Digitale Beteiligung im ländlichen Raum

Wie digitale Ansätze genutzt werden können, um Beteiligung auf dem Land zu verbessern

Simone Sterly berichtet über das Projekt „Perspektiven und Einsatzmöglichkeiten digitaler Beteiligungsverfahren in der ländlichen Regionalentwicklung“.

Frau Sterly, Sie sind die Leiterin des Projektes „Perspektiven und Einsatzmöglichkeiten digitaler Beteiligungsverfahren in der ländlichen Regionalentwicklung“ (DigiBeL). Wir wissen bereits, dass es bei DigiBeL um Beteiligung im ländlichen Raum geht, aber können Sie uns das Projekt noch etwas detaillierter vorstellen?

Die Idee für das Projekt „DigiBeL“ ist im Rahmen einer Ausschreibung des Bundesprogramms Ländliche Entwicklung und regionale Wertschöpfung (BULE+) entstanden. DigiBeL ist ein Verbundprojekt des Instituts für Kommunikations- und Medienwissenschaft (IfKMW) der Universität Leipzig und des Instituts für Ländliche Strukturforschung (IfLS) der Goethe-Universität Frankfurt am Main. DigiBeL sollte vor allem digitale Aspekte zur Bürgerbeteiligung in der ländlichen Regionalentwicklung analysieren. Innerhalb der durch das LEADER-Programm geförderten Projekte gibt es immer einen Beteiligungsprozess, sowohl in der Strategiephase als auch in der Projektauswahlphase. Das LEADER-Programm ist ein Förderinstrument der Agrarpolitik und fördert seit den 90er Jahren Projekte mit integrierter ländlicher Entwicklung. Programme mit lokalen Strukturen und strategischen Schwerpunkten können durch LEADER ein Budget erhalten. Uns hat daran interessiert, inwieweit digitale Ansätze genutzt werden, um den Beteiligungsprozess, aber auch die Schnittstellen zu verbessern. Das hat den Ausgangspunkt für DigiBeL gesetzt.

Inwiefern unterscheidet sich denn die digitale Beteiligung im ländlichen Raum von der digitalen Beteiligung in der Stadt?

Dieselbe Frage haben wir bereits bei der Abschlussveranstaltung gestellt bekommen und ich kann antworten: Das war nicht die Frage des Projekts. Wir haben uns nicht angeguckt, wie solche Prozesse im städtischen Kontext im Vergleich zu ländlichen Kontexten verlaufen. Was jedoch schon immer diskutiert wurde, ist, dass die digitale Ausstattung im städtischen Raum besser sei als im ländlichen Raum. Obwohl es hier meiner Meinung nach große Unterschiede gibt. Durch die räumliche Distanz, weil die weiten Wege wegfallen, könnten digitale Beteiligungsprozesse ein größeres Potenzial entfalten. Gleichzeitig ist es natürlich sonst auch ein etwas größerer Aufwand, durch die geringere Besiedlungsdichte, Personen zusammenzubringen oder physische Beteiligungsformate umzusetzen. Unter diesen Betrachtungspunkten kann man den digitalen Beteiligungsformaten ein großes Potenzial zusprechen. Inwieweit die digitalen Formate dann aber letztlich auch genutzt oder angenommen werden, ist eine andere Frage. Das ist abhängig von vielen unterschiedlichen Faktoren, die sich nicht unbedingt eindeutig der Stadt oder dem Land zuordnen lassen. Allerdings hat sich gezeigt, dass im Umfeld von Großstädten innovativere Formate, wie zum Beispiel Apps und Coworking Spaces, bereits genutzt werden und die umliegenden ländlicheren Räume sich eher daran orientieren.

Welche konkreten Handlungsempfehlungen für die Politik konnten Sie erarbeiten?

DigiBeL hat einige Handlungsempfehlungen hervorgebracht. Zum einen müssen die Rahmenbedingungen für digitale Beteiligung gestärkt werden. Insbesondere in der Verwaltung muss ein besseres Selbstverständnis entwickelt werden, dass Beteiligung ein wichtiger Teil ist, um Beteiligungsprozesse überhaupt erst in den Regionen zu verankern. Mit den Kompetenzen, der Verwaltungsmitarbeitenden steht und fällt so ein Beteiligungsprozess. Vor allem technische Kompetenzen und personelle Ressourcen werden hier oft zu Problemen, die unbedingt für einen erfolgreichen digitalen Beteiligungsprozess ausgemerzt werden müssen. Zusätzlich muss der Beteiligungszweck besser kommuniziert bzw. das Beteiligungsverständnis verbessert werden, denn um Beteiligungsformate sinnvoll nutzen zu können, braucht es einen konkreten Anlass bzw. klar erkennbaren Nutzen, damit man die Bürger dazu bewegen kann, die Formate zu nutzen. Ein weiterer bedeutender Aspekt, der aus dem Projekt hervorgegangen ist, betrifft die programmatischen Ansätze und die kontinuierlichen Beteiligungsprozesse in der Verwaltung oder Politik. Es wäre sinnvoll, diese beiden Ansätze langfristig besser zu verzahnen, um nicht bei jedem Beteiligungsprozess wieder von vorne beginnen zu müssen. Hier können Digitalisierungsstrategien als gutes Beispiel dienen, die besser mit anderen Strategien wie lokalen Entwicklungsprogrammen integriert und koordiniert werden sollten. Dies würde die Ressourcennutzung optimieren und eine stärkere Vernetzung zwischen den verschiedenen Akteuren im Beteiligungsprozess fördern. Durch eine solche Vernetzung könnten auch Lerneffekte an Vorbildern entstehen, was wiederum zu Kooperationen zwischen unterschiedlichen Regionen oder Verwaltungsräumen führen kann.

Können Sie uns ein Praxisbeispiel für gelungene digitale Beteiligung im ländlichen Raum mit auf den Weg geben?

Bei der Suche nach Fallbeispielen, sind wir auf einige Good-Practice-Beispiele gestoßen, zum Beispiel das Kreisentwicklungskonzept 2030 im Kreis Wunsiedel im Fichtelgebirge. Hier wurde eine digitale Beteiligungsplattform genutzt, um Handlungsfelder und Beteiligungsprozesse zu bündeln. Durch die Bündelung wurden viele Menschen und dementsprechend auch eine hohe Beteiligung auf der Plattform erreicht. Im Zuge dieses Konzeptes wurde eine App partizipativ mit den Bürgern entwickelt und programmiert.
Ein anderes Good-Practice-Beispiel, bezieht sich nicht auf eine spezielle Kommune oder ein spezielles Projekt, sondern besteht aus kleinen, kürzeren Abstimmungen jeweils zu einem konkreten Thema. Diese lassen sich gut in den Alltag der Bürgerinnen und Bürger integrieren und normalisieren so Teilhabe am politischen Geschehen. Durch häufige Abstimmungen können aufwendige Prozesse vermieden werden. Dies liegt daran, dass die Bürgerinnen und Bürger bereits vertraut und an der Partizipation interessiert sind, wodurch die Verwaltungen zu bestimmten Themen schnell klare Antworten erhalten.
Als drittes Beispiel, sind spezielle Onlineplattformen zu bestimmten Themen zu nennen, wie zum Beispiel Mängel-Melder oder Bürgerinformationen im Rahmen von Mobilität. Solche kleinen Initiativen sind gute Ansätze, um für alle möglichen Belange eine große Beteiligung zu schaffen. Es gibt noch einige andere Good-Practice-Beispiele, die sind in unserem Bericht nachzulesen.

Und zuletzt natürlich die Frage: Wie geht es jetzt mit DigiBeL weiter?

Grundsätzlich ist DigiBeL nun beendet. Aus dem Projekt heraus sind ein Handlungsleitfaden und ein Policy Brief entstanden, welche nun über verschiedene Kanäle gestreut werden. Eine weitere Veröffentlichung wurde gerade für die Ausgabe Juni 2023 der “LandInForm”, das Magazin der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Entwicklung, vorbereitet. Es ist außerdem geplant, das Projekt DigiBeL bei verschiedenen Tagungen dem Fachpersonal zu präsentieren, damit die Erkenntnisse bestmöglich genutzt werden können. Im Zuge des HeiDi Projektes ist eine Toolbox für ländliche Beteiligung entwickelt worden. Wir konnten im Austausch mit HeiDi Feedback aus unserer DigiBeL Umsetzung einbringen.

Alle weiteren Unterlagen finden Sie HIER.

Zur Person:

Simone Sterly ist seit 2007 mit Themen der Governance und Beteiligung in der Ländlichen Entwicklung in Europa am Institut für ländliche Strukturforschung e. V. befasst. Seit 2022 ist sie geschäftsführende Vorständin des Instituts.

Literaturhinweise

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Adrian Vatter; Claudia Alpiger

Evaluationskriterien zur Bewertung von regionalen Bürgerbeteiligungsverfahren Buchabschnitt

In: Jörg Sommer (Hrsg.): Kursbuch Bürgerbeteiligung #2, Verlag der Deutschen Umweltstiftung | bipar, Berlin, 2017, ISBN: 978-3942466-15-8.

Abstract | Links | BibTeX

Katja Simic

Online-Beteiligung: Das Potential von Geodaten für transparente Partizipation Buchabschnitt

In: Jörg Sommer (Hrsg.): Kursbuch Bürgerbeteiligung #2, Verlag der Deutschen Umweltstiftung | bipar, Berlin, 2017, ISBN: 978-3942466-15-8.

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Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (Hrsg.)

Dokumentation - Auswahl von Bürgervertreter/innen für das NBG zum Standortauswahlverfahren für ein Endlager für insbesondere hoch radioaktive Abfälle Forschungsbericht

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Bernd Marticke

Partizipationshaltung in Politik und Verwaltung auf Kommunal- und Länderebene Buchabschnitt

In: Jörg Sommer (Hrsg.): Kursbuch Bürgerbeteiligung #2, Verlag der Deutschen Umweltstiftung | bipar, Berlin, 2017, ISBN: 978-3942466-15-8.

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Stakeholder Panel zur Technikfolgenabschätzung (TA) beim Bundestag

Ergebnisse der Umfrage »Online Bürgerbeteiligung an der Parlamentsarbeit« Forschungsbericht

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2017.

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Stakeholder Panel TA: Ergebnisse der Umfrage "Online-Bürgerbeteiligung an der Parlamentsarbeit" Artikel

In: TAB-Brief , Bd. Nr. 48, S. 33-35, 2017.

Abstract | Links | BibTeX

Deutsche Sportjugend im DOSB e.V. (Hrsg.)

Positionspapier der dsj: Eine junge engagierte Zivilgesellschaft ist kein Selbstläufer. Online

2017.

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Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe

Abschlussbericht: Ein faires und transparentes Verfahren für die Auswahl eines nationalen Endlagerstandortes, K-Drs. 268 Forschungsbericht

Endlagerkommission 2016.

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Demos Gesellschaft für E-Partizipation

Eckdaten der Online-Konsultation Forschungsbericht

Drucksache 18(16)426 des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit 2016.

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