Cécile Marchand: Soziale Gerechtigkeit braucht Beteiligung
Aus welcher Motivation hast du an den Workshops teilgenommen?
Täglich kämpfe ich für eine nachhaltigere und gerechtere Welt. Meiner Meinung nach ist soziale Gerechtigkeit ohne Beteiligung nicht erreichbar. Zudem liegt mir – als Französin – das Thema Atomenergie am Herzen.
Du bist Botschafterin der TeilnehmerInnen des Workshops „Junge Erwachsene und Beteiligungspraktiker“ und in dieser Funktion Mitglied der Arbeitsgruppe „Gesellschaftlicher Dialog, Öffentlichkeitsbeteiligung und Transparenz“ in der Endlagerkommission. Fühlst du dich dort ausreichend wertgeschätzt? Wie werden deine Vorschläge aufgenommen?
Am Anfang war es schwierig, doch wir konnten uns allmählich Gehör verschaffen und ich empfinde nun eine deutlich größere Wertschätzung als zu Beginn. Dennoch ist der Zeitdruck für die Endlagerkommission so hoch, dass ich die ernsthafte Berücksichtigung unserer Vorschläge bezweifle.
Was hältst du von der aktuellen Fassung des Beteiligungskonzeptes der Endlagerkommission bzw. der entsprechenden Arbeitsgruppe?
Meine Hauptkritik: Die aktuelle Fassung des Beteiligungskonzepts sieht die Beteiligung nicht als Treiber eines lernenden, anpassungsfähigen und zukunftsorientierten Verfahrens, sondern schreibt bereits heute ein konkretes Verfahren fest, in dem sich die Beteiligung lediglich auf Nachprüfungs- bzw. Korrekturrechte beschränkt.
Was sind deiner Meinung nach die größten Herausforderungen für eine gelingende Beteiligung im Endlagersuchverfahren?
- Dem Beteiligungsparadoxon entgegenzuwirken
- Den Spagat zwischen Veränderungsmöglichkeiten einerseits und notwendigen Prozessfixierungen zur Gewährleistung grundlegender Rahmenbedingungen andererseits zu schaffen
- Eine Annerkennungskultur und wertschätzende Würdigung des politischen Engagements der kritischen Öffentlichkeit zu entwickeln
Du engagierst dich derzeit auch bei der französischen Organisation Alternatiba, die sich für den Klimaschutz, aber auch für eine solidarische Gemeinschaft einsetzt. Wo siehst du Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede zu deiner Arbeit dort und deinem Engagement in der AG 1 der Endlagerkommission?
Der größte Unterschied ist die Art von Engagement: in der AG1 arbeite ich innerhalb einer Institution, die aus verschiedenen Stakeholdern besteht. Dagegen ist Alternatiba eine Bürgerbewegung. Ihr Ziel ist es, das soziale Engagement von Menschen zu fördern und sie zu aktivieren: Denn unser entschlossenes und überzeugtes Handeln in der Gegenwart ist die Keimzelle für eine bessere Welt morgen.
Die Umweltaktivistin Cécile Marchand studiert in Münster Politikwissenschaft. Sie engagiert sich bei der sozialen Bewegung Alternatiba in Frankreich. Außerdem ist sie gewählte Jugendbotschafterin in der Arbeitsgruppe „Öffentlichkeitsbeteiligung“ der „Endlagerkommission“.
Literaturhinweise
Rationalität durch Partizipation? Das mehrstufige dialogische Verfahren als Antwort auf gesellschaftliche Differenzierung. In: Konfliktregelung in der offenen Bürgergesellschaft Zeitschrift
Forum für interdisziplinäre Forschung, Bd. 17, 1996.
Das Expertendilemma: zur Rolle wissenschaftlicher Gutachter in der öffentlichen Meinungsbildung Buch
Springer , Berlin, 1996.
Public Participation in Science. The Role of Consensus Conference in Europe Buch
Science Museum, London, 1995.
Planning Cells: A Gate to „Fractal“ Mediation Buchabschnitt
In: Thomas Webler; Peter Wiedemann (Hrsg.): Fairness and Competence in Citizen Participation: Evaluating Models for Environmental Discourse, Kluwer, Dordrecht, 1995.
Kinder reden mit! Beteiligung an Politik, Stadtplanung und Stadtgestaltung Buch
Beltz, Weinheim, 1995.
Starke Demokratie: Über die Teilhabe am Politischen Buch
Rotbuch Verlag, Berlin, 1994, ISBN: 978-3880228047.
A Democratic Dilemma: System Effectiveness versus Citizen Participation Artikel
In: Political Science Quarterly , Bd. 109, Nr. 1, S. 23-34, 1994.
New Options for Participatory Democracy Buchabschnitt
In: Chiranji Yadav (Hrsg.): Perspectives in Urban Geography, City Planning: Administration and Participation, Concept Publishing Company, New Delhi, 1986.
Zukunftswerkstätten: Wege zur Wiederbelebung der Demokratie Buch
Goldmann Verlag, München, 1983.