Partizipation im Kindergarten

Navy Hale Keiki School via flickr.com, Lizenz: CC BY 2.0

Immer mehr Kindergärten in Deutschland bemühen sich darum, Kinder stärker in Beteiligungsprozesse zu integrieren: Es werden Mitentscheidungsrechte über die Gestaltung einzelner Räume oder bei der Ausgestaltung geplanter Aktivitäten gewährt. Bisweilen kommt es gar zur Einrichtung von Kinderparlamenten. Dieser Ansatz ist in der Tradition einer sich stetig veränderten Rolle des Kindes zu sehen. Im Laufe der 70er Jahre erkannte man, dass Kinder sich genau wie Erwachsene jeden Tag aktiv mit ihrer Umwelt auseinandersetzen und sie sich aneignen müssen. Um sie bei dieser Aufgabe zu unterstützen, kann frühzeitige Beteiligung helfen. [1]
Jedes Bundesland hat unterschiedliche Vorstellungen und Vorgaben, wie Partizipation im Kindergarten ausgelebt werden sollte. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat einen Artikel veröffentlicht, welcher sich mit den Chancen und Risiken partizipativer Teilhabe von Kindern im Kindergarten beschäftigt. [2]

Chancen

Der aktivere Einbezug der Kinder bietet eine Vielzahl von Chancen: Im abstraktesten Sinne bekommen sie früh ein Gespür für Demokratie. Zusätzlich werden Fähigkeiten im Bereich Kommunikation und Interaktion mit Gleichaltrigen gestärkt. Studien haben zusätzlich gezeigt, dass oftmals Basiskompetenzen, wie Verantwortungsbereitschaft und Empathie, schneller entwickelt werden. Bei gemeinsam getroffenen Entscheidungen, zum Beispiel über Regeln, lässt sich beobachten, dass diese von den Kindern mehr akzeptiert und befolgt werden. Die Erziehungswissenschaftlerin Evelyn Höhme-Serke forschte zu den Auswirkungen vermehrter Beteiligung und befragte dazu Kinder in Kindertagesstätten, die sich für eine starke Partizipation von Kindern einsetzen. Sie fand heraus, dass Kinder mit Hilfe partizipativer Elemente erfahren, dass ihre Gefühle und Meinungen wichtig sind, sie beachtet und geachtet werden, sie Verantwortung gegenüber anderen tragen und sich weniger alleine fühlen. [3]

Risiken

Es ist eine Gratwanderung, Kleinkinder ausreichend zu beteiligen ohne sie zu überfordern. Über die Partizipationselemente merken Kinder, dass ihre Entscheidungen Einfluss auf ihre Umwelt haben. Erzieherinnen und Erzieher tragen hier die Verantwortung dafür, die Beteiligungskonzepte gut umzusetzen und die Kinder im Partizipationsprozess zu begleiten. Denn Beteiligung heißt auch im Kindergarten nicht, dass immer alle Meinungen durchsetzbar sind. Kinder erleben zwar, dass ihre Stimme zählt, müssen aber auch mit einer Überstimmung rechnen. Damit diese Erfahrungen im Umgang mit Dissens nicht kontraproduktiv für die Entwicklung der Kinder, besonders in Bezug auf das Vertrauen zu ihren Erzieherinnen und Erziehern sind, müssen letztere hinreichend geschult sein. Neben regelmäßigen Workshopveranstaltungen für betroffene Pädagogen bietet sich zusätzlich auch die unterstützende Bereitstellung von Experten an.

Herausforderungen

Die größte Herausforderung liegt an dieser Stelle eindeutig bei den Erzieherinnen und Erziehern, die dieses Konzept initiieren und konsequent ausführen müssen. Viele von ihnen betreten hier erzieherisches Neuland und müssen sich erst in eine neue Materie einarbeiten. Aber auch bei vielen Eltern braucht es einen Sinneswandel. Sie müssen das Projekt mittragen und unterstützen; skeptische Eltern dabei zunächst oftmals erst vom Mehrwert des Konzepts überzeugt werden.

Ausblick

Das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend hat sich bereits 2001 mit den Potentialen bei der Einsetzung von partizipativen Modellen im Kindergarten auseinandergesetzt. Um die optimale Entwicklung der Kinder begleiten zu können, sollten stets die zum gegebenen Zeitpunkt besten Konzepte angewendet werden. Diesem Kriterium folgend, spricht es sich ebenfalls für die vermehrte Anwendung partizipativer Elemente im frühkindlichen Bereich aus. So werde einerseits dafür gesorgt, dass Kinder ihre Persönlichkeit und Resilienz (Widerstandsfähigkeit) weiterentwickeln können. Andererseits wird ihr Bewusstsein für Demokratie und gesellschaftliches Miteinander gestärkt. [1] Das kann natürlich nur gelingen, wenn solche Modelle auch konsequent und qualitativ hochwertig umgesetzt werden, was von allen Beteiligten eine erhöhte Anstrengung und Leistungsbereitschaft, vor allem bei der erstmaligen Einsetzung entsprechender Modelle erfordert. Dennoch kann sich der Mehraufwand lohnen, denn eine erfolgreich angewendete, vermehrt konsensorienterte Struktur kann zunächst einmal das kindliche Miteinander vereinfachen und das „Kitaklima“ verbessern.

 

[1] Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (2011): Partizipation – Ein Kinderspiel? Beteiligungsmodelle in Kindertagesstätten, Schulen, Kommunen und Verbänden.

[2] Bundeszentrale für politische Bildung (2012): Partizipation von Kindern in Kindergärten: Hintergründe, Möglichkeiten und Wirkungen.

[3] Evelyne Höhme-Serke (2005): Beteiligung von Kindern – Schlüssel zu Bildung und Demokratie.

 

Literaturhinweise

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Peter Feindt; Wolfgang Gessenharter; Markus Birzer; Helmut Fröchling (Hrsg.)

Rationalität durch Partizipation? Das mehrstufige dialogische Verfahren als Antwort auf gesellschaftliche Differenzierung. In: Konfliktregelung in der offenen Bürgergesellschaft Zeitschrift

Forum für interdisziplinäre Forschung, Bd. 17, 1996.

BibTeX

Simon Joss; John Durant

Public Participation in Science. The Role of Consensus Conference in Europe Buch

Science Museum, London, 1995.

BibTeX

Benjamin Barber

Starke Demokratie: Über die Teilhabe am Politischen Buch

Rotbuch Verlag, Berlin, 1994, ISBN: 978-3880228047.

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