Der Wunsch nach Wirksamkeit

Warum und wie wir partizipieren

Was eint alle Bürger*innen, die versuchen, politisch zu partizipieren? Die Intention, etwas bewirken zu wollen. Das ist zentral, um zu verstehen, warum und besonders wie Menschen politisch aktiv werden.

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Es gibt vielfältige Formen politischer Partizipation; von Demonstrationen über die Mitgliedschaft in einer Partei bis hin zum bewusstem, politischen Konsumverhalten. Sie alle haben gemein, dass Bürger*innen bei Ausübung dieser Formen der gesellschaftlichen Teilhabe den Willen haben, damit etwas zu bewirken, einen Unterschied zu machen.

Politische Selbstwirksamkeit

Zu der Frage, wie und warum Menschen politisch partizipieren, wird viel geforscht. Dabei werden besonders Faktoren wie politisches Interesse, Sozialisation und Erfahrungen bezüglich der Selbstwirksamkeit hervorgehoben. Selbstwirksamkeit hat dabei zwei Dimensionen (siehe beispielsweise hier):

Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, politische Sachverhalte zu verstehen, sich eine eigene Meinung zu bilden und politisch partizipieren zu können (interne Selbstwirksamkeit). Hier spielen sowohl Wissen in Form politischer Bildung als auch Selbstvertrauen eine wichtige Rolle.

Die zweite Dimension ist die Wahrnehmung von Responsivität der Politik bezüglich des eigenen, politischen Handelns. Also die Erwartung, durch das eigenen Handeln einen Effekt auf politische Prozesse oder Ergebnisse zu erzielen oder zumindest von der Politik gehört und ernst genommen zu werden (externe Selbstwirksamkeit). Negative Erfahrungen bezüglich der (externen) Selbstwirksamkeit können beispielsweise Politikverdrossenheit auslösen, weil Bürger*innen den Glauben daran verlieren, dass sich politische Amtsträger*innen für ihre Meinungen und Bedürfnisse interessiert und dass sie einen Einfluss auf politische Entscheidungen haben.

Selbstwirksamkeitserfahrungen können also als Erklärungsfaktor für die Frage dienen, warum Menschen politisch partizipieren oder nicht. Insbesondere Erfahrungen in Verbindung mit der externen Selbstwirksamkeit können sehr relevant für die Frage sein, wie Menschen politisch partizipieren. Haben Bürger*innen den Willen, politisch etwas zu bewegen, werden sie wahrscheinlich nicht auf Instrumente zurückgreifen, die sich für sie als ineffektiv erwiesen haben. Aus diesem Grund ist es wichtig, auf qualitativ hochwertige Beteiligungsformate zu achten, die das Wirksamkeitsgefühl der Teilnehmenden positiv beeinflusst.

Gute Bürgerbeteiligung

Zur Frage, wie gute Bürgerbeteiligung gelingen kann, hat die Allianz Vielfältige Demokratie vor einigen Jahren eine Broschüre entwickelt, die an Aktualität nicht eingebüßt hat. In dieser sind zehn zentrale Grundsätze für die Qualität von Bürgerbeteiligung festgehalten. Besonders relevant für das Selbstwirksamkeitsempfinden von Teilnehmenden sind dabei drei Grundsätze:

Erstens braucht gute Bürgerbeteiligung klare Ziele und Mitgestaltungsmöglichkeiten. Das beinhaltet die zentralen Fragen, mit welchem Ziel ein Bürgerbeteiligungsformat durchgeführt wird und welche Themen diskutiert werden sollen und welche Themen nicht zur Debatte stehen.

Zweitens sollte gute Bürgerbeteiligung frühzeitig beginnen und alle Beteiligten verpflichten. Hierunter fällt unter anderem, wie mit erarbeiteten Ergebnissen umgegangen werden soll, welche Handlungsspielräume diesbezüglich bestehen und inwiefern Verantwortliche den Beteiligten gegenüber Rechenschaft ablegen wollen.

Drittens basiert gute Bürgerbeteiligung auf Transparenz und verlässlichem Informationsaustausch. Dazu gehört eine sachliches und verständliches Informationsangebot über das Verfahren sowie über die behandelten Themen.

Darüber hinaus zeigt das demnächst erscheinende KURSBUCH BÜRGERBETEILIGUNG #5 mit vielen theoretischen Perspektiven und praktischen Beispielen, wie gute Bürgerbeteiligung gelingen kann.

Ziviler Ungehorsam ist politische Partizipation

Auch ziviler Ungehorsam kann als Form politischer Partizipation begriffen werden, mit welcher Bürger*innen versuchen, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. In Zeiten, in denen Formen zivilen Ungehorsams an Popularität gewinnen, sollte hinterfragt werden, warum sich viele Menschen gerade dieser Form der politischen Partizipation bedienen. Eine These könnte hier sein, dass diese Bürger*innen nicht (mehr) glauben, über die klassischen politischen Wege ihre Ziele erreichen zu können, weil sie dort geringe Selbstwirksamkeit erfahren haben. Wer möchte, dass Aktivist*innen zurück in die etablierten politischen Institutionen kommen, muss die Menschen von diesen überzeugen. Gute Bürgerbeteiligung kann hier eine Lösung bieten.

Alle Arten der Partizipation eint, dass Menschen damit etwas politisch bewirken wollen. Die Auswahl der Partizipationsform hängt aber unter anderem davon ab, wo Bürger*innen glauben, am ehesten politisch wirksam handeln zu können. Natürlich kann man den Personen und ihren Zielen die Schuld dafür geben, dass sie die klassischen demokratischen Institutionen meiden. Möglicherweise muss man aber auch fragen, ob es nicht an den Institutionen liegt, dass einige dort nicht ausreichend Selbstwirksamkeit verspüren, um diesen Weg langfristig zu wählen.

Literaturhinweise

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Stefanie Lütters

Soziale Netzwerke und politische Partizipation. Eine empirische Untersuchung mit sozialräumlicher Perspektive Buch

2022, ISBN: 978-3-658-36753-4.

Abstract | Links | BibTeX

Christian Huesmann, Anna Renkamp, Wolfgang Petzold

Europa ganz nah: Lokale, regionale und transnationale Bürgerdialoge zur Zukunft der Europäischen Union Forschungsbericht

Bertelsmann Stiftung Gütersloh, 2022.

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'Berlin Institut für Partizipation' (Hrsg.)

Bürgerbudgets in Deutschland. Formen, Bedeutung und Potentiale zur Förderung politischer Teilhabe und bürgerschaftlichem Engagements Forschungsbericht

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Impacts of Participatory Budgeting on Civil Society & Political Participation Forschungsbericht

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Christopher M. Brinkmann

Crossmediales Wissensmanagement auf kommunaler Ebene: Bürgerbeteiligung, Netzwerke, Kommunikation Buch

2021, ISBN: 978-3-658-35879-2.

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Nicole Najemnik

Frauen im Feld kommunaler Politik. Eine qualitative Studie zu Beteiligungsbarrieren bei Online-Bürgerbeteiligung Buch

2021, ISBN: 978-3-658-34040-7.

Abstract | Links | BibTeX

Arne Spieker

Chance statt Show – Bürgerbeteiligung mit Virtual Reality & Co. Akzeptanz und Wirkung der Visualisierung von Bauvorhaben Buch

2021, ISBN: 978-3-658-33081-1.

Abstract | Links | BibTeX

Jan Abt, Bianka Filehr, Ingrid Hermannsdörfer, Cathleen Kappes, Marie von Seeler, Franziska Seyboth-Teßmer

Kinder und Jugendliche im Quartier - Handbuch und Beteiligungsmethoden zu Aspekten der urbanen Sicherheit Forschungsbericht

2021, ISBN: 978-3-88118-679-7.

Abstract | Links | BibTeX

Peter Patze-Diordiychuk; Paul Renner (Hrsg.)

Methodenhandbuch Bürgerbeteiligung - Moderationsphasen produktiv gestalten Buch

oekom verlag, München, 2019, ISBN: 978-3960061724.

Abstract | Links | BibTeX

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