berliner an dieser Aufgabe zu beteiligen, beschloss das Abgeordnetenhaus im Mai 2014 die Planung im Rahmen eines „kooperativen und beteiligungsorientierten Workshopverfahrens“ zu überprüfen.

Vor zwei Monaten wurden in einem ersten Bürgerworkshop bereits alternative Entwürfe zur Modifikation des Masterplans erarbeitet und zentrale Themen wie Städtebau, öffentlicher Raum, Verkehr und Nutzungen diskutiert. In einem zweiten Workshop, der in Kürze am 9. November stattfindet, soll es laut Stadtverwaltung darum gehen, Lösungsansätze für diese Themen zu erarbeiten, um anschließend „eine Empfehlung für das Abgeordnetenhaus zu formulieren“.

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Gespielte Beteiligung

Angeblich sollen auch die am besten bewerteten Entwürfe aus dem Onlinespiel #meinAlex in die aktuelle Debatte um die Neugestaltung des Gebiets einfließen. Es erscheint jedoch äußerst fraglich, inwieweit die Empfehlungen und Anregungen der Berliner tatsächlich Gehör finden.

„Die Diskussion kann nicht ergebnisoffen sein, weil das Abgeordnetenhaus vor vielen Jahren einen Bebauungsplan beschlossen hat.“

Anlässlich des ersten Bürgerworkshops hatte Architekt Hanns Kollhoff zwar eine überarbeitete Fassung seines Masterplans vorgestellt. Dieser sieht den Alexanderplatz jedoch weiterhin als Standort für Hochhäuser vor, was bei den am Workshop beteiligten Bürgern auf große Kritik stieß. Dennoch hält das Berliner Abgeordnetenhaus an den Plänen fest, wie Senatsbaudirektorin Regula Lüscher erklärte:

„Die Diskussion kann nicht ergebnisoffen sein, weil das Abgeordnetenhaus vor vielen Jahren einen Bebauungsplan beschlossen hat. Es ist damit eindeutig ein Hochhausstandort und es besteht Baurecht für die Grundeigentümer.“

Angesichts dieser Haltung ist unklar, warum das Workshopverfahren überhaupt eröffnet und Bürger darin um ihre Mitbestimmung gebeten wurden. Der Gedanke liegt nahe, dass das gesamte Verfahren eigentlich darauf abzielt, die Öffentlichkeit zu beschwichtigen. Aufgrund des effektiv geringen Beteiligungsspielraums hätte man den Berlinern dieses Theater ebensogut ersparen können.

Letztlich ist damit auch klar geworden, was das Onlinespiel #meinAlex ist: Nicht mehr und nicht weniger als ein Spiel.

Literaturhinweise

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Grundlagen und Standards der Gemeinwesenarbeit: Ein Reader zu Entwicklungslinien und Perspektiven Buch

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