Früh übt sich
Am 26. September 2021 findet die Wahl des 20. Bundestags statt. In der Wahrnehmung vieler Menschen in Deutschland stellt der Gang zur Urne in den Wahlbüros immer noch die vorrangige politische Teilhabeform dar. Doch insbesondere auf kommunaler Ebene hat es in den letzten Jahren einen starken Anstieg deliberativer Beteiligungsangebote gegeben. Bürger*innen kommen in Dialogformaten zusammen, bringen ihre Präferenzen sowie Sichtweisen ein und erarbeiten gemeinsam Empfehlungen für die Entscheidungsträger*innen aus Politik und Verwaltung.
Die Erfahrungen zeigen jedoch, dass die Beteiligungsangebote von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen ungleich wahrgenommen werden. Dafür gibt es diverse Gründe: Sie reichen von fehlendem Informationszugang über unzureichende Ressourcenausstattung bis hin zu dem Gefühl, nicht über die notwendigen Kompetenzen zu verfügen. Letztere umfassen ein ganzes Bündel an Fähigkeiten, das es Menschen erlaubt, sich selbstbewusst in den argumentativen Austausch mit anderen Personen zu begeben. Zu diesen Kompetenzen gehören unmittelbar die Lese- und Schreibfähigkeit, doch ebenso auch Argumentieren, Zuhören, kausales Denken oder Empathie. Die Kompetenzentwicklung erfolgt dabei einerseits über die Vermittlung von Inhalten im Rahmen der herkömmlichen Bildung, jedoch andererseits über deren Anwendung: Denn Partizipation und das Gefühl der Selbstwirksamkeit müssen erlebbar sein und praktiziert werden – am besten so früh wie möglich und dauerhaft. Vielerorts werden daher vor allem auf kommunaler Ebene Jugendbeteiligungsverfahren aufgesetzt. Drei interessante Beispiele zeigen wir Ihnen nachfolgend.
8er-Rat
In Freiburg wird seit 2015 jährlich aus achten Klassen ein 8er-Rat gebildet. Im baden-württembergischen Lehrplan ist für diese Schulstufe das Thema „Politik in der Kommune“ als ein Schwerpunkt im Politikunterricht vorgesehen. Daher bietet es sich an, das Format an dieser Stelle anzudocken. Der 8er-Rat teilt sich innerhalb des Jahres in vier Schritte auf: Schritt 1 sieht eine theoretische Einführung und Vorbereitung in das Themengebiet im Rahmen des Politikunterrichts vor. Der zweite Schritt besteht aus schulübergreifenden Tagungen zur Vernetzung und zur Diskussion von Ideen und Themenvorschlägen. Daraufhin werden die Ergebnisse dieser Konferenzen in die kommunale Politik getragen und mit dieser diskutiert (3. Schritt). In einer abschließenden Veranstaltung werden schließlich die Ergebnisse besprochen und evaluiert.
Schülerhaushalte
Während beim 8er-Rat die Entwicklung von Vorschlägen für die kommunale Politikgestaltung sowie der Austausch zwischen junger Bürgerschaft und kommunalen Entscheidungsträger*innen im Vordergrund steht, geht das Konzept der Schülerhaushalte noch einen Schritt weiter: In einem wichtigen lebensweltlichen Bereich können Jugendliche über die Verwendung von Finanzmitteln entscheiden. Das Verfahren fördert nicht nur in hohem Maße das Gefühl der Selbstwirksamkeit, sondern trägt auch zu einer präferenzorientierten Mittelverwendung bei, wie das nachfolgende Beispiel aus dem niedersächsischen Wennigsen zeigt.
Creative Change
Die Entwicklung einer partizipativen, offenen und empathischen Grundhaltung steht bei den Projekten des Vereins Creative Change im Vordergrund. Dazu wird auf die Kreativität und die Wirkung der Kunst gesetzt. Durch die gemeinsame und offen gestaltete Reflexion mit den Teilnehmenden im Anschluss an kurze Theaterszenen können Probleme auf kreative Art und Weise diskutiert und potentielle Lösungen gemeinsam gefunden werden.
Fazit
Die vorgestellten Beispiele sind nur ein kleiner Ausschnitt der vielfältigen Möglichkeiten, wie junge Menschen partizipatorische Kompetenzen entwickeln und Teilhabe erleben können. Zu denken ist an dieser Stelle auch an Planspiele wie Pimp your Town! von Politik zum Anfassen e.V. oder die Brandenburger Jugendbudgets. Jugendbeteiligung fördert dabei nicht nur die Diskurskompetenzen junger Menschen. Sie bietet eine Chance zur dauerhaften Politisierung und Stärkung unserer politischen Kultur, denn in Anlehnung an den ersten Reichspräsidenten der Weimarer Republik Friedrich Ebert: Demokratie braucht junge Demokrat*innen.