Demokratie in die Wiege legen

Wie die Partizipation von und für Familien gezielt verbessert werden kann

Partizipationserfahrungen von Kindern und Jugendlichen sind ein wichtiger Bestandteil ihrer demokratischen Sozialisierung. Welche Probleme es bei der Partizipation in und von Familien gibt, zeigt das Bürgerforum Familie – und legt Vorschläge für Verbesserung vor.

Familien sind allgegenwärtige und relevante Strukturen der Gesellschaft. Sie sind Ort der Sozialisation sowie der Werte- und Kompetenzvermittlung für Heranwachsende. Zudem stellen sie für viele Menschen einen Ort der sozialen Bindung und Interaktion dar.

Aufgrund ihrer gesellschaftspolitischen Relevanz sollten Familien in zweierlei Hinsicht Aufmerksamkeit für ihre Rolle in der Partizipation erfahren. Zum einen fordern die veränderten Dynamiken z.B. bezüglich zeitlicher und materieller Ressourcen von Familien besondere Rücksichtnahme, um politische Partizipation von Familien zu ermöglichen. Zum anderen findet auch innerhalb von familiären Strukturen eine Interaktion statt, in welcher Teilhabe ermöglicht werden und demokratische Kompetenzen erlernt werden sollten. Dies ist in erster Linie Selbstzweck für ein harmonisches Miteinander innerhalb der Familie, hat jedoch auch eine politische Dimension, da die Heranwachsenden ihre Prägung später auf größere politische Kontexte übertragen.

Welche Dimensionen hierbei berücksichtigt werden müssen und welche Ansätze es für eine gelungene Partizipation in und von Familien gibt, untersucht das Bundesforum Familie in seiner Publikation „Partizipation ermöglichen, Demokratie gestalten, Familien stärken“. Die Publikation präsentiert die Ergebnisse aus verschiedenen Fachforen und Arbeitsgruppen, welche teils unter Einbezug von Expert*innen zu Thematiken rund um Familie und Demokratie zusammenkamen.

Politische Teilhabe und Sozialisation von Kindern und Jugendlichen

Bereits in jungem Alter sind Kinder Teil von Gruppen, welche für eine gelungene Ausgestaltung auf die Etablierung demokratischer und partizipativer Elemente angewiesen sind. Neben dem unmittelbaren Nutzen für die Institution selbst ergibt sich hieraus auch ein positiver Effekt für die politische Sozialisation von Kindern und Jugendlichen.

Als prägende Institutionen werden hier insbesondere die Familie sowie Bildungs- und Freizeiteinrichtungen begriffen. Diese sind jedoch nicht per se so gestaltet, dass ein umfassendes Erleben von Teilhabe möglich ist. Die Studie des Bundesforums Familie untersucht daher, welche Hemmnisse und Schwachstellen es noch gibt und wie diese gelöst werden können.

Familien

Familienstrukturen haben sich durch einen gesellschaftlichen Wertewandel zunehmend weg von starren Hierarchien hin zu sogenannten „Verhandlungshaushalten“ entwickelt. Diese Entwicklung solle noch weiter gefördert werden. Ein Fokus liegt hier darauf, wie weniger gut situierten Familien geholfen werden kann, denen es vielleicht schwerer fällt, im Alltag selbst eine Partizipationskultur zu etablieren oder an partizipativen Angeboten teilzunehmen. Faktoren, die Familien hier potenziell im Wege stehen, sind etwa Armut, Flucht oder die Pflegebedürftigkeit von Angehörigen.

Neben einer grundlegenden Sensibilisierung für die Bedürfnisse betroffener Familien spielen auch die „Einbettung in den sozialen Nahraum“ und die Familienbildung eine wichtige Rolle. Ersteres kann etwa durch Mehrgenerationenhäuser, ansprechende und erschwingliche Sport- und Freizeitangebote oder Nachbarschaftsfeste erreicht werden. Hierbei kann auch bereits die Ausgestaltung der Angebote durch einen partizipativen Prozess initiiert werden.

Familienbildung kann zum einen den Eltern Werkzeuge an die Hand geben, um mit ihren Kindern ein demokratisches Miteinander zu etablieren. Zugleich kann Teilhabe durch die Möglichkeit, das Bildungsangebot mitzugestalten, erlebbar gemacht werden. Hierzu ist auch die gezielte Weiterbildung der Fachkräfte notwendig, um Familien erfolgreich in Fähigkeiten wie Kommunikation, Konfliktlösung, Organisation oder auch Moderation zu schulen.

Bildungseinrichtungen        

Die Notwendigkeit der Teilhabe von Familien beginnt bereits in der Kindertagesbetreuung. Hier sollten Eltern und Kinder nicht einfach ein vorgefertigtes Alltags- und Erziehungskonzept auferlegt werden, sondern im Sinne einer „Erziehungs- und Bildungspartnerschaft“ aktiv an der Mitgestaltung beteiligt werden. Dies kann zum Beispiel durch Elternabende und gegebenenfalls Beratung von Expert*innen zu bestimmten Herausforderungen wie der Umgang mit Diskriminierung geschehen. Sowohl Eltern als auch Erzieher*innen sollten Möglichkeiten zur gezielten Weiterbildung bekommen.

Mit dem Schuleintritt wächst die Fähigkeit der Kinder, selbst Partizipationsangebote wahrzunehmen. Zwar gibt es bereits einige Methoden, wie Klassenräte oder Morgenkreise und formalisiertere Teilhabekonzepte in Form von Klassensprecher*innen oder Schülervertretungen, das Bundesforum Familie diagnostiziert aber dennoch einen Mangel in der Umsetzung.

Ganz grundsätzlich sollten Demokratiebildung, Sozialarbeit und Chancengleichheit qualitativ und quantitativ ausgebaut werden. Angehende Lehrer*innen sollten bereits während ihres Studiums stärker auf die Umsetzung von partizipativen Formaten vorbereitet werden. Durch konkrete Projekte können Schüler*innen ihren Einfluss direkt erleben und die Freude am Mitgestalten entdecken.

Familienwahlrecht und Bürgerbeteiligung

Die bisher beleuchteten Ansätze haben in ihrer Funktion zur demokratischen Sozialisierung oft den Charakter einer Übung oder eines Partizipationsspiels im eigenen kleinen Rahmen.

Daher steht auch die Frage im Raum, inwiefern Familien spezielle Bedürfnisse an tiefgreifendere politische Partizipation haben.

Ein vom Bundesforum Familie diskutierter Aspekt ist etwa das Wahlrecht für Familien oder eine Absenkung des Wahlalters auf 14 oder 16 Jahre. Das Bundesforum spricht hier keine abschließende Empfehlung aus, da noch viele Kontroversen und praktische Fragen rund um das Thema ungeklärt sind. Grundlegend appelliert es jedoch, die Thematik stärker zum Gegenstand von Debatten zu machen.

Zugleich können Eltern und Kinder durch staatliche Bürgerbeteiligung, Kinder- und Jugendparlamente, Jugendbeauftragte oder Beteiligungsbüros einbezogen werden. Die Gestaltung sollte sich hierbei an den Bedürfnissen von Familien orientieren. So können und wollen viele Personen sich nicht mehr langfristig an Projekte binden, sodass Beteiligung auch projektorientiert und flexibel angeboten werden sollte. Insbesondere für Kinder- und Jugendbeteiligung muss zudem die Bereitschaft der Erwachsenen gegeben sein, sich auf die Kinder einzulassen und Machtstrukturen zu überwinden.

Ausblick

Die Ergebnisse der Publikation zeigen, dass es bereits einige Ansätze gibt, Familien, Kindern und Jugendlichen Partizipation zu ermöglichen. Diese müssen jedoch noch für breitere Teile der Bevölkerung zugänglich gemacht werden und sich stärker an den Bedürfnissen von Familien orientieren.

So erlangen die Personen zum einen in ihrem unmittelbaren Umfeld mehr Selbstwirksamkeit und zugleich wird eine Sozialisierung von Kindern und Jugendlichen ermöglicht, mit denen sie demokratische Kompetenzen und Werte verinnerlichen.

Für tiefergehende Informationen und spannende Good Practice Beispiele können Sie die Publikation hier einsehen.

Literaturhinweise

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Stefanie Lütters

Soziale Netzwerke und politische Partizipation. Eine empirische Untersuchung mit sozialräumlicher Perspektive Buch

2022, ISBN: 978-3-658-36753-4.

Abstract | Links | BibTeX

Jörg Sommer (Hrsg.)

KURSBUCH BÜRGERBETEILIGUNG #3 Buch

Republik Verlag, Berlin, 2019, ISBN: 978-3942466-37-0.

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Jörg Sommer, Bernd Marticke

Status quo und Potentiale der innerbetrieblichen Partizipation Buchabschnitt

In: Jörg Sommer (Hrsg.): KURSBUCH BÜRGERBETEILIGUNG #3, Republik Verlag, Berlin, 2019, ISBN: 978-3942466-37-0.

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Jörg Sommer, Hans Hagedorn

Gute Beteiligungskultur – auf dem Weg zu einem praxisorientierten Qualitätsmanagement in der Bürgerbeteiligung Buchabschnitt

In: Jörg Sommer (Hrsg.): KURSBUCH BÜRGERBETEILIGUNG #3, Republik Verlag, Berlin, 2019, ISBN: 978-3942466-37-0.

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Wegweiser Breite Bürgerbeteiligung: Argumente, Methoden, Praxisbeispiele Online

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Ulrike Donat

Bürgerbeteiligung und Konfliktmanagement Buchabschnitt

In: Jörg Sommer (Hrsg.): Kursbuch Bürgerbeteiligung #2, Verlag der Deutschen Umweltstiftung | bipar, Berlin, 2017, ISBN: 978-3942466-15-8.

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Jörg Sommer (Hrsg.)

KURSBUCH BÜRGERBETEILIGUNG #2 Buch

Republik Verlag, Berlin, 2017, ISBN: 978-3942466-15-8.

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Bernd Marticke

Partizipationshaltung in Politik und Verwaltung auf Kommunal- und Länderebene Buchabschnitt

In: Jörg Sommer (Hrsg.): Kursbuch Bürgerbeteiligung #2, Verlag der Deutschen Umweltstiftung | bipar, Berlin, 2017, ISBN: 978-3942466-15-8.

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Allianz Vielfältige Demokratie/Bertelsmann Stiftung (Hrsg.)

Bürgerbeteiligung mit Zufallsauswahl - Das Zufallsprinzip als Garant einer vielfältigen demokratischen Beteiligung: ein Leitfaden für die Praxis Online

2017.

Links | BibTeX

Bertelsmann Stiftung (Hrsg.)

Die Bürgerbeteiligung zum Klimaschutzplan 2050: Ergebnisse der Evaluation Online

2017.

Links | BibTeX

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