Bürgercockpit

Digitale Beteiligungstools sind eine vielversprechende Ergänzung analoger Formate. Ihre Vorteile werden anhand der Anwendung Bürgercockpit betrachtet.

Foto: fancycrave1 via Pixabay.

Wir leben in einer Zeit rasant fortschreitender technischer Innovationen. Längst können wir über das Smartphone die Temperatur in unseren Kühlschränken steuern, Jalousien automatisch heben und senken oder unsere Gesundheit kontrollieren. Unsere Alltagsroutinen verändern sich entsprechend: Statt auf den Stadtplan schauen wir auf eine App und die guten alten Abfahrtspläne an Bahnhöfen und Bushaltestellen nutzen nur noch wenige zur Planung ihrer Fahrten. Diese Entwicklungen nehmen jedoch auch Einfluss auf Formen und Möglichkeiten der politischen Teilhabe.

Potentiale digitaler Beteiligung

Die Einbindung digitaler Tools in Beteiligungsverfahren verspricht vor dem Hintergrund der Omnipräsenz von Smartphones in unserem Alltag eine Reihe von Vorzügen. Offensichtlich braucht es anders als bei analogen Formaten keine Anwesenheit vor Ort. Es entfallen die Kosten für An- und Abfahrt sowie ggf. Übernachtung. Je nach Ausgestaltung des digitalen Formats ist eine Skalierung der Kapazitäten leichter möglich und auch Kurzentschlossenen kann relativ spontan eine Teilnahme ermöglicht werden. 

Begleitend können auf Plattformen relevante Informationen beispielsweise mithilfe digitaler Karten bereitgestellt und teilweise unmittelbar in der gleichen App kommentiert werden. Textentwürfe können in gleicher Weise verfügbar gemacht und kollaborativ fortentwickelt werden. Dies trägt zum ergebnisorientierten und transparenten Austausch aller Beteiligten bei und fördert die Ergebnisqualität. 

Häufig wird zudem vermutet, dass digitale Formate der Verbreiterung der Beteiligungsbasis zuträglich sind, da junge Menschen besser angesprochen werden können und auch anderen in Beteiligungsverfahren unterrepräsentierten Zielgruppen wie beispielsweise Alleinerziehenden eine Teilnahme eher möglich ist. Demgegenüber steht jedoch das Risiko, dass digital weniger affine Menschen das Angebot nicht nutzen können. 

Bürgercockpit

Dennoch stellen gerade in Zeiten einer anhaltenden Pandemie digitale Beteiligungstools eine interessante Möglichkeit zur Beteiligung der Bürger*innen an politischen Gestaltungsprozessen dar. Ein interessantes Beispiel ist vor diesem Hintergrund die Anwendung „Bürgercockpit”, die im Rahmen des oberösterreichischen Agenda21-Prozesses entwickelt wurde. Ziel der App ist es, einen transparenten und strukturierten Diskussionsprozess in Kommunen zu fördern. Dazu bietet die digitale Anwendung einen bunten Methodenmix an, der u. a. die Erfassung über digitale Fragebögen, georeferenzierte Reports und Fotos, die Bereitstellung von Audio-Aufnahmen und Integration verschiedener Social-Media-Kanäle wie Facebook und Twitter erlaubt. Zur Erörterung und Diskussion der von der Bürgerschaft eingebrachten Ideen und Anregungen zur kommunalen Gestaltung steht darüber hinaus eine digitale Diskussionsplattform zur Verfügung, die von der umsetzenden Gemeinde moderiert werden kann. Im Sinne einer hohen Ergebnisrelevanz der diskutierten Inhalte besteht abschließend eine Bewertungsfunktion für die Teilnehmenden. Sie zeigt die Einschätzung der Teilnehmenden zu den jeweiligen Vorschlägen und verbessert die Informationsgrundlage, auf der abschließend die kommunalen Akteure aus Politik/Verwaltung ihre Entscheidung treffen. Einen Eindruck von der Software vermitteln diese Einführungsvideos.

Digitale Tools stellen nicht erst seit der COVID-19-Pandemie eine sinnvolle Erweiterung kommunaler Beteiligungsportfolios dar. Sie können u. a. Informationen niederschwellig bereitstellen, die Flexibilität erhöhen, indem sie asynchrone Diskurse in Foren erlauben und neue Zielgruppen erreichen. Sie sollten dennoch stets als Ergänzung analoger Beteiligungsprozesse begriffen werden. Denn eines haben die vergangenen Monate ebenfalls gezeigt: Eine lebendige und vitale Beteiligungskultur lebt von realem persönlichen Austausch.

Literaturhinweise

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Sabine Ursula Nover

Protest und Engagement: Wohin steuert unsere Protestkultur? Buch

VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 2009, ISBN: 978-3531163130.

BibTeX

Peter Hocke

Expertenkommunikation im Konfliktfeld der nuklearen Entsorgung. Zum Wandel von Expertenhandeln in öffentlichkeitssoziologischer Perspektive Buchabschnitt

In: Peter Hocke; Armin Grunwald (Hrsg.): Wohin mit dem radioaktiven Abfall? Perspektiven für eine sozialwissenschaftliche Endlagerforschung, edition sigma, Berlin, 2006.

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Jörg Bogumil; Lars Holtkamp; Leo Kißler

Kooperative Demokratie: Das politische Potenzial von Bürgerengagement Buch

Campus Verlag, Frankfurt am Main, 2006, ISBN: 978-3593380131.

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Anna Geis

Regieren mit Mediation: Das Beteiligungsverfahren zur zukünftigen Entwicklung des Frankfurter Flughafens Buch

VS Verlag, Wiesbaden , 2005.

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Nuclear Energy Agency

OECD Nuclear Energy Agency: Stepwise Approach to Decision Making for Longterm Radioactive Waste Management Buch

Experience, Paris, 2004.

BibTeX

Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte (AkEnd)

Auswahlverfahren für Endlagerstandorte - Empfehlungen des AkEnd Forschungsbericht

Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) 2002.

Abstract | BibTeX

Ortwin Renn; Thomas Webler

Der kooperative Diskurs. Theoretische Grundlagen, Anforderungen, Möglichkeiten Buchabschnitt

In: Ortwin Renn; Hans Kastenholz; Patrick Schild; Urs Wilhelm (Hrsg.): Abfallpolitik im kooperativen Diskurs. Bürgerbeteiligung bei der Standortsuche für eine Deponie im Kanton Aargau, S. 3-103, vdf, Zürich, 1998.

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