Jörg Sommer: Der Partizipationsbeauftragte kommt

Jörg Sommer bei einem Fachgespräch zum Konfliktmanagement im Endlagersuchverfahren | Bild: celin.design

Der Deutsche Bundestag hat kürzlich das auf Grundlage des Berichtes der Endlagerkommission überarbeitete Standortauswahlgesetz (StandAG) beschlossen. Damit kann nach mehreren vergeblichen Anläufen und einer langen Vorbereitung die Suche nach einem atomaren Endlager auf deutschem Boden beginnen.

Die Suche soll im Rahmen eines partizipativen Verfahrens stattfinden, welches in Dauer, Umfang und Auswirkung bislang beispiellos für unser Land ist. Im novellierten StandAG sind umfangreiche Instrumente, Prozesse und Organe definiert worden. Eine neue, noch weitgehend unbekannte Funktion ist die eines „Partizipationsbeauftragten“.

Entstanden ist der Vorschlag, der letztlich auch seinen Weg ins Gesetz gefunden hat, im Rahmen einer der heikelsten Arbeitsgruppen der Endlagerkommission: Eine von Gerd Jäger (RWE) und Jörg Sommer (Deutsche Umweltstiftung) geleitete Ad-Hoc Arbeitsgruppe sollte Empfehlungen für den Umgang mit Konflikten im Endlagersuchverfahren erarbeiten.

Möglicherweise lag es an dieser an sich schon konfliktträchtigen Besetzung, vielleicht auch daran, dass die Kommission selbst lernen musste, mit zahlreichen Konflikten konstruktiv umzugehen: Die Empfehlungen dieser Arbeitsgruppe waren nicht nur die Einzigen, die frühzeitig und intensiv in zwei Beteiligungsrunden mit der Öffentlichkeit diskutiert und entsprechend geschärft werden konnten, sondern sie fanden am Ende auch den breitesten Konsens in der Kommission.

Kein Wunder also, dass es der Partizipationsbeauftragte am Ende auch in das StandAG geschafft hat. Doch welche Rolle soll und kann der Partizipationsbeauftragte am Ende im Verfahren besetzen? Wir baten Jörg Sommer, der die notwendige Rolle eines unabhängigen Konfliktmanagers in der Kommission erstmals einbrachte, darum, für den BBLOG seine Erwartungen an diese Rolle zu formulieren.


Der Partizipationsbeauftragte im Endlagersuchverfahren

Dass die Suche nach einem Endlagerstandort in unserem Land nicht konfliktfrei ablaufen wird, ist allen Beteiligten klar. Vermutlich wird es keine Region in Deutschland geben, die ein solches Endlager bei sich sehen möchte. Wie geht man also mit Konflikten in einem solchen Suchverfahren um?

Hier hat die Endlagerkommission einen bemerkenswerten Ansatz gewählt: Sie schlägt vor, Konflikte nicht etwa als ungeliebte Störung der Suche, sondern „als Treiber des Verfahrens“ zu begreifen. Sie hat diesem Thema ein eigenes Kapitel gleich zu Beginn ihres Berichtes gewidmet, in dem es heißt: „Gefordert ist nicht nur die Anerkennung der Rolle der Beteiligten im Konflikt. Eine diskursiv-konsensuale Konfliktlösung erfordert auch eine Reflexion der unterschiedlichen Interessen und Ziele“ (Kommissionsbericht 2016: 25). Sie hat dazu umfangreiche Instrumente vorgeschlagen, um Konflikte im Verfahren fair, transparent und konstruktiv zu bearbeiten. All diese Instrumente wurden zwischenzeitlich bei der Novellierung des StandAG realisiert.

Die Kommission und der deutsche Bundestag haben sehr wohl erkannt, dass der Konflikt zwischen dem Gemeinwohlinteresse der zügigen Einrichtung eines Endlagers und den Befürchtungen unmittelbar Betroffener nur in umfangreichen, langwierigen und durchaus schmerzhaften Partizipationsprozessen zu einem akzeptablen Ergebnis führen kann. Das bedeutet: Jede Stimme muss gehört, jeder Konflikt ernsthaft bearbeitet werden. Dies betrifft Anwohner in potenziellen Endlagerregionen ebenso wie Menschen im Umkreis gegenwärtiger Zwischenlager. „Ihre Erfahrungen sind wertvoll für das partizipative Suchverfahren, das gut beraten ist, den Dialog mit diesen Betroffenen im partizipativen Suchverfahren offen und wertschätzend weiter zu pflegen (Kommissionsbericht 2016: 123f.).

Denn an den Bürgern vorbei ist letztlich kein Endlager in Deutschland durchsetzbar. Vielmehr braucht es umfassende Partizipation und ein Verständnis von „Bürgerinnen und Bürgern als emanzipierter Mitgestalter des Verfahrens“ (Kommissionsbericht 2016: 39).

Das von der Endlagerkommission vorgeschlagene und im aktuellen StandAG definierte Beteiligungssystem beinhaltet deshalb einige ungewöhnliche Elemente:

  • Als „Gemeinwohlgarant“ wirkt (das bereits geschaffene) Nationale Begleitgremium (NBG), dem neben unabhängigen Persönlichkeiten auch Zufallsbürger angehören. Für die junge Generation sind eigene Vertreter vorgesehen. Das Gremium überwacht das Verfahren.
  • Als „Beteiligungsgarant“ wurde ebenfalls erstmals auf Bundesebene die Funktion eines Partizipationsbeauftragten geschaffen. Er soll unabhängig von Regierung und Parlament sicherstellen, dass Konflikte fair bearbeitet werden und kann im „Sinne eines deeskalierenden Konfliktmanagements […] Mediations- und Streitschlichtungsmaßnahmen vorschlagen“ (Komissionsbericht 2016: 396). Als Ombudsstelle kann der Partizipationsbeauftragte auch jederzeit von betroffenen Bürgern angerufen werden.

Während das NBG seine Arbeit bereits aufgenommen hat und in Kürze personell erweitert werden soll, muss die Einrichtung des Partizipationsbeauftragten noch erfolgen. Im Gesetz selbst sind hierzu nur wenige, grundlegende Vorgaben formuliert. Deshalb sollen im Folgenden die sich aus dem Prozess ergebenden wesentlichen Anforderungen daran vorgestellt werden:

Konflikte als Treiber, nicht als Problem

Die Aufgabe des Partizipationsbeauftragten ist es, Konflikte im Standortauswahlverfahren frühzeitig zu erkennen und ihre treibende Kraft konstruktiv zu nutzen. Der Partizipationsbeauftragte ist dann erfolgreich, wenn die Konfliktbeteiligten den strittigen Sachverhalt zum Anlass nehmen, eine bessere Lösung zu entwickeln und sich dem Ziel der bestmöglichen Sicherheit weiter anzunähern.

Konflikte im Standortauswahlverfahren sind unvermeidlich. Primär ist der Grundkonflikt „Gemeinwohlinteresse versus Regionalinteresse“ in unterschiedlichen Varianten zu erwarten. Der Gesamtgesellschaft ist daran gelegen, den nuklearen Abfall risikoarm und mit einem als angemessen empfundenen ökonomischen Aufwand zu lagern. Die Teilgesellschaft, die sich durch ein konkretes Lagerungsvorhaben bedroht fühlt, ist interessiert das eigene Risiko zu vermeiden oder zumindest fair auszugleichen.

Daneben können sekundäre Konflikte entstehen, wenn Verfahrensbeteiligte unfaires Verhalten wahrnehmen. Wenn die Beteiligten sich „Verfahrenstricks“, „Blockadehaltung“, „Bereicherung“ oder „Naivität“ vorwerfen, ist das ein gutes Indiz dafür, dass sich das Konfliktspektrum auf die Ebene der Verfahrensfairness ausweitet. Die Konflikte im Bereich Fairness wirken eher destruktiv, können das Verfahren entgleisen lassen und sollten stets frühestmöglich ausgeräumt werden. Häufig sind sie jedoch „Sekundärkonflikte“, die primäre Konflikte überlagern – immer dann, wenn diese nicht in einer Art und Weise bearbeitet werden, die alle Betroffenen als gerecht, wertschätzend und transparent empfinden.

Die primären Konflikte im Bereich der Sachfragen können hochgradig konstruktiv sein, weil sie den Blick auf Risiken und mögliche Verbesserungen der Standortsuche lenken. Sie sollten daher nicht vorschnell ausgeräumt, sondern sogar gefördert werden. Wenn die Sachkonflikte von den Beteiligten anerkannt werden, kann die gemeinsame Arbeit an ihrer Lösung dazu führen, dass bisher unbeachtete Risiken genauer beschrieben und die Anforderungen an einen Standort mit der bestmöglichen Sicherheit stärker erfüllt werden. Die aktive Nutzung der Konflikte sichert so den Erfolg der Standortsuche, wenn gilt, dass „jeder im Verfahren auftretende Konflikt thematisiert und in einem transparenten Verfahren unter Einbeziehung der Beteiligten lokalisiert und in den […] Konflikthorizont eingeordnet [wird]“ (Kommissionsbericht 2016: 125).

Strukturierte Deeskalationsprozesse

Die Endlagerkommission hat ein detailliertes Konzept zum Umgang mit Konflikten im Endlagersuchverfahren erarbeitet. Die darin beschriebene und innerhalb der Kommission selbst erfolgreich praktizierte Methode der stufenweisen Deeskalation ist Leitbild für das Handeln des Partizipationsbeauftragten.

Konflikte auch als Treiber des Verfahrens anzuerkennen bedeutet, dass Konflikte nicht automatisch negativ wirken, das Verfahren gefährden oder das Klima der Konsenssuche zerstören müssen. So schreibt die Kommission in Ihrem Abschlussbericht: „Konflikte haben einen Platz im Verfahren, auch wenn sie sich einer einvernehmlichen Lösung entziehen. Selbst Konflikte, die von großer Relevanz für das Verfahren sind, können und müssen nicht in jedem Fall gelöst werden. Das Ziel eines konfliktfreien Verfahrens wäre unrealistisch und dem Verfahren auch nicht dienlich. Ziel ist also nicht eine Lösung aller Konflikte, sondern eine Vermeidung von Eskalation beziehungsweise das Erzielen der jeweils maximalen Deeskalation“  (Kommissionsbericht 2016: 126).

Die Kommission hat hierzu ein unter den Verfahrensbeteiligten möglichst einvernehmlich zu definierendes „Konfliktstufenmodell“ vorgeschlagen. Die einzelnen Stufen könnten dabei zum Beispiel wie folgt definiert werden (Kommissionsbericht 2016: 126f.):

  1. Inhaltlicher Diskurs: Es erfolgt eine inhaltliche Bearbeitung von kontroversen Themen unter der Prämisse einer gemeinsamen Suche nach Konsens.
  2. Fokusgruppen: Instrument zur moderierten Bearbeitung eines konkreten Dissenses unter Berücksichtigung aller zentralen Akteure.
  3. Mediation: Verfahren zur Konfliktbearbeitung unter Einbezug einer anerkannten Person/Institution. Der Partizipationsbeauftragte ist hier als Instanz des neutralen Konfliktmanagements in einer Schlüsselrolle.
  4. Schlichtung: Maßnahme, bei der alle Akteure ihr Einverständnis geben, die Lösungserarbeitung einer neutralen Person/Instanz zu überantworten, deren Schlichterspruch anerkannt wird.
  5. Beschlüsse durch legitimierte Gremien: Nur in Notfällen, in denen eine deeskalative Behandlung des Themas innerhalb des Verfahrens nicht mehr möglich ist, kann zur Vermeidung von Verfahrensblockaden ein Beschluss durch ein legitimiertes Gremium bei der Konfliktbearbeitung eingesetzt werden.
  6. Juristische Klärung: Lediglich angewendet als Ultima Ratio, weil damit eine partizipative Konfliktbearbeitung gänzlich aufgehoben wird.

Aufgabe des Partizipationsbeauftragten ist dabei neben einem regelmäßigen Monitoring (s.u.) und der Verortung erkennbarer Konflikte in diesem Stufenmodell die Unterbreitung von Angeboten an die jeweiligen Beteiligten mit dem Ziel der Rückführung von Konflikten auf die jeweils niedrigere Eskalationsstufe. Er stellt dazu u.a. einen Expertenpool zusammen, zu dem insbesondere auch erfahrene und anerkannte Mediatoren und Schlichter gehören, die er den jeweils Beteiligten unterstützend vorschlagen kann. Da „ein gelingendes partizipatives Suchverfahren […] entscheidend von einem offenen, transparenten, wertschätzenden und lösungsorientierten Konfliktmanagement [abhängt], das keine Konflikte ignoriert, bearbeitbare Konflikte möglichst früh lokalisiert, unnötige weitere Eskalation vermeidet und Deeskalation moderiert“ (Kommissionsbericht 2016: 128), kommt dem Partizipationsbeauftragten eine Schlüsselrolle für den gesamten Verfahrenserfolg zu.

Monitoring-Instrument „Konfliktradar“

Der Partizipationsbeauftragte beschreibt in einem „Konfliktradar“ die Verbindungen zwischen allen Akteuren des Standortauswahlverfahrens. Damit werden die vergangenen, gegenwärtigen und potenziellen zukünftigen Konflikte erkennbar. Bei Bedarf entwickelt der Partizipationsbeauftragte Vorschläge, wie die Beteiligten mit den Konflikten umgehen können.

Durch die hohe Anzahl institutioneller, staatlicher und zivilgesellschaftlicher Akteure ist eine gewisse Massenträgheit des Verfahrens zu erwarten. So wie ein schwerer Schiffstanker Hindernissen nur langsam ausweichen kann, müssen auch die Akteure im Standortauswahlverfahren darauf achten, „mögliche verfahrensrelevante Konflikte frühzeitig zu lokalisieren und eine Bearbeitung auf der niedrigst möglichen Eskalationsstufe zu ermöglichen“ (Kommissionsbericht 2016: 125). Dabei stellt insbesondere das Phänomen der „nichtlinearen Konflikteskalation“ eine besondere Herausforderung dar. Grob gesagt meint dies, dass Konflikte sich über einen längeren Zeitraum andeuten bzw. entwickeln, in dem sie wahrnehmbar sind, aber von Außenstehenden oft als wenig dramatisch aufgefasst werden, bevor sie dann plötzlich innerhalb kürzester Zeit eskalieren.

Eine konstruktive Bearbeitung dieser Konflikte ist dann oft nicht mehr bzw. nur noch unter großen Anstrengungen möglich. Deshalb kommt im Endlagersuchverfahren einer Erkennung und Bearbeitung von Konflikten möglichst in der prä- bzw. früheskelativen Phase große Bedeutung zu.

Es ist daher sinnvoll, wenn der Partizipationsbeauftragte, das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE), die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) als Vorhabenträgerin und die Vertreter der Regionalkonferenzen regelmäßig zusammenkommen, um den Stand des Verfahrens und die Projektplanung für jeweils 6-12 Monate im Voraus abzustimmen.

Aufbauend auf dieser Zeitplanung und den Informationen bilateraler Akteursgespräche kann der Partizipationsbeauftragte ein Konfliktradar erstellen, das im Stile eines Soziogramms die Konfliktlinien beschreibt und gem. dem Eskalationsstufenmodell einordnet. Diese Übersicht sollte er fortlaufend mit dem NBG erörtern und fortschreiben.

Das Konfliktradar sollte auch die Vergangenheit im Blick behalten. Verfahrensaltlasten, wie z.B. die Konflikte um Gorleben oder nicht-erfüllte Partizipationsversprechen bisheriger Akteure, sollten angemessen benannt und bearbeitet werden, sie drohen sonst als Eskalationskatalysatoren in aktuellen Konflikten zu wirken.

Partizipatives Scharnier zwischen den Beteiligten

Der Partizipationsbeauftragte arbeitet mit allen Akteuren des Standortauswahlverfahrens zusammen und berät sie bei der Ausgestaltung des Beteiligungsverfahrens. Er stärkt das Bewusstsein, dass alle Beteiligungsschritte in einem jahrzehntelangen Prozess aufeinander aufbauen und nur gemeinsam zur gesellschaftlichen Einigung führen.

In den Arbeitsbeziehungen stehen jeweils akteursspezifische Aufgaben an:

Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE)

Das BfE ist als Regulierungsbehörde und Träger der Öffentlichkeitsbeteiligung in einer konfliktanfälligen Doppelrolle. Die Aufgabenkombination ermöglicht einerseits, dass die Ergebnisse der Öffentlichkeitsbeteiligung unmittelbar und hausintern in die Verfahrensentscheidungen eingehen. Die Kombination birgt andererseits die Gefahr, dass die Ressourcen der Öffentlichkeitsbeteiligung auf die einfach lösbaren Fragen gelenkt werden, während unangenehme und latente Konflikte unbearbeitet bleiben.

Daher sollte der Partizipationsbeauftragte mit seinen Ansprechpartnern im BfE klären, dass auch die heiklen Themen angemessen adressiert werden. Kernfragen, die langfristig zum Scheitern des Auswahlverfahrens führen könnten, müssen in der Öffentlichkeit in einem als fair empfundenen Beteiligungsformat behandelt werden, bevor sie (überraschend) eskalieren und das Verfahren beschädigen können.

Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE)

Im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung werden inhaltlichen Fragen und Kritikpunkte aufkommen, die von der Regulierungsbehörde nicht umfassend beantwortet werden können. Für den Erfolg des Standortauswahlverfahrens ist es daher wichtig, dass die BGE als Vorhabenträger authentisch und ernsthaft mit diesen Impulsen umgeht und in der Öffentlichkeit als verantwortungsvolle und sich selbst hinterfragende Institution wahrgenommen wird.

Die BGE sollte den Partizipationsbeauftragten regelmäßig hinzuziehen und ihn um ein detailliertes Feedback zu den aktuellen Schritten der jeweiligen Verfahrensphase bitten. In dieser beratenden – nicht kontrollierenden – Rolle kann der Partizipationsbeauftragte Hinweise liefern, wie die Kommunikation der BGE in der Öffentlichkeit ankommt und in welcher Weise das selbsthinterfragende System noch geschärft werden kann.

Fachkonferenz Teilgebiete

Die Teilnehmer der Fachkonferenz stehen vor der Herausforderung, die Auswahl ihrer Teilgebiete fair zu erörtern, und dabei den Konflikt zwischen ihrem regionalen Eigen- und dem gesamtgesellschaftlichen Sicherheitsinteresse zu bearbeiten.

Der Partizipationsbeauftragte sollte an den Veranstaltungen der Fachkonferenz regelmäßig in beobachtender Rolle teilnehmen und das Konfliktgeschehen laufend analysieren. Das von ihm auf dieser Grundlage erstellte „Konfliktradar“ bietet dem BfE als Träger der Beteiligung wertvolle Informationen für Nachjustierungen und Thematisierungen im Prozess.

Fachkonferenz Rat der Regionen

In der Begleitung der Fachkonferenz Rat der Regionen knüpft der Partizipationsbeauftragte an seine Arbeit in der vorhergehenden Fachkonferenz Teilgebiete an. Er muss das Konfliktgeschehen analysieren und insbesondere den Regionen beratend zur Seite stehen, die sich unfair behandelt sehen. Im Rahmen seiner Möglichkeiten kann er sich in Shuttle-Diplomatie – einer Form der Mediation bei hoch eskalierten Konflikten – zwischen den Standortregionen, den Zwischenlagerregionen, dem BfE und der BGE betätigen.

Regionalkonferenzen

Das Konfliktgeschehen in den Regionalkonferenzen wird voraussichtlich komplex sein. Nach Benennung der Suchregionen steht zu erwarten, dass die Konflikte zunächst zwischen den Regionen ausgetragen werden. Mit der fortschreitenden Eingrenzung von Suchregionen werden die verbleibenden Regionalkonferenzen zunehmend interne Konflikte austragen. Voraussichtlich wird es unterschiedliche Teilnehmerfraktionen geben, deren Haltungen von totaler Ablehnung, über kritische Begleitung bis hin zur weitgehenden Toleranz des Auswahlverfahrens reichen werden.

Der Partizipationsbeauftragte wird hier regelmäßig Konfliktdeeskalationsmaßnahmen vorschlagen und mediative Unterstützung vermitteln. Er wird nur in Ausnahmefällen selbst als Schlichter wirken.

Weitere Akteure

Um die Beteiligung der breiten Öffentlichkeit zu organisieren, wird sich in jeder Region eine Arbeitsverteilung zwischen der Regionalkonferenz und den lokalen Behörden herausbilden. Der Partizipationsbeauftragte kann Erfahrungen zwischen den Regionen transportieren und die Akteure dabei beraten, eine funktionierende Beteiligungskultur in der Region aufzubauen.

Das Bundesumweltministerium sollte den Partizipationsbeauftragten beratend hinzuziehen, wenn die im StandAG festgelegten Regelungen zum Beteiligungsverfahren überprüft und ggf. novelliert werden sollen. Im Idealfall kann die Bundesregierung die Erfahrungen auch in anderen Politikfeldern zur Stärkung und Vitalisierung der Demokratie einsetzen.

Hohe Transparenz durch regelmäßigen Partizipations-Index

Aufgabe des Partizipationsbeauftragten ist nicht nur die Sicherstellung guter Beteiligung, sondern auch deren transparente Dokumentation.

Gute Beteiligung und ein konstruktiver, fairer Umgang mit Konflikten ist auch eine Erwartung der Öffentlichkeit an das Verfahren. Die Einlösung dieses Versprechens ist regelmäßig nachzuweisen. Gelingt das, trägt dies auch in erheblichem Maße zur Beteiligungsbereitschaft und zur Akzeptanz des Prozesses sowie seines Ergebnisses bei.

Der Partizipationsbeauftragte verantwortet deshalb einen jährlichen Partizipations-Index, der nach methodisch sauberen und wissenschaftlich anerkannten Kriterien ggf. unter Hinzuziehung externer Wissenschaftler dokumentiert, dass das Verfahren den Ansprüchen an gute Beteiligung genügt.

Dieser Partizipationsindex kann ggf. auch regelmäßiger Bestandteil von Berichten des NBG und/oder des BfE sein. Ein jährliches öffentliches Fachgespräch mit Beteiligungsexperten zum Partizipations-Index kann dessen Wahrnehmung und Qualität steigern.

Enge Zusammenarbeit mit dem Nationalen Begleitgremium

Der Partizipationsbeauftragte berichtet dem Nationalen Begleitgremium regelmäßig über das Konfliktgeschehen im Standortauswahlverfahren. Die Mitglieder des Gremiums und der Partizipationsbeauftragte erörtern gemeinsam ihre Möglichkeiten der Intervention. Bei der Konfliktbearbeitung nimmt der Partizipationsbeauftragte als fachlicher Konfliktmanager stets eine neutrale Rolle ein, während das Nationale Begleitgremium auch stärker inhaltliche Positionen vertreten kann.

Das Nationale Begleitgremium sollte sich in jeder Sitzung durch den Partizipationsbeauftragten berichten lassen, wie die unterschiedlichen Akteure den aktuellen Stand des Verfahrens wahrnehmen und wie sich das Gesamtbild auf dem Konfliktradar darstellt. Vor einschneidenden Ereignissen, z.B. der Bekanntgabe der Teilgebiete, kann sich die Lage schlagartig ändern und das Begleitgremium sollte sich rechtzeitig darauf vorbereiten und mit Unterstützung des Partizipationsbeauftragten unterschiedliche Szenarien durchspielen.

Begleitgremium und Partizipationsbeauftragter sollten sich anschließend abstimmen, welche Konfliktintervention möglich ist und in welcher Arbeitsteilung sie dabei vorgehen wollen. Während dem Begleitgremium aufgrund seiner Reputation und Aufgabenbeschreibung ein breites Interventionsspektrum zur Verfügung steht – von der neutralen Vermittlung bis hin zur inhaltlichen Positionierung im Interesse des Gemeinwohls – sollte der Partizipationsbeauftragte stets neutral handeln, um seine Stellung als allparteilicher Konfliktmanager zu sichern.

Unabhängigkeit als Erfolgsfaktor

Damit der Partizipationsbeauftragte seine neutrale Rolle ausüben kann, ist er fachlich weisungsunabhängig und keinem der Akteure dienstrechtlich unterstellt.

Aus der Rollenverteilung zwischen Begleitgremium und Partizipationsbeauftragtem leitet sich die formelle Anforderung ab, dass er fachlich weisungsunabhängig ist. So kann er alle Akteure bei der Konfliktanalyse und -vermittlung glaubhaft unterstützen, auch wenn das NBG eine inhaltliche Position vertritt und damit zeitweilig zur Konfliktpartei wird.

Damit der Partizipationsbeauftragte auf Augenhöhe mit der Abteilungs- bzw. Fachbereichsleitung in den Institutionen BfE, BGE und BMUB sprechen kann, sollte er dienstrechtlich auf einer gleichrangigen Stufe wie seine Ansprechpartner stehen bzw. von diesen unabhängig sein.

Als Teil der Geschäftsstelle des Nationalen Begleitgremiums sollte der Partizipationsbeauftragte einen engen Austausch im Team pflegen, um gemeinsam die Arbeit des Nationalen Begleitgremiums nahtlos unterstützen zu können.

Keine Person, sondern eine Institution

Die Funktion des Partizipationsbeauftragten ist nicht personengebunden, sondern institutionell.

Zu Beginn des Verfahrens wird mangels Existenz konkreter Suchregionen noch wenig konkrete Betroffenheit, wenig öffentliche Aufmerksamkeit und damit auch wenig Konfliktpotenzial zur erwarten sein. In dieser ersten Phase des Verfahrens ist die Besetzung der Funktion des Partizipationsbeauftragten mit einer einzigen Person und verhältnismäßig geringem Budget problemlos möglich. Erwartet werden hier neben großer Empathie für partizipative Prozesse insbesondere langjährige Erfahrung in konfliktgetriebenen Partizipationsprozessen sowie im strategischen Beteiligungsdesign.

Er hat in dieser ersten Verfahrensphase einer Reihe von Kernaufgaben:

  • Beratung und Abstimmung mit allen Beteiligten
  • methodische Entwicklung von Konfliktradar und Beteiligungsbericht
  • Vorbereitung auf die kommenden Phasen und auf die unmittelbar nach Bekanntgabe bzw. Bekanntwerden der in den Suchregionen zu erwartenden Konflikte

In der Folgezeit werden jedoch auf alle beteiligten Institutionen große partizipative Herausforderungen zukommen. Anzahl und Intensität der Konflikte werden schlagartig zunehmen, eine einzige Person wird die dann nötige Arbeit nicht mehr erfolgreich bewältigen können.

Mit Beginn der regionalen Skalierung wird die Rolle des Partizipationsbeauftragten daher einer institutionalisierten, d.h. einer Teamstruktur bedürfen. Ob dieses Team unmittelbar dienstlich am NBG angesiedelt ist oder sich der Partizipationsbeauftragte eines Portfolios erfahrener Dienstleister bedient, wird in der ersten Phase mit den beteiligten Institutionen (NBG/BfE) zu erarbeiten sein. Hierzu wird der Partizipationsbeauftragte ein überzeugendes Konzept entwickeln müssen.

Fazit: Nicht Konfliktvermeider oder Konfliktlöser – sondern Konfliktmanager

Die Aufgabe des Partizipationsbeauftragten ist es, die als Treiber des Verfahrens erkannten Konflikte so zu managen, dass sie unter Einbeziehung aller Akteure bestmöglich konstruktiv und deeskalativ bearbeitet werden. Damit trägt er ganz wesentlich zu einer dauerhaften Akzeptanz des Verfahrens und der letztlich zu treffenden Standortentscheidung bei.

Nicht ein möglichst „geräuschloser“ Prozess oder eine Minimierung der Konfliktzahl, sondern allein diese geschaffene Akzeptanz ist letztlich der Maßstab für den Erfolg seines Handelns.

Weiterführende Literatur

Der Autor

Jörg Sommer ist Vorsitzender der Deutschen Umweltstiftung und seit vielen Jahren beratend in Beteiligungsprozessen tätig. Er war u. a. Mitglied der Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ (Endlagerkommission), deren Abschlussbericht die Grundlage für die Novellierung des StandAG gebildet hat. Kontakt zum Autoren: joerg.sommer@deutscheumweltstiftung.de

Literaturhinweise

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