10 Tipps für ein erfolgreiches Beteiligungsformat

Foto: Andrea Bandelli via flickr.com , Lizenz: CC BY-SA 2.0

Ein Beteiligungsformat scheitert oft daran, dass in der Planung und Durchführung Fehler gemacht werden, die vermeidbar wären. Aus diesem Grund haben wir hier 10 Tipps für eine gelungene Beteiligung zusammengestellt:

1. Keine Furcht vor Komplexität

Immer noch dominiert in Politik und Wirtschaft die Haltung, dass viele Probleme zu kompliziert und komplex seien, um die breite Masse der Bevölkerung an einer Problemlösung zu beteiligen. Dagegen haben Untersuchungen von Beteiligungsverfahren gezeigt, dass Bürgerinnen und Bürger oft qualitätssteigernde Beiträge einbringen und so Lösungen generiert werden, die effizienter und/oder effektiver als die ursprüngliche Planungsvorlage sind. Beispiele dafür sind zahlreich. Oft kann gerade das Wissen der Menschen um ihren eigenen Lebensort entscheidend dazu beitragen, die Komplexität zu reduzieren und Vor- und Nachteile bestimmter Lösungsmöglichkeiten sehr konkret aufzuzeigen.

2. Thematische Klarheit und Faktenlage

Es ist essentiell, dass zu Beginn des Verfahrens kommuniziert wird, um welches Thema oder welche Problemstellung es sich handelt. Unklarheiten schaffen Missverständnisse und Frustration, denn immerhin wenden Beteiligte wertvolle Freizeit für die Veranstaltungsteilnahme auf. Idealerweise steht am Anfang eine gemeinsame Erörterung der Faktenlage. Hierbei ist wichtig, auch die verschiedenen Perspektiven auf ein Problem zu beleuchten. Es kann sein, dass die Ausgangslage von den Teilnehmern ganz anderes beurteilt wird als vom Initiator des Beteiligungsformat. Hier gilt es, eine offene Kommunikation zu pflegen und gemeinsam die Fakten zu klären, insbesondere auch, um Vertrauen herzustellen und Ehrlichkeit und Offenheit zu signalisieren. Hierzu hielt Patrizia Nanz in der Endlagerkommission einen eingängigen Vortrag.

3. Umfang der Mitbestimmung verdeutlichen

Neben einer eindeutigen Themeneingrenzung braucht es eine transparente Darstellung des Umfangs der Mitbestimmungsmöglichkeiten. Geht es um eine reine Information der Öffentlichkeit, soll die Expertise der Bürger abgefragt werden und der Prozess eine Konsultation darstellen oder gibt es tatsächlich Möglichkeiten, der Mitentscheidung. Der Begriff Bürgerbeteiligung allein macht diese Unterschiede noch nicht deutlich. Hier muss bereits vor Beginn der Beteiligungsformate klar kommuniziert werden, was mit den Ergebnissen geschehen wird. Partizpative Bürger kommen andernfalls mit großen Erwartungen zur Veranstaltung und sehen sich enttäuscht, wenn sie während des Beteiligungsprozesses überraschend Beteiligungsgrenzen feststellen. Sehr eindrücklich wird die Notwendigkeit zur ehrlichen Kommunikation auch von Dr. Frank Claus in seinem Vortrag in der Endlagerkommission dargestellt.

4. Allen Anspruchsgruppen Gehör schenken

Niemand kann zur Teilnahme an einem partizpativen Verfahren gezwungen werden, allerdings muss allen (potentiell) Betroffenen eine Teilnahmemöglichkeit eingeräumt werden. Das setzt eine umfangreiche Analyse der Betroffenheitsstruktur voraus, wobei zunächst eine räumlich Abgrenzung notwendig ist, ehe durch Auswahl des Beteiligungsformats die betroffenen gesellschaftlichen Zielgruppen adressiert werden. Oft macht es Sinn, eine offene Einladung auszusprechen, sich bei Interesse zu melden, selbst wenn es sich um ein Format handelt, zu dem gezielt eingeladen wird. Gruppen, die sich ausgeschlossen fühlen, finden in der Regel Mittel und Wege, sich neben der eigentlichen Beteiligungsverfahren einzubringen und gefährden damit oft das Verfahren. Zudem bietet ein vielkritisiertes Beteiligungsverfahren eine sehr schlechte Ausgangslage für die Akzeptanz der daraus entwickelten Lösungsvorschläge. Diese Problematik wird insbesondre am Beispiel der Endlagersuche deutlich. Hierzu unter anderem die Beiträge von Wolfgang Schluchter und Ute Vogt.

5. Beteiligung als ergebnisoffener Prozess 

Partizipierende in Beteiligungsformaten haben ein gutes Gespür dafür, ob sie lediglich als konfirmatorisches Organ einer bereits vorab politisch bestimmten Lösung fungieren oder ernsthaft Einfluss auf das Lösungslayout nehmen können. Die Einflussmöglichkeiten müssen im Vorfeld klar kommuniziert werden. Betroffene Bürger, die allesamt Experten für ihr eigenes Umfeld sind, sind häufig in der Lage mit ihrer ganz eigenen Perspektive neue Lösungswege zu entwickeln. Hierfür muss zu allererst die Freiheit und Offenheit vorhanden sein, dass nicht zu viele Vorgaben und vor allem keine verdeckten Eingrenzungen vorliegen, die später das Ergebnis konterkarieren. Die Bedeutung von Ergebnisoffenheit zeig Jörg Sommer insbesondere in der 3. Dimension „Qualität“ seines Beitrags „Die vier Dimensionen gelingender Beteiligung“.

6. Manchmal ist es zu spät

Aus der Ergebnisoffenheit als Merkmal eines guten Beteiligungsprozesses leitet sich ab, dass sie frühzeitig einsetzen muss. Bisweilen scheitern Projekte, weil sich der Verfahrensträger erst dann mit der Frage der Öffentlichkeitsbeteiligung auseinandersetzt, wenn wütende Anwohnerinnen und Anwohner das Baugelände besetzen. Oft ist das Verhältnis zwischen Ergebnisoffenheit und Gestaltungsspielraum auf der einen Seite und der Beteiligungsbereitschaft der Bürger schwierig, wie Jörg Sommer hier ausführt. Gerade wenn der Spielraum besonders groß ist, ist das Interesse an einem Projekt oft noch gering. Eine umfangreiche und frühzeitige Kommunikation und die frühzeitige Beteiligung der Bürger können es schaffen, diese Schwierigkeit zu überwinden. Eine Beteiligung erst durchzuführen, wenn alle wichtigen Grundlagen bereits gelegt sind, macht jedoch wenig Sinn und führt nur zu Missstimmungen.

7. Neutralität und Unabhängigkeit

Die Verfahrensteilnehmer treffen mit unterschiedlichen, oft widerstreitenden Interessen aufeinander. Umso wichtiger ist es, dass der Veranstalter neutral und vermittelnd zwischen der Vielzahl von Partikularinteressen wirkt und auf keinen Fall Partei ergreift. Da der Träger eines Beteiligungsverfahrens oft nicht ausreichend neutral in der inhaltlichen Frage auftreten kann, ist es häufig sinnvoll, einen neutralen Moderator oder Mediator in den Prozess zu holen. Thomas Donhauser beschreibt hier die Möglichkeiten von Mediation in der Bürgerbeteiligung. Ein neutraler Dritter als Veranstalter und Moderator hat zudem den Vorteil, dass auch sehr kritische Perspektiven in den Prozess einfließen und das Ergebnis schließlich von deutlich mehr Menschen akzeptiert wird.

8. Wissen ist die Basis für Beteiligung

Erfahrungsgemäß steigt die Beteiligungsbereitschaft, wenn sich Bürgerinnen und Bürger gut informiert fühlen. Eine adäquate Informationsleistung ist nicht erfüllt, indem lediglich ein Wust an fachchinesischen Daten verfügbar gemacht wird. Vielmehr er so aufzubereiten, dass Interessenten mit angemessenem Zeitaufwand ein Einblick in die Materie möglich ist. Hier ist der Träger der Beteiligung in einer Bringschuld. Ein Glossar der wichtigen Begriffe und Konzepte, Pläne, Karten und andere wichtige Grundlagen müssen für alle leicht verfügbar gemacht werden. Hier bietet sich selbstverständlich die digitale Bereitstellung auf einer übersichtlichen und gut organisierten Projekt-Homepage an. Hier besteht dann auch die Möglichkeit, Verweise auf weiterführende Literatur anzugeben und gegebenenfalls auch Dokumente gemeinsam zu bearbeiten.

9. Augenhöhe erzeugen

Häufig wohnen sowohl Laien als auch Experten einem Beteiligungsformat bei. Fachexpertise kann einen qualitätsfördernden Beitrag im Prozess leisten, wirkt allerdings oft auf interessierte bzw. betroffene thematische Neulinge einschüchternd. Eine Möglichkeit zum Distanzabbau besteht darin, Experten nicht exponiert zu positionieren, sondern verteilt unter den anderen Teilnehmern. Vor allem aber ist hier die Haltung der Moderatoren und auch der Experten selber von Bedeutung. Die Anerkennung der Bürger als Experten für ihren Lebensraum spiegelt sich in jedem Redebeitrag wider und wird damit automatisch zu einer fruchtbareren Diskussion führen. In der Moderation ist zudem darauf zu achten, dass die Anzahl und der Umfang der Redebeiträge zwischen Experten und Laien in etwa gleichmäßig verteilt sind. Insbesondere junge Menschen oder Menschen, die der Veranstaltungssprache nicht mächtig sind, müssen von der Moderation besonders gefördert werden.

10. Transparenz gewährleisten

Es ist wichtig, Fortschritte im Verfahren, Ablauffolgen etc. zu dokumentieren und nachvollziehbar zu gestalten. Während in kleineren Beteiligungsformaten möglicherweise auf eine professionelle Unterstützung verzichtet werden kann, wird sie bei größeren und zeitlich umfangreicheren Events notwendig. Hier ist zum einen die Dokumentation aller Treffen und Veranstaltungen im Rahmen von öffentlich zugänglichen Protokollen wichtig, aber auch die leicht zugängliche Präsentation aller Dokumente, Termine und Verfahrensentwicklungen, beispielsweise über eine Projekt-Homepage oder einen Newsletter. Transparenz ist einer der Grundpfeiler der Aarhus Konvention, welche die Mindestanforderungen an Bürgerbeteiligung in Europa regelt.

 

Literaturhinweise

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Jürgen Blandow; Ulrich Gintzel; Peter Hansbauer

Partizipation als Qualitätsmerkmal in der Heimerziehung: eine Diskussionsgrundlage Buch

Votum, Münster, 1999, ISBN: 9783933158147.

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Heinz Ulrich Nennen; Detlef Garbe

Das Expertendilemma: zur Rolle wissenschaftlicher Gutachter in der öffentlichen Meinungsbildung Buch

Springer , Berlin, 1996.

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Brian Wynne

May the Sheep Safely Graze? A Reflexive View of the Expert-Lay Knowledge Divide Buchabschnitt

In: Bronislaw Szerszynski; Scott Lash; Brian Wynne (Hrsg.): Risk, Environment and Modernity, S. 44-83, 1996.

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Simon Joss; John Durant

Public Participation in Science. The Role of Consensus Conference in Europe Buch

Science Museum, London, 1995.

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Robert Dahl (Hrsg.)

Sketches for a Democratic Utopia Zeitschrift

Scandinavian Political Studies, 1987.

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Robert Jungk; Norbert Müllert

Zukunftswerkstätten: Wege zur Wiederbelebung der Demokratie Buch

Goldmann Verlag, München, 1983.

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Jürgen Habermas

Theorie des Kommunikativen Handelns Buch

Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1981.

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Sherry Arnstein

A Ladder of Citizen Partizipation Artikel

In: Journal of the American Planning Association, Bd. 35, Nr. 4, S. 216-224, 1969.

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