Bürgerbeteiligung beim Windenergieausbau

Dafür und doch dagegen?

Steffen Kawohl, der bei der EnergieAgentur.NRW tätig ist, berichtet in seinem Gastbeitrag über Erfahrungen und Herausforderungen bei der Bürgerbeteiligung im Windenergieausbau.

EnergieAgentur NRW Foto: EnergieAgentur.NRW ©

81% der Bevölkerung unterstützen den Ausbau der Windenergie in Deutschland.1 Dies ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Fachagentur Windenergie an Land im Jahr 2016. Während das Umfrageergebnis ausdrückt, dass eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung hierzulande im Allgemeinen hinter der Energiewende steht2, zeigt sich diese breite Unterstützung weniger deutlich, wenn es um den lokalen Ausbau der Windenergie geht. Kommunalvertreter und Projektentwickler stoßen bei ihren Vorhaben nämlich immer wieder auf Vorbehalte von Anwohnern, Bürgerinitiativen und Umweltverbänden.

Bedenken der Anwohner vor Ort

Einige Menschen lehnen den lokalen Ausbau der Windenergie auf Grund ihrer grundsätzlichen Einstellung zur Windenergie ab. Häufig befindet sich hinter einer ablehnenden Haltung konkreter Ausbauprojekte vor Ort allerdings weniger eine generelle Ablehnung der Windenergie als vielmehr die Befürchtung, der lokale Ausbau der Windenergie verändere das gewohnte Lebensumfeld zu stark und wirke sich negativ auf das Erscheinungsbild einer gewachsenen Kulturlandschaft aus.3 Mit der Ablehnung der Windenergie vor Ort kann jedoch auch die Befürchtung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung von Menschen und Tieren verbunden sein, die durch Geräusche sowie Schattenwurf insbesondere der sich bewegenden Rotorblätter entsteht. Außerdem befürchten einige Bürger, Windenergieanlagen könnten zu einem Wertverlust von Grundstücken und Immobilien in der unmittelbaren Umgebung führen. Hinter diesen Einwänden befindet sich häufig der Wunsch der Betroffenen vor Ort, die Umgebung in ihrem derzeitigen Zustand zu bewahren.

Nehmen Bürgerinnen und Bürger den Planungsprozess eines Windenergievorhabens als transparent und gerecht wahr, so wirkt sich dies Umweltpsychologen zufolge positiv auf deren persönliche Akzeptanz eines Windenergievorhabens vor Ort aus.4 Generell haben die Menschen heutzutage ein größeres Interesse daran, an der Planung und Umsetzung großer Infrastrukturprojekte stärker beteiligt zu werden. Dies liegt daran, dass sich der Wille zur Mitsprache und das Bedürfnis nach Informationen in der Gesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt haben. Da der Bau von Windenergieanlagen die Umgebung nachhaltig verändert, wünschen sich die betroffenen Anwohner, dass ihre Interessen in der Planungs- und Genehmigungsphase berücksichtigt werden und sie Einblick in die Entscheidungsfindung erhalten.5

Die Notwendigkeit umfassender Beteiligung

Unter dem Aspekt der Bürgerbeteiligung kann eine gute Planung die Akzeptanz steigern, während eine ausbleibende oder unzureichende Beteiligung diese Akzeptanz verringern kann. Der EnergieDialog.NRW setzt daher auf eine möglichst frühzeitige Beteiligung der Bürger an der Planung und Umsetzung von Windenergievorhaben sowie weiteren Projekten im Bereich Erneuerbarer Energien. Informelle Möglichkeiten der Beteiligung sollten parallel zu den gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungsangeboten oder als Ersatz für diese formellen Maßnahmen geschaffen werden, wenn es zu einem vereinfachten Genehmigungsverfahren ohne Umweltverträglichkeitsprüfung sowie gesetzlich vorgeschriebener Beteiligung kommt. Formelle und informelle Beteiligungsmöglichkeiten sollten miteinander verzahnt werden und die dabei erzielten Ergebnisse im weiteren Verlauf des Verfahrens Berücksichtigung finden. Auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger erfordert dies, dass sie sich gut informieren, um so in der Lage zu sein, Handlungsoptionen für sich selbst zu vergleichen, bewerten und abwägen zu können. Sind sie hingegen mit der Komplexität des Planungsverfahrens überfordert, so wirkt sich dies negativ auf ihre Akzeptanz des gesamten Vorhabens aus. Wenn die Projektentwickler für das Windenergievorhaben dann mit dem Gemeinwohl argumentieren, stehen die Betroffenen diesem Anspruch besonders misstrauisch gegenüber. Erleben sie das Planungsverfahren schließlich auch noch als intransparent, so fühlen sie sich schnell durch die Vorhabenplanung fremdbestimmt.

Die Rolle des EnergieDialog.NRW

Um dies von vornherein zu verhindern, unterstützt der EnergieDialog.NRW Kommunen und Projektentwickler bei der Durchführung lokaler Infomessen. Auf diesen Infomessen erhalten Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, sich bei den anwesenden Gutachtern und Planungsbüros über verschiedene Aspekte der Planung, wie Schall, Schatten, Natur- und Umweltschutz sowie den Bauprozess des lokalen Windenergieprojektes zu informieren. Auch aktive Natur- und Artenschutzverbände sowie Bürgerinitiativen bekommen hier die Möglichkeit, den Interessierten ihr Anliegen näherzubringen. Jeder vertretene Akteur unterhält einen eigenen Messestand, an dem Planungsunterlagen, Gutachten und weitere relevante Dokumente zur Information ausliegen. In der Vergangenheit wurden die lokalen Infomessen von den Bürgerinnen und Bürgern stets gut besucht. Den Besuchern gefällt an unserem Format besonders, dass sich jeder Interessierte entsprechend seinem Wissensstand und vor allem gemäß seinem individuellen Interesse an die Experten wenden und sich bei ihnen informieren kann. Besonders Personen, die bei größeren Informationsveranstaltungen mit ihrem Anliegen normalerweise wenig Gehör finden, schätzen dieses Angebot.

Vor allem der Wille zur Beteiligung und der Wunsch, sich ein Grundwissen anzueignen, sind wichtige Voraussetzungen bei den Bürgern. Die Beteiligung der Öffentlichkeit kann jedoch nur erfolgreich sein, wenn sich Projektentwickler und die Vertreter der Kommunen bewusst sind, wie bedeutend Partizipation ist. Schließlich sollte die Öffentlichkeitsbeteiligung immer von der Kommune oder dem Projektentwickler ausgehen. Eine weitere wesentliche Aufgabe des EnergieDialog.NRW ist es daher, diese beiden Akteure dafür zu sensibilisieren, wie wichtig die Beteiligung der Bürger für das Gelingen ihres Vorhabens ist und wie formelle und informelle Beteiligungsverfahren miteinander verzahnt werden können. Dazu bieten wir stetig Schulungen an, auf denen die Teilnehmer allgemeine Informationen zur Beteiligung erhalten, aber auch bereits erfolgreich durchgeführte Praxisbeispiele aus anderen Kommunen vorgestellt werden. In regelmäßigen Abständen sorgen wir außerdem für einen interkommunalen Austausch, auf dem Vertreter von Kommunen zusammenkommen und sich zu verschiedenen Fachthemen der Windenergie austauschen, wie auch zum Thema Bürgerbeteiligung.

Fazit: Akzeptanz erfordert Information und Transparenz

Die Akzeptanz der Energiewende kann nur gesteigert werden, wenn nicht über die Köpfe der Bürger hinweg entschieden wird. Dazu gehört, dass die Bürger vor Ort umfassend und rechtzeitig über Planungen und Handlungsmöglichkeiten informiert werden. Um Windenergievorhaben erfolgreich realisieren zu können, braucht es daher folgende Voraussetzungen: gut informierte Bürgerinnen und Bürger, Kommunalvertreter und Projektierer, die sich der Bedeutung der Öffentlichkeitsbeteiligung bewusst sind, sowie ein transparentes und gerechtes Planungs- und Beteiligungsverfahren.

Zum Autor

Steffen Kawohl befasst sich beim EnergieDialog.NRW der EnergieAgentur.NRW mit Bürger- und Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen des Ausbaus erneuerbarer Energien in Nordrhein-Westfalen. Zuvor hat er an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Sozialwissenschaften studiert.

 

Anmerkungen:

1 FA Wind (2016): Umfrage zur Akzeptanz der Windenergie an Land – Frühjahr 2016, Berlin.
2 Den Befragten wurde folgende Frage gestellt: „Im Rahmen der Energiewende wurde beschlossen, vollständig aus der Atomenergie auszusteigen und den Energiebedarf weitestgehend aus erneuerbaren Energien zu decken. Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach daher die Nutzung und der Ausbau der Windenergie an Land?“.
3 EnergieAgentur.NRW (2014): Windenergievorhaben und Akzeptanz. Bürgerbeteiligung am Planungsverfahren als integratives Projektmanagment
4 EnergieAgentur.NRW (2014): Windenergievorhaben und Akzeptanz. Bürgerbeteiligung am Planungsverfahren als integratives Projektmanagment: 3.
5 EnergieAgentur.NRW (2014): Windenergievorhaben und Akzeptanz. Bürgerbeteiligung am Planungsverfahren als integratives Projektmanagment: 4.
6 EnergieAgentur.NRW (2014): Windenergievorhaben und Akzeptanz. Bürgerbeteiligung am Planungsverfahren als integratives Projektmanagment: 3.

Weiterführende Literatur:

  • EnergieAgentur.NRW. 2014. Windenergievorhaben und Akzeptanz. Bürgerbeteiligung am Planungsverfahren als integratives Projektmanagment.
  • FA Wind. 2016. Umfrage zur Akzeptanz der Windenergie an Land – Frühjahr 2016. Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage zur Akzeptanz der Nutzung und des Ausbaus der Windenergie an Land in Deutschland. Berlin.
  • Hoeft, Christoph/Messinger-Zimmer, Sören/Zilles, Julia. 2017. Bürgerproteste in Zeiten der Energiewende. Lokale Konflikte um Windkraft, Stromtrassen und Fracking. Bielefeld: transcript Verlag.

 

 

Literaturhinweise

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Nuclear Energy Agency

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Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte (AkEnd)

Auswahlverfahren für Endlagerstandorte - Empfehlungen des AkEnd Forschungsbericht

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Simon Joss; John Durant

Public Participation in Science. The Role of Consensus Conference in Europe Buch

Science Museum, London, 1995.

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Kommunaler Planungsworkshop
Der Planungsworkshop unterstützt mit seinem strukturierten Ablauf und geringen Zeitanspruch Kommunen bei der Ausarbeitung eines Aktionsplans. Die Methode ist besonders geeignet für Gruppen, die bereits über eine gemeinsame Vision verfügen.

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