Ökonomie der Aufmerksamkeit

Foto: Paul Saad via flickr.com , Lizenz:CC BY-NC-ND 2.0

Am 21.07.2015 veröffentlichte Harry Nutt in der Berliner Zeitung einen interessanten Kommentar zu Bürgerbeteiligung. Unter dem Titel “ Alles ist immer noch politisch“ erklärt er die Abkehr des Bürgers von der institutionellen Politik nicht nur mit den fortwährenden Enttäuschungen sondern damit, dass von den Staatsbürgern verlangt werde, sich vor allem als Wirtschaftsbürger zu verhalten.

Während die 68er noch forderten, alles sei politisch und der Rückzug ins Private als verpönt galt, ist heute ein wachsendes Desinteresse an repräsentativer Politik zu beobachten. Die Wahlen der Bremer Bürgerschaft mit ihrer historisch niedrigen Wahlbeteiligung sind nur ein Beispiel.

„Dabei verhalten sich die Politiker immer mehr wie rastlose Verkaufsmanager, die neue Verpackungen für ihre Ware entwerfen lassen, von deren Qualität sie selbst immer weniger überzeugt sind.“

Anschließend nennt Nutt zahlreiche Themen, zu denen sich die Bürger in Deutschland dezidiert politisch äußern. Keineswegs ist also das Interesse an Politik allgemein verloren gegangen. Es existiert vielmehr eine große Skepsis gegenüber den gewählten Vertretern und der parlamentarischen Praxis. Die von den Parteien als alternativlos dargestellten Entscheidungen führen immer häufiger zu politischen Debatten, die den Charakter nachträglicher Legitimierung annehmen. Das an einer solchen Beteiligung kein Interesse besteht ist mehr als nachvollziehbar! Laut Nutt sorgen jedoch nicht nur diese Enttäuschungen dafür, dass die Bürger der repräsentativen Politik immer skeptischer gegenüberstehen. Er sieht vor allem in der konstanten Notwendigkeit, sich als wirtschaftlicher Akteur zu verhalten die Grundlage für diese Skepsis. Nutt schreibt: „Der Konsument wird zu permanenter Wechsellaune stimuliert, und der geschickte Umgang mit Produktenttäuschung ist Basisqualifikation für das Bestehen vielfältiger Selbstbehauptungskämpfe, im Privaten wie im Berufsleben. In der allumfassenden Ökonomie der Aufmerksamkeit wird gewählt, was einem nützt, und fallengelassen, was den vorübergehenden Geschmacksurteilen in die Quere kommt.“

Diese Anmerkung ist vor allem auch hinsichtlich der Bereitschaft, sich an politischen Entscheidungen zu beteiligen interessant. Es lohnt sich, auf diese Sätze einige Gedanken zu verschwenden, wenn es darum geht, eine langfristige und intensive Beteiligung zu organisieren.

Literaturhinweise

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Legitimität durch Verfahren? Bedingungen semi-konventioneller Partizipation: eine qualitativ-empirische Studie am Beispiel von Fokusgruppen zum Thema »Lokaler Klimaschutz« Buch

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