„Pop-Up-Innenstadt“ Ludwigsburg

Partizipative Gestaltung der Innenstadt durch Pop-Up-Maßnahmen

Im Jahr 2021 startete das Pilotprojekt Pop-Up-Innenstadt in der Stadt Ludwigsburg. Im Interview berichtet die Projektmitarbeiterin Anna-Kathrin Schneider über das Projekt.

Können Sie kurz erläutern, was das Förderprojekt Pop-Up-Innenstadt ist?

Pop-Up-Innenstadt ist ein Pilotprojekt im Rahmen des Projektaufrufs „Post-Corona-Stadt: Ideen und Konzepte für die resiliente Stadtentwicklung“ der Nationalen Stadtentwicklungspolitik. In Ludwigsburg wollte man diese Chance nutzen und sich speziell mit den Auswirkungen der Pandemie und des Klimawandels auf den öffentlichen Raum in der Innenstadt beschäftigten. Ziel des Projekts war es, gemeinsam mit Bürgerschaft und Politik Ideen für eine nachhaltige und krisenfeste Innenstadt zu entwickeln. Dabei sollten vor allem temporäre Maßnahme die Erprobung von Lösungsansätzen ermöglichen, sowie deren Weiterentwicklung in aktiver Zusammenarbeit mit den Bürgerinnen und Bürgern. Innerhalb der drei Projektjahre (2021–2022) veränderten sich bestimmte Orte der Ludwigsburger Innenstadt immer wieder. Dabei handelte es sich um temporäre Pop-Up-Maßnahmen zur Verbesserung der Mobilität, Klimaanpassung sowie Aufwertung und Belebung des öffentlichen Raums. So wurden beispielsweise Parkplätze in Aufenthaltsoasen mit Pflanzen und Sitzgelegenheiten verwandeln oder normalerweise heiße Plätze luden durch Schatten und Begrünung zum Verweilen ein. Das Projekt wurde im Rahmen der „Nationalen Stadtentwicklungspolitik“ vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) / Bundesinstitut für Bau‑, Stadt- und Raumforschung (BBSR) gefördert.

Können Sie ein Beispiel für eine ergriffene Maßnahme in Ludwigsburg nennen?

Das Projekt Pop-Up Innenstadt umfasste mehrere Projektbausteine. Einerseits setzte die Stadt proaktiv eigene Maßnahmen um, entwickelte Ideen im partizipativen Austausch mit der Öffentlichkeit und evaluierte diese ständig. Ein Beispiel dafür ist der Arsenalplatz in Ludwigsburg. Im Rahmen einer zentralen Innenstadt-Entwicklung wurden massive Defizite innerhalb der Ludwigsburger Innenstadt definiert. Diese Räume sollten umgestaltet und mit hoher Aufenthaltsqualität entwickelt werden. Pop-Up Innenstadt ermöglichte es, bereits erste Gestaltungs- und Belebungsmöglichkeiten auf einem Teilbereich des Platzes auszuprobieren und so eine kleine Vision der langfristigen Umgestaltung aufzuzeigen. Mitte September 2021 bis zum Umbau 2024 wurde auf Teilen des Arsenalplatzes ein Ort der Begegnung mit hoher Aufenthaltsqualität geschaffen. Die Pop-Up-Fläche lag im nördlichen Bereich des bestehenden Arsenalplatzes und umfasste rund 700m² Fläche. Die Gestaltung war einfach, flexibel und offen für verschiedene Nutzungen. Der Pop-Up-Mini-Stadtpark entstand mittels Sandfläche, einer kleinen Holzterrasse und einem Rollrasenfläche. 40 Bäume in Containern sorgten für Schatten und Stühle für einen idealen Platz zum Entspannen. Zum Parkplatz hin wurde ein Bauzaun aufgebaut, welcher gemeinsam mit Jugendlichen und einem Grafitti-Künstler gestaltet wurde.

Ein anderer Projektbaustein zielte auf die Förderung und Umsetzung von bürgerschaftlichen Maßnahmen. Dafür wurde der „Projektfonds“ eingerichtet. Durch diesen Fördertopf, mit insgesamt 15.000 € (für drei Projektjahre) wollten wir die Umsetzung bürgerschaftlicher Pop-Up-Maßnahmen ermöglichen und die Bürger*innen ermutigen, selbst aktiv die Innenstadt zu gestalten. Bürger*innen, Initiativen, Vereine und städtische Akteure konnten mit eigenen Projekten temporäre Pop-Up-Maßnahmen in der Innenstadt umsetzen, die durch den Projektfond finanziell gefördert wurden und durch uns organisatorisch unterstützt wurden.

Aufgrund von hohen Hürden bei der Antragstellung, wurden zu Beginn des Projektes keine Anträge von Bürger*innen eingereicht. Wie sah der Prozess der Antragstellung aus und wie haben Sie diesen konkret verändern, um eine Antragseinreichung für die Bürger*innen attraktiver zu gestalten? Haben die Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der Antragseinreichung den gewünschten Effekt gehabt?

Für diese Art der finanziellen Förderung von Projekten im öffentlichen Raum in der Innenstadt mussten zunächst Richtlinien und Strukturen entwickelt werden. Da der öffentliche Raum, vor allem in der Innenstadt, strengeren Auflagen unterliegt, mussten viele Details abgefragt werden, damit die Fachbereiche entsprechende Genehmigungen ausstellen konnten. Gerade, wenn es um Aufbauten oder Veranstaltungen ging. Das führte dazu, dass bereits das Antragsformular sehr umfangreich war. Auf der Projektwebsite konnten sich die Bürgerinnen und Bürger informieren und das Antragsformular herunterladen, dieses musste dann ausgefüllt und eingereicht werden. Ein Projektteam, das sich aus Mitarbeitenden aus verschiedenen Fachbereichen zusammensetze (Grünflächen, Wirtschaftsförderung, Stadtplanung und Stadtentwicklung) sollte dann über den Antrag entscheiden. Wir vermuten, dass das Antragsformular und der gesamte Prozess bereits abschreckte und die Menschen zwar eine Idee hatten, von der schieren Bürokratie jedoch gleich zu Beginn gehemmt wurden.

Deshalb haben wir gegen Ende des zweiten Projektjahres unsere Strategie geändert und haben mehr auf direkte, persönliche Kommunikation gesetzt. Wir luden öffentlich zu einem Kaffeekränzchen, bei welchen in entspannter Atmosphäre, Projektideen direkt mit mir besprochen werden konnten. Gemeinsam haben wir dann erste Stichworte für den Projektantrag erarbeitet. Durch das direkte Gespräch konnte ich die Idee in der verwaltungsinternen Projektgruppe vorstellen und es mussten nicht gleich zu Beginn alle Details des Projektantrages ausgefüllt werden. Vielmehr konnte ich später unterstützen, wenn es um die Absprache mit anderen Fachbereichen und das Einholen von Genehmigungen ging. Wir haben festgestellt, dass ehrenamtliche Initiativen von Bürger*innen nicht nur finanzielle Unterstützung für die Umsetzung ihrer Ideen brauchen, sondern dass gerade im öffentlichen Raum auch organisatorisch bzw. bürokratische Unterstützung nötig ist.

Das Projekt endet im Dezember 2023. Was ist Ihr vorläufiges Fazit von dem Förderprojekt Pop-Up-Innenstadt?

Das gesamte Förderprojekt Pop-Up Innenstadt ermöglichte es uns durch temporäres Ausprobieren Entwicklungsprozesse anzustoßen oder voranzutreiben. Gerade für die Verwaltung bedeutete es intern neuen Prozessstrukturen zu entwickeln und gewissen festgefahrene Arbeitsmuster zu durchbrechen. Das Learning-by-doing, also das gemeinsame Weiterentwickeln von ersten Lösungsansätzen zusammen mit Bürgerschaft und Politik, schaffte neue Handlungsspielräume und Kommunikationsstrukturen, mit den Bürgerinnen und Bürgern, sowie zwischen den Fachbereichen.

In Bezug auf den Projektfonds hat sich gezeigt, dass niederschwellige Antragsstrukturen geschaffen werden müssen und es Unterstützung für verwaltungsinterne Absprachen braucht. Die direkte, kreative Umsetzung im öffentlichen Raum hingegen können die Antragsstellenden selbst übernehmen. Fonds gekoppelt an organisatorische Unterstützung aus der Verwaltung können tolle Projekte und gemeinsame Learning Outcomes für Stadtgesellschaft und Stadtverwaltung bringen und sie schaffen die Möglichkeit zur gemeinsamen Entwicklung der eigenen Stadt. Dadurch entsteht ein Gefühl von Selbstwirksamkeit aufseiten der Bürgerinnen und Bürgern, welches das Verhältnis zur eigenen Lebenswelt verändert und ermutigt sich für eine demokratische und resiliente Stadtgesellschaft einzusetzen.

Halten Sie ein Pop-Up-Förderprojekt insgesamt für sinnvoll oder würden Sie eher anraten, dauerhafte Förderprojekte ins Leben zu rufen?

Hier muss zwischen zwei Förderungen differenziert werden. Pop-Up Maßnahmen oder auch Pop-Up Förderungen für bürgerschaftliche Projekte (Projektfonds) haben, meiner Auffassung nach, viel Potenzial und können Planung weiterbringen, Diskurse aufgreifen und schlussendlich auch zur dauerhaften Umgestaltung führen. Ein Beispiel in Ludwigsburg ist der Arsenalplatz, welchen ich oben bereits erwähnt habe. Dieser wird ab Frühjahr 2024 dauerhaft umgestaltet. Was ich jedoch schade finde, ist die fehlende Anschlussförderung für das Pop-Up Projekt von Seiten des Bundes. Wir können in den nächsten Jahren kaum diese Art der Projekte weitermachen und haben leider auch wenig Budget für einen erneuten Projektfonds. Hier muss überlegt werden, wie während solcher Förderprojekte vielleicht externe Geldgeber gewonnen werden können, um auch im Anschluss das selbstständige Gestalten des eigenen Stadtraums durch Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichen. Es braucht weiterhin Pilotprojekte im Rahmen der Nationalen Stadtentwicklungspolitik, welche sich mit der Gestaltung und Entwicklung von resilienten Städten und Stadtgesellschaften beschäftigen. Im Haushaltsplan für das kommende Jahr sind diese leider rausgefallen.

Zur Person:

Anna-Kathrin Schneider ist Projektmitarbeiterin im bundesgeförderten Projekt »Pop-Up Innenstadt« bei der Stadt Ludwigsburg. Sie ist für die Partizipationsprozesse und den Projektfonds zuständig. Eigentlich aus der Kulturwissenschaft und Geographie kommend, absolvierte sie einen internationalen Master im Bereich nachhaltiger Stadtentwicklung an der Universität Stuttgart. Seit November ist sie außerdem Europakoordinatorin bei der Stadt Ludwigsburg.

Literaturhinweise

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Methodenhandbuch Bürgerbeteiligung - Moderationsphasen produktiv gestalten Buch

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Methodenhandbuch Bürgerbeteiligung - Bürgerbeteiligungsprozesse erfolgreich planen Buch

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Methodenhandbuch Bürgerbeteiligung - Passende Beteiligungsformate wählen Buch

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Methodenhandbuch Bürgerbeteiligung - Online-Beteiligung zielgerichtet einsetzen Buch

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Atommüllendlagersuche und Zivilgesellschaft Buchabschnitt

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Finanzielle Bürgerbeteiligung in der Energiewende Buchabschnitt

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Transkulturelle Theaterarbeit - Basis für partizipative, zukunftsorientierte Gestaltungsprozesse Buchabschnitt

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Gespaltene Mitte - Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2016 Buch

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