Innovative Tools zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung
Bei nahezu jedem Infrastruktur- und Großvorhaben stehen die verantwortlichen Vorhabenträger in Deutschland vor ähnlichen Herausforderungen. Dabei ist es gleichgültig, ob es um den Ausbau von Hochspannungsleitungen zwischen Nord- und Süddeutschland oder den Bau eines Bahnhofs geht. Fast immer kommt es zu Widerständen bei Betroffenen und Anwohnern gegen das Projekt. Dies verzögert und erschwert dessen Umsetzung.Vor diesem Hintergrund wurde 2015 die DialogGesellschaft mit dem Ziel gegründet, den öffentlichen Dialog und somit die Akzeptanz von Großprojekten für den Infrastrukturausbau Deutschlands zu stärken und die Projektumsetzung zu beschleunigen. Aus der Perspektive der Vorhabenträger identifiziert der Think Tank erfolgskritische Faktoren und diskutiert Beteiligungsansätze zur Lösung von Akzeptanzproblemen.
Die DialogGesellschaft lud am 28. März 2018 zur Veranstaltung „Innovative Tools zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung“ ein. In mehreren Vorträgen erörterten die anwesenden Referenten Beispiele aus der (unternehmerischen) Praxis, wie neuartige technische Anwendungen eine erfolgreiche Öffentlichkeitsbeteiligung gewährleisten können.
Die Vorträge
Inès Levy vom französischen Technologieunternehmen Liegey Muller Pons (LMP) eröffnete die Vortragsreihe und gab mit der Vorstellung des Startup einen ersten Einblick in die Thematik. Es beschäftigt sich vor allem mit der Verknüpfung soziodemografischer Datenanalysen und der direkten Kontaktaufnahme zu bestimmten Personengruppen. Durch das persönliche Begegnen und einer Befragung dieser Personen in ihren Wohngegenden, können die Anliegen dieser Bürger gezielter erfasst werden. Die Kernaussage von Levy war dabei deutlich: Direkter Face-to-Face Kontakt ist nach wie vor eine der effektivsten Möglichkeiten Personen zu erreichen.
Ebenfalls aus Frankreich stammt Hélène Lucien. Die Gründerin von GeoKaps legte den Fokus in ihrem Vortrag auf die digitale Erreichbarkeit von Personen. Anhand eines von dem Unternehmen entwickelten Tools zur Verarbeitung von Geodaten ist es möglich, Anwohner bestimmter Wohnareale gezielt zu erreichen. Dadurch kann spezifischer auf deren Bedürfnisse bezüglich der Gestaltung der unmittelbaren Umgebung eingegangen werden. Hierbei erfolgt die Kontaktaufnahme über Kanäle der sozialen Medien. Dafür setzt das Unternehmen auf eine sprachliche Auswertung eines bestimmten Themenfeldes, um so die alltägliche Sprache der Nutzer zu identifizieren. So kann eine adressatenorientierte Ansprache der Bürger stattfinden.
Tobias Holtz – wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HafenCity Universität Hamburg – stellte das Projekt „FindingPlaces“ vor. Durch die Anwendung des interaktiven Stadtmodells „CityScopes“, welches zur Veranschaulichung städtischer Zusammenhänge dient, konnten Bürger der Stadt Hamburg freie Flächen für Geflüchtetenunterkünfte vorschlagen und diskutieren. In insgesamt 34 Workshops wurden so Flächen mit Platz für mehr als 600 Geflüchtete gefunden. Darüber hinaus ermöglichten die Workshops auch einen Einblick in die Arbeit der Verwaltung und trugen auf diese Weise zur Verbesserung der Prozesstransparenz bei.
Fazit
Insgesamt zeigte sich vortragsübergreifend, dass der Trend zu digitalen Tools für die facettenreiche Einbindung der Öffentlichkeit weiter zunimmt. Diese erlauben u. a. die Bereitstellung soziodemografischer Daten, anhand derer die gezielte Kontaktaufnahme zu bestimmten Personengruppen verbessert wird. Dabei wurde betont, dass auch zukünftig direkte Kommunikation ein unabdingbarer Erfolgsfaktor für gelingende Beteiligungsprozesse verbleiben wird.
Die vorgestellten innovativen Werkzeuge verdeutlichten, dass Big Data und technische Algorithmen in Kombination mit Partizipationsexpertise für Vorhabenträger vielversprechende Elemente sein können. Sie verbessern die Informationsgrundlage des Vorhabenträgers und können die Kontaktaufnahme zur projektrelevanten Zielgruppe frühzeitig ermöglichen, um sie in einem vierdimensionalen Beteiligungskonzept entscheidungsrelevant in Planungs- und Umsetzungsprozesse einzubeziehen.
Innovative Tools können dabei helfen, relevante Gruppen für Beteiligungsprozesse zu lokalisieren, anzusprechen und ihnen die passenden, seriösen Angebote zu machen.
Wie immer liegt es in der ethischen Verantwortung der Nutzer, ob und wie sie diese einsetzen. Denn neue Möglichkeiten bringen auch immer neue Risiken mit sich. In diesem Fall muss mit den neuen technischen Möglichkeiten auch ein starkes Bewusstsein hinsichtlich eines verantwortungsbewussten Umgangs mit den nutzbaren Daten einhergehen. Es könnte für den ein oder anderen Vorhabenträger verlockend erscheinen, solche technischen Innovationen zur Optimierung manipulativer Kommunikationsstrategien einzusetzen. Doch die Vergangenheit hat gezeigt, dass eine solche Kurzfristorientierung gerade bei Großprojekten nicht zwingend erfolgversprechend ist. Vielmehr würde ein solches Vorgehen den Projekterfolg gefährden, indem es Intransparenz sowie Misstrauen fördert und das Vertrauen zwischen den Verfahrensteilnehmern dauerhaft zerstört.
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