Beteiligung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg

Foto: wannseeForum Berlin via flickr.com , Lizenz: CC BY-NC 2.0

Wie beteiligt man eigentlich Jugendliche und junge Erwachsene? Wer beteiligt sie? Und welche Beteiligungsmethoden gibt es in diesem Bereich? Das Sozialministerium Baden-Württemberg hat mit der pädagogischen Hochschule Freiburg in einer ausführlichen Analyse diese Fragen für das eigene Bundesland beantwortet.

Bilanz der Beteiligung von Kindern und Jugendliche in Baden-Wurttemberg:

  • 48% der 14 bis 19‐jährigen Baden‐Württemberger/innen gelten als freiwillig engagiert. Von diesem Engagement sind jedoch nur etwa 2% im Bereich Politik situiert.
  • In Baden‐Württemberg gibt es in 75 von 1.101 Gemeinden Jugendgemeinderäte, die im baden‐württembergischen Dachverband der Jugendgemeinderäte organisiert sind (Stand Mai 2013).
  • Im Rahmen des Projektes „Jugend BeWegt“ wurden in 19 Modellkommunen die kommunalen Beteiligungs-möglichkeiten von Jugendlichen ausgebaut (Stand September 2015). Das Programm richtet sich an Kommunen und kommunale Zusammenschlüsse, die junge Beteiligung vor Ort ausdrücklich wünschen und unterstützen und bereit sind in einen fachlichen Austauschprozess mit anderen Programmteilnehmenden zu treten.
  • Zahlreiche landesweiten Projekte zur politischen Partizipation wurden durchgeführt, die darauf zielen, Interesse an Politik zu wecken und politische Bildungsprozesse anzuregen. Beispiele sind die U18 Wahlen: Neun Tage vor „echten“ Wahlen (Landes- Bundestags- oder Europawahlen) dürfen alle unter 18 ihre Stimme abgeben, unter nur leicht veränderten Bedingungen, die Ergebnisse werden dann ausgewertet und veröffentlicht ; der Kindergipfel : 2014 haben 150 Kinder im Alter von 9 bis 13 Jahren aus der Region ihre Gedanken, Ideen und Meinungen vorgetragen und sind darüber mit den Abgeordneten ins Gespräch gekommen ; das Programm „Was uns bewegt“: In kleinerer Runde diskutieren Jugendliche mit den Abgeordneten des Landtages über Anliegen, Themen und Perspektiven der Jugend und, was sich in die Tat umsetzen lässt. Die Mitglieder des Landtages sollen die erarbeiteten Ergebnisse dann in ihrer Politik aufgreifen.
  • Die oftmals angenommene Entwicklung in Richtung einer kontinuierlichen Reduzierung der Mitgliederzahlen von Vereinen und Jugendverbänden (die eine große Reichweite im Bereich der gemeinschaftlichen Aktivitäten und des freiwilligen Engagements haben) lässt sich anhand vorliegender Zahlen für das Land bislang nicht bestätigen.
  • Im Bereich Kultur / Musik zeigten sich 2012 bundesweit 5% der Jugendlichen als freiwillig engagiert.

Allerdings stoßen all diese verschiedenen Beteiligungsforen auf die gleichen Schwierigkeiten. Zuerst erreichen sie nur einen kleinen Teil der baden‐württembergischen Kinder und Jugendlichen. Soziale Ungleichheiten und Geschlechterverhältnisse reproduzieren sich in allen Bereichen des Engagements und der Partizipation. Jugendliche mit niedrigerem formalen Bildungsniveau und Jugendliche mit Migrationshintergrund sind deutlich unterrepräsentiert. Um diese sozialen Reproduktionsmechanismen zu bewältigen, legen die Autoren ihren Fokus auf die Jugendsozialarbeit und Mobile Jugendarbeit. Die Jugendsozialarbeit zielt hauptsächlich darauf ab, Unterstützungsleistungen bei der individuellen Bewältigung sozialer Problemlagen anzubieten. Darüber hinaus möchte  sie Partizipationsangebote machen.

Die Mobile Jugendarbeit versucht schon konzeptionell, Möglichkeiten der Partizipation bei Planungs‐ und Entscheidungsprozessen im Gemeinwesen zu verbessern, sowie die Fähigkeit und Bereitschaft der Jugendlichen zur Artikulation eigener Problemlagen und Interessen zu stärken (Empowerment). Sie begleitet und unterstützt sie zusätzlich bei der Durchsetzung eigener Interessen. Allerdings sei es nicht so einfach, die Partizipationsbemühungen benachteiligter Jugendlicher durchzusetzen, da sie in lokalen Kontexten oftmals auf Widerstände stoßen und die Ressourcenausstattung nicht ausreichend ist.

Zudem sind die Verfasser der Analyse zur Kenntnis gekommen, dass die Diskrepanzen zwischen städtischen und ländlichen Regionen im Hinblick auf die Finanzierung, den Umfang und das Angebotsspektrum der Engagement‐ und Partizipationsmöglichkeiten besonders akut sind. Außerdem beschränkt sich oftmals die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen auf das unmittelbare Lebensumfeld im kommunalen oder schulischen Raum, da die Gemeindeordnung meist davon ausgeht, dass Kinder und Jugendliche nur bei Planungen, die ihre Interessen auf einer unmittelbarer Weise berühren, einbezogen werden müssen.

Zusätzlich zu diesen Schwierigkeiten weisen die Autoren darauf hin, dass die Partizipationinteressen der Jugend umfangreicher sind, als die öffentlichen Einrichtungen wahrnehmen wollen. Formen der Jugendprotestes – beispielweise zum Thema restriktiver Asylpolitik – haben zwar ein Konfliktpotenzial, aber sollten als Form der Partizipation anerkannt werden und überlegt werden, wie diese Bewegungen ins Gespräch mit der politischen Elite kommen könnten. Selbstverwaltete Jugendräume ermöglichen ebenfalls Erfahrungen mit eigenverantwortlichem Engagement und Selbstorganisation. Allerdings werden sie nicht in dieser Funktion anerkannt, und oftmals mit Schließungsabsichten konfrontiert.

Literaturhinweise

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