Interviewreihe: Meinungen zur Endlagerkommission (6)

Foto: stevebustin via Flickr.com, Lizenz: CC BY-ND 2.0

Auf Basis des Standortauswahlgesetzes erarbeitet seit nun mehr knapp zwei Jahren die Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ einen Empfehlungsbericht für die Legislative, wie ein Suchverfahren für einen nationalen Endlagerstandort für hoch radioaktive Abfälle gestaltet werden könnte. Dazu fand am letzten Aprilwochenende eine zweitägige Bürgerkonsultation statt, über die der Bblog an anderer Stelle berichtet hat. Zudem widmet sich die aktuelle Ausgabe von ginkgo.tv der Veranstaltung in Form von Ablauf-Impressionen.

Prof. Dr. Schluchter – früherer Lehrstuhlinhaber an der BTU Cottbus und Entwickler des Triplex Konzepts für Partizipation – hat im Rahmen der Veranstaltung Interviews sowohl mit anwesenden Kommissionsmitgliedern als auch interessierten Bürgerinnen und Bürgern geführt, die wir Ihnen nicht vorenthalten möchten und in einer Reihe von Blogbeiträgen in den nächsten Tagen in der Rubrik Praxis veröffentlichen. Um Ihnen einen unvoreingenommen Eindruck von der Vielschichtigkeit der Teilnehmermeinungen zu erlauben, verzichten wir dabei auf jede Kommentierung und inhaltliche Einordnung.


Interview: Kommissionsmitglied

Ich bitte um Ihre Einschätzung, was bisher mit der Kommission erreicht worden ist.

Also, ich bin durchaus der Meinung, dass die Kommission viele Aspekte beleuchtet hat und auch zu Ergebnissen gekommen ist, die in vielen Fällen auch im Konsens erzielt worden sind. Das trifft allerdings nicht für alle Fälle zu, was auch nicht verwunderlich ist, und ich denke, soweit der Konsens nicht möglich ist, ist Sinn der Sache, dass die Dinge offen angesprochen worden sind und so dargelegt werden, dass die Interessierten, sprich insbesondere die Bürger, der Bundestag und der Bundesrat nachvollziehen können, was die Argumente der Kommission gewesen sind und auch in den Punkten, in denen eine Einigung nicht möglich war.

Ein Ergebnis ist demnach, dass man konstatieren kann, dass deutlich geworden ist, welche Positionen zugrunde liegen, welche Kontroversen vorhanden sind. Wollen Sie damit sagen, dass im Endeffekt auch der Bürger mitentscheiden kann, welche Positionen für ihn nachvollziehbar oder nicht nachvollziehbar sind?

Das ist eine Aufgabe des Berichts, transparent zu machen, welche Meinung, welche Auffassung die Kommission vertreten hat. Vieles ist im Konsens erreicht, manches eben nicht und das soll der Bürger 100 prozentig nachvollziehen können und sich dann selbst eine Meinung bilden.

Wie stehen Sie denn zu dem Problem, dass unterschiedliche Interessen in jeder Menge vorhanden sind, und dies ist auch bei den Bürgern der Fall. Daraus ergibt sich die Frage, wenn ein Standort bestmöglich geeignet ist, welche Kompensationen wollen die Betroffenen haben. Da gibt es vermutlich auch sehr unterschiedliche Vorstellungen. Hat die Kommission hierzu in irgendeiner Weise Vorstellungen entwickelt, aus denen vielleicht Empfehlungen resultieren?

Ich denke, die Kommission ist gut beraten, wenn sie zu der Auffassung kommt. Ich denke, das wird auch geschehen, dass dieser Punkt grundsätzlich angesprochen wird und der Grundsatzgedanke dabei ist, dass Geben und Fördern zwei Seiten der selben Medaille sind. Da angemessene Wege zu finden, die auch im Sinne des Gemeinwohls sind und im Interesse der jeweils Betroffenen, ist die Aufgabe, der sich die Kommission stellen sollte. Sie sollte aber nicht Gefahr laufen, konkrete, ins Einzelne gehende Empfehlungen auszusprechen.

Sie sagen, dass die Einbeziehung des Gemeinwohls grundsätzlich zur Erzielung einer bestmöglichen Lösung erfolgen sollte. Daraus stellt sich die Frage nach dem Gemeinwohl. Betrifft das Gemeinwohl auch eine Argumentation, die auf die Mitverantwortlichkeit aller Gesellschaftsmitglieder abstellt? Oder ist das eher eine Sache von Spezialisten, Experten und Politikern?

Die Frage stellen heißt sie zu beantworten. Der Teil vor den Vota ist aus meiner Sicht die richtige Antwort. Insofern ist es ein guter Ansatz gewesen, dass sich die Kommission selbst unterschiedliche Interessen involvierend zusammengesetzt hat. Ich persönlich bin gewissermaßen selbst überrascht, dass die Zusammenarbeit konsensorientiert besser funktioniert hat als ich das am Anfang erwartet hätte.

In dem Zusammenhang darf ich Sie um Ihre Meinung zu der Aussage bitten „Es ist zu spät, um Pessimist zu sein“.

Ohne einen gewissen Grundoptimismus und Glaube an eine zukunftsfähige Lösung des Atommüllproblems bräuchten wir die Arbeit gar nicht unternehmen.

Literaturhinweise

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