Erfolgreiches Volksbegehren gegen Massentierhaltung

Foto: BI Müncheberg und Aktion Zukunft Müncheberg via flickr.com, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Am 19. April 2016 nahm der Brandenburger Landtag die Forderungen des Volksbegehren gegen Massentierhaltung im Rahmen eines Kompromisspapiers in veränderter Form an. Dieser Beschluss ist für das Aktionsbündnis Agrarwende Berlin-Brandenburg nach zwei Jahren Kampagne ein großer Erfolg.

Wer steckt hinter dem Volksbegehren?

Das Aktionsbündnis Agrarwende Berlin-Brandenburg ist eine Initiative der ökologischen Anbauverbände, der Tier-, Natur- und Umweltschutzverbände, der Verbraucherorganisationen und Bürgerinitiativen Berlin-Brandenburgs. Das Bündnis wird von insgesamt 50 Organisationen getragen und setzt sich für verbesserte Tierhaltungsbedingungen und Tierschutz in Brandenburgs Landwirtschaft ein. Die Unterzeichner des Volksbegehrens forderten den Landtag dazu auf, alle rechtlichen Möglichkeiten zu nutzen, um die Ausbreitung der Massentierhaltungsanlagen in Brandenburg zu unterbinden.

Worum geht es?

Massentierhaltung bezeichnet eine intensive Form der Tierhaltung mit einer hohen Anzahl von Tieren auf engem Raum, die ohne Anbindung an eine entsprechende Acker- oder Weidefläche gehalten werden. Sie gefährdet eine intakte Umwelt und die menschliche Gesundheit, da bei der Tierhaltung in diesem Fall große Mengen Schadstoff (Ammoniak, Nitrat) ausgestoßen werden. Aufgrund der zunehmenden Anzahl von Neuanträgen für den Bau von Massentierhaltungsanlagen haben sich in Brandenburg zahlreiche Bürgerinitiativen gegründet, wie der Seite Volksbegehren Massentierhaltung zu entnehmen ist. 

Was wurde politisch erreicht?

In insgesamt fünf Gesprächsrunden mit der Regierungskoalition aus SPD und LINKE gelang es den Vertretern des Aktionsbündnis Agrarwende Berlin-Brandenburg drei von vier Forderungen des Volksbegehrens durchzusetzen. Der Beschluss kennzeichnet das Startsignal für die Agrarwende und mehr Tierwohl: „Der Kompromiss ist ein kleiner Durchbruch zu einer nachhaltigen Landwirtschaft“, so Michael Wimmer vom Aktionsbündnis Agrarwende, der das Volksbegehren initiiert hatte, gegenüber rbb-online. Auch die CDU begrüßte die Einigung: „Wir sind davon überzeugt, dass es damit insgesamt zu einer deutlichen Verbesserung des Tierwohls kommen wird“, sagte der verbraucherpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Henryk Wichmann auf rbb-online.

Wie der Seite Meine Landwirtschaft zu entnehmen ist, sind die zentralen Elemente der Einigung:

  • Erarbeitung eines Landestierschutzplans als Maßnahmeprogramm zur Verbesserung der Tierhaltungsbedingungen mit dem Ziel der Umsetzung des Kupierverbots bis 2019 und der Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes
  • Berufung eines hauptamtlichen unabhängigen Landestierschutzbeauftragten. Dieser soll Initiativen zum Tierwohl entwickeln, kann Missständen nachgehen und ist Ansprechpartner für Bürger und Verbände. Bei Genehmigungsverfahren für Stallbauten nach obligatorischer Umweltverträglichkeitsprüfung ist er außerdem berechtigt, Stellungnahmen abzugeben
  • Einbau von Filtersystemen für große Schweinemastställe (ab 10.000 Mastschweinen) in Alt- und Neuanlagen zur Reinigung der Abluft hinsichtlich Geruch bzw. Emissionen
  • Einschränkungen der Agrarinvestitionsförderung, sodass sehr große Mastanlagen weniger oder gar nicht mehr gefördert werden
  • Verschärfungen bei Düngeverordnung, Immissionsschutzrecht und Arzneimittelgesetz im Sinne des Natur-, Umwelt- und Gesundheitsschutzes
  • Bis Ende 2016 soll geprüft werden, wie kommunale Einflussmöglichkeiten und Bürgerbeteiligung im Zusammenhang mit der Genehmigung von Tierhaltungsanlagen gestärkt werden können
Ein Verbandsklagerecht gegen die Genehmigung neuer Mastanlagen für anerkannte Tierschutzverbände konnte jedoch nicht durchgesetzt werden, hierfür wird sich das Aktionsbündnis aber weiterhin einsetzen. Zukünftig wird das Bündnis zudem die konkrete Umsetzung der Beschlusselemente kritisch begleiten und sich an der Erarbeitung des Landestierschutzplans beteiligen.

Bauernverband warnt vor Existenzbedrohung der Landwirte

Der Landesbauernverband Brandenburg e.V. reagiert verärgert auf den „faulen Kompromiss“ des Brandenburger Landtags, in dessen Debatte die Landwirte nicht mit einbezogen wurden. Laut Positionspapier des LBV Brandenburg werden durch den Beschluss die Förderungen landwirtschaftlicher Modernisierung ausgebremst und die Kosten für Genehmigungen von Modernisierungen weiter steigen. Landwirtschaftliche Produkte aus Brandenburg leiden unter einer verminderten Wettbewerbsfähigkeit. Darüber hinaus kritisiert der LBV Brandenburg, dass der Einbau von Filtersystemen in großen Schweinemastställen finanziell nicht gefördert wird. Die Kostenbelastung für den Einbau von Filtern ist für die Landwirte erheblich. Ansätze zur Verbesserung der regionalen Verarbeitungsmöglichkeiten und des regionalen Absatzes wurden vom Brandenburger Landtag nicht aufgegriffen. Die Politik setze somit in einer ohnehin strukturschwachen Region Arbeitsplätze und die Existenz der Landwirte aufs Spiel. Der LBV Brandenburg hätte sich die Präsentation eines eigenen Entwurfs von den Fraktionen gewünscht. „Die Stimmung in den Betrieben ist sehr angespannt! Noch nie stand die Landwirtschaft in Brandenburg vor solchen existenzbedrohenden Problemen! Jetzt muss die Politik handeln!“, sagte Holger Brantsch, Pressesprecher des LBV Brandenburg.

Fazit

Die Ausführungen zeigen einmal mehr, dass es bei der Auseinandersetzung mit Fragen des Tierschutzes und der artgerechten Tierhaltung nicht nur um das Tierwohl geht, sondern auch soziale, ökologische und ökonomische Faktoren auf die Ausgestaltung der Landwirtschaftspolitik wirken. Vor diesem Hintergrund droht sich der Konflikt zwischen Kritikern der gegenwärtigen Landwirtschaftsstruktur sowie Tierschützern einerseits und Landwirten andererseits in den nächsten Jahren eher zu verschärfen denn zu entspannen.

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