Beteiligung im Internet

Im Netz finden sich zahlreiche Beteiligungsplattformen. Der BBLOG hat seinen Blick durch die virtuellen Weiten schweifen lassen und drei Plattformen mit unterschiedlichen Ansätzen für Sie zusammengestellt.

Foto: Reut C via flickr.com, Lizenz: CC BY-NC-ND 2.0

Das Thema Beteiligung und Partizipationsverfahren gewinnt zunehmend an Resonanz. Gerade im Netz entstehen hinsichtlich der virtuellen Beteiligung immer vielfältigere Angebote. Schlagworte wie ePartizipation oder eDemokratie sind nicht nur Indiz für eine zunehmende Technisierung politischer Praktiken, sondern können ebenso als Erweiterung der politischen Teilhabe gesehen werden. Vergleichend hat sich BBLOG drei Beteiligungsplattformen mit unterschiedlichen Ansätzen für Sie angeschaut.

Civocracy.org

Die Online-Beteiligungsplattform civocracy.org möchte in erster Linie politische Teilhabe erleichtern. Das internationale Team der Gründer*innen verfolgt einen Ansatz, nach dem Bürger*innen die Möglichkeit geboten wird, signifikant zu Lösungsfindungen beizutragen. So können beispielsweise Bürger*innen Themen vorschlagen, die neue Radwege oder mehr öffentliche Trinkbrunnen verlangen. Auch Städte können teilnehmen, indem sie etwa den Meinungsaustausch zu leerstehenden Gebäuden suchen. Nach einer schnellen Registrierung, der Wahl der eigenen Stadt oder Region und des Einreichens eines eigenen Vorschlages, kann mitgeplant und mitdiskutiert werden. Sobald ein Vorschlag mehr als 51 Unterstützer gefunden hat, wird die Diskussion auf civocracy.org eröffnet und anschließend der jeweiligen Stadtverwaltung überreicht.

In der Berliner Community, die mit 92 Personen noch recht übersichtlich ist, dominieren vor allem soziale und ökologische Themen sowie Fragen des Wohnungsmarktes. Vorschläge reichen hier von vagen Ideen („Ich will ein gemeinschaftlicheres und glücklicheres Berlin“) bis hin zu relativ konkreten Gestaltungsvorschlägen („Ich will einen zweiten S-Bahn-Ring“). Diese können diskutiert und unterstützt werden. Den Gründer*innen von Civocracy geht es zudem um ein gegenseitiges vernetzen und informieren, vor allem jüngerer Bürger*innen. Die Möglichkeit der digitalen Beteiligung spart Zeit, die vielen Berufstätigen meist fehlt. Die Civocracy-Gemeinschaft in Berlin hat bereits einen ersten Erfolg zu verzeichnen. Letztes Jahr konnte ein japanischer Imbiss in Mitte gerettet werden, der durch drohende Änderungen im Mietvertrag kurz vor dem Aus stand. Die Online-Diskussion und spätere Interaktion zwischen Vermieter und Mieter haben hier konstruktiv zu einer einvernehmlichen Lösung geführt.

In ihrer Nutzung ist die Beteiligungsplattform jedoch noch etwas ausbaufähig. Eine genaue Anleitung lässt sich nicht auf den ersten Blick finden. Nutzer*innen sollten also etwas Geduld bei der Einarbeitung mitbringen.

Adhocracy.de von Liquid Democracy e.V.

Der 2009 gegründete gemeinnützige Verein Liquid Democracy e.V., der sich selbst als „Think & Do Tank“ bezeichnet, arbeitet an Fragen und Methoden der digitalen Beteiligungskultur. Der Verein möchte Lösungen zum Abbau von Hindernissen der bürgerschaftlichen Beteiligung bieten, um die Grenzen zwischen Regierenden und Regierten zu „verflüssigen“. Ihrer Meinung nach bedarf es innerhalb der momentanen repräsentativen Demokratie mehr „Flexibilität, Dynamik und Transparenz“.

Ein wesentliches Standbein des Vereins ist die Entwicklung einer Open-Source-Software zum Thema Internet und Partizipation. Dabei ist adhocracy.de entstanden. Die Software ist nach eigenen Angaben ein „kooperatives Diskurs-, Texterarbeitungs-, Delegations- und Abstimmungswerkzeug“. Beteiligungsprozesse sollen so frei gestaltbar und möglichst transparent sein. Innovativ ist dabei, dass jene Prozesse keine aktive Moderation benötigen und somit auch Bürger*innen stärker eigenverantwortlich und selbstständig arbeiten lässt. Sie ist für kleine und große Organisationen und damit weniger für Einzelpersonen konzipiert. Nach der Registrierung ist die Nutzung selbsterklärend. Falls doch Fragen auftauchen sollten, hält die Seite ein ausführliches FAQ sowie Tutorial bereit. Laut eigener Angaben hat der Verein mehr als 51.000 Nutzer*innen.

Liquid Democracy e.V. hat zudem zahlreiche andere Projekte und Kooperationen entwickelt und verwirklicht. Aktuell arbeiten sie beispielsweise an der europäischen Jugendbeteiligungsplattform OPIN.me. Ähnlich wie Adhocracy stellt OPIN ein Hilfsmittel für Verwaltungen und Organisationen dar, die die europäische Jugend an Entscheidungsprozessen teilhaben lassen möchte.

Open Debate von Der Tagesspiegel

Die Tageszeitung Der Tagesspiegel aus Berlin hat erst kürzlich die Öffentlichkeitsbeteiligungsplattform Open Debate gegründet. Sie ist Forum für Diskussionen von „Institutionen, Organisationen und allen anderen, die ihre Debatten öffentlich und nachhaltig zugänglich machen wollen.“ Dabei konzentriert und fördert Open Debate jedoch explizit Diskussionen von Expert*innen. Offener ist Open Debate bei der Auswahl der zu debattierenden Themen. Fragestellungen aus „Wissenschaft, Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft und Kultur“ sind hier möglich. Nach der Online-Registrierung ist man Mitglied der Community und kann die unterschiedlichen „Debates“ verfolgen, nicht jedoch kommentieren. Aktuell wird lediglich die Frage der Legitimität forschungsbezogener Tierversuche erörtert.

Interessant ist, dass Open Debate zugänglich für jeden ist, allerdings durch die reine Konzentration auf Expertenwissen den Diskurs der Eliten fördert. Eine Antwort auf die Frage, warum das Wissen der Vielen in die Debatten nicht einfließen soll, bleibt uns die Plattform schuldig. Expertenwissen ist oft zwar unabdingbar, aber genauso bedarf es der Erfahrungen und Einschätzungen der sogenannten Laien. Nicht ohne Grund baut auf dieser Erkenntnis das ganze Konzept hinter Citizen Science auf.

Abschließend sei bemerkt, dass digitale Bürgerbeteiligungsplattformen zwar eine gelungene Möglichkeit sind, schnelle, unkomplizierte und meist auch unverbindliche Beteiligung zu erleben. Dennoch kann das Gefühl, welches reale Interaktionen partizipativer Verfahren vermitteln, nicht ersetzt werden. Offline- und Online-Beteiligung sollten niemals ausschließlich genutzt werden, sondern als jeweilige Ergänzungen begriffen werden.

Literaturhinweise

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Robert Jungk; Norbert Müllert

Zukunftswerkstätten: Wege zur Wiederbelebung der Demokratie Buch

Goldmann Verlag, München, 1983.

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