„Führt euch auf!“
Wie kulturelle Beteiligungsprojekte Bürger*innen eine Stimme schenken
Partizipation und Kunst
Partizipation in Kunst und Kultur bedeutet, dass Menschen befähigt werden, am kulturellen Leben teilzunehmen und dieses mitzugestalten. Die Idee dahinter: jede*r Einzelne sollte die Möglichkeit haben, Einfluss auf das kulturelle Leben und dessen Entwicklung zu nehmen. Dieser Ansatz basiert auf dem Grundrecht jedes Menschen kulturell mitwirken zu können (Mandel, 2022). Partizipative Kunst entsteht durch den aktiven Austausch zwischen den Beteiligten. In diesem Prozess wird die Urheberschaft des Kunstgeschehens zwischen den Künstler*innen und Besucher*innen geteilt, was zu einer Verschiebung bestehender Machtverhältnisse führt (Rosengarth et al., 2019). Partizipative Kunst macht gesellschaftliche Herausforderungen sichtbar und hilft den Beteiligten dabei, ein Bewusstsein für ihre Komplexität zu entwickeln.
Die Bürgerbühne Dresden
Diesem Gedanken folgt die Bürgerbühne Dresden seit der Spielzeit 2009/10. Sie bietet Bürger*innen aus Dresden und der umliegenden Region die Möglichkeit, sich auf der Bühne zu präsentieren. Jährlich werden fünf Stücke fest ins Spielprogramm aufgenommen. Darunter die Max Frisch Inszenierung „Morgenland”, die rassistische Tendenzen gegenüber People of Colour kontert. Neben den Hauptproduktionen gibt es zahlreiche wöchentliche Spielclubs für alle Altersgruppen, die mit verschiedenen Themen und Formaten arbeiten, wie dem „Club der anders begabten Bürger” (Dresdner mit geistiger Behinderung). Hierbei werden die Bürger*innen auch in die Produktion der Stücke miteinbezogen. Durch den Einbezug unterschiedlicher Perspektiven wird die Vielfalt des Theaters gefördert. Zudem wird der Raum für experimentelles Schaffen geöffnet.
Die Bürgerbühne wird von einem festen Team aus Regie, Dramaturgie und Produktion geleitet und durch zwei Theaterpädagog*innen ergänzt. Der Intendant Wilfried Schulz geht mit diesen Vorstellungen so um, wie bei „jeder anderen Inszenierung auch“ (Kurzenberger & Tscholl, 2014). Jedes Jahr beteiligen sich rund 1.500 Einwohner aus Dresden und Umgebung an den Produktionen der Bürgerbühne. Diese Aufführungen werden von ca. 18.000 Zuschauer*innen besucht.
Ausblick
Das Konzept wird mittlerweile auch von anderen Städten angewendet: So gibt es zum Beispiel auch in Mannheim eine Bürgerbühne und ein daraus entstandenes Bürgerbühnenfestival. Eine Herausforderung bleibt die diverse Repräsentation des Publikums auf der Bühne. Hierfür müssen strukturelle Barrieren überwunden werden, was ökonomische, personelle, zeitliche und kulturelle Ressourcen erfordert.
Dass sich die Investitionen lohnen, zeigt sich im lebendigen Interesse und der Notwendigkeit partizipativer Kulturprojekte, die kulturelle Vielfalt fördern. Diese Projekte dienen als Ausdruck demokratischer Teilhabe, indem sie Bürger*innen eine Plattform für aktive Beteiligung und Mitgestaltung bieten. Bürgerbühnenprojekte stellen also eine Möglichkeit dar, wie Theater nicht nur als Ort der Darstellung, sondern auch als Raum der Begegnung, des Austauschs und der gemeinsamen Gestaltung fungieren kann.
Literaturhinweise
2022, ISBN: 978-3-658-36753-4.
Europa ganz nah: Lokale, regionale und transnationale Bürgerdialoge zur Zukunft der Europäischen Union Forschungsbericht
Bertelsmann Stiftung Gütersloh, 2022.
Bürgerbudgets in Deutschland. Formen, Bedeutung und Potentiale zur Förderung politischer Teilhabe und bürgerschaftlichem Engagements Forschungsbericht
Berlin Institut für Partizipation 2021, ISBN: 978-3942466-48-6.
Impacts of Participatory Budgeting on Civil Society & Political Participation Forschungsbericht
2021.
Crossmediales Wissensmanagement auf kommunaler Ebene: Bürgerbeteiligung, Netzwerke, Kommunikation Buch
2021, ISBN: 978-3-658-35879-2.
2021, ISBN: 978-3-658-34040-7.
2021, ISBN: 978-3-658-33081-1.
Kinder und Jugendliche im Quartier - Handbuch und Beteiligungsmethoden zu Aspekten der urbanen Sicherheit Forschungsbericht
2021, ISBN: 978-3-88118-679-7.
Bundesrepublik 3.0 Forschungsbericht
Umweltbundesamt 2019, (Ein Beitrag zur Weiterentwicklung und Stärkung der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie durch mehr Partizipation auf Bundesebene).