Eine Frage der Wirksamkeit

Neues Buch von Jörg Sommer erschienen

Das neue Buch des bipar-Direktors Jörg Sommer diskutiert u.a. die Frage, warum Beteiligung Veränderung befördern muss, wenn sie erst gemeint ist.

Es rumpelt in unserer Demokratie. Und das ist gut so. Denn Demokratie ist, sagt Jörg Sommer, Direktor des Berlin Institut für Partizipation, kein Wahlverfahren, sondern eine Gesellschaftsform. Vor allem aber: „Ein System, dass Veränderung nicht nur ermöglich, sondern fördert – und benötigt“. Diese Veränderungen gelingen in demokratischen Gesellschaften nicht konfliktfrei, aber friedlich. Damit das gelingt, brauchte es zwei Dinge: Werte und Wirksamkeit.

Seit Anfang 2020 publiziert Jörg Sommer den viel beachteten wöchentlichen Newsletter demokratie.plus. Alle Ausgaben des Jahres 2021 sind in diesem Band gesammelt: 52 Briefe zur Demokratie, die zahlreiche Aspekte und Entwicklungen unseres politischen Systems pointiert erklären, kritisch hinterfragen und innovative Vorschläge präsentieren.

Wir dokumentieren hier das Vorwort. Das Buch ist ab sofort über den stationären Buchhandel zu beziehen, aber auch bei einschlägigen Versendern und portofrei hier über unser Institut erhältlich.

Hier finden Sie alle bibliografischen Informationen und eine Bestellmöglichkeit.

Aus dem Vorwort

Als ich Anfang 2020 relativ spontan mit einem wöchentlichen Newsletter startete, machte ich so ziemlich alles falsch, was man aus Sicht von Marketing-Expert*innen falsch machen konnte.

Ich wählte mit Demokratie ein Thema, mit dem sich in unserem Land erstaunlich wenige Menschen intensiv beschäftigen. Die Zielgruppe war also relativ klein, die Marktnische überschaubar. Denn Demokratie ist im Verständnis der breiten Öffentlichkeit irgendwie „eh da.“ Sich aktiv für sie einzusetzen, ist vergleichsweise unpopulär. Und gleichzeitig nicht ungefährlich.

Demokratie ist zugleich ein Thema, bei dem bei dem an sich schneller einen Shitstorm einhandelt, als man „Bundesratspräsidentenbüro“ buchstabieren kann. Demokratieverächter und -gegner*innen gibt es nicht wenige in unserem Land. Sie sind laut und in den sozialen Medien gut organisiert.

Doch das war längst nicht alles: Mit Vorliebe beschäftige ich mich in meinen Texten mit scheinbar populären Kurzschlüssen, die nicht nur in Boulevard-Medien immer wieder zu lesen sind: Politiker sind faul, das Parlament zu groß, die Diäten zu hoch, Bürgerbeteiligung nur ein Narkotikum. Lustvoll arbeitete ich mich an diesen Vorurteilen ab, wohl wissend, dass es einem mehr Sympathien bringt, solche Positionen wiederzukäuen, statt sie zu widerlegen.

Daraus resultieret dann der nächste Fehler: Für einen Newsletter sind die Texte ungefähr zehn mal zu lang, sagten mir Marketing-Expert*innen. Niemand will einen Newsletter lesen, für den man Minuten braucht. Und öfter innehalten und nachdenken muss. Es konnte also nicht funktionieren.

Deshalb versuchte ich es.

Zwölf Ausgaben wollte ich mir gönnen. So viele Themen sollten sich finden lassen. Sollten die Reaktionen dann überwiegend negativ sein, oder, was wahrscheinlicher war, sich kein Mensch dafür interessieren, wollte ich das Experiment beenden.

Die Resonanz war allerdings ganz anders als erwartet: Es gab vom Start weg viel Sympathie, auch Widerspruch, Kritik, Unmengen von Zuschriften engagierter Leser*innen. Vor allem aber eine rasant steigende Zahl von Abonnent*innen.

Heute, Im Frühjahr 2022 geht die Reise noch immer weiter. Über 120 Ausgaben sind bislang erschienen. Ein Ende ist nicht abzusehen. Überraschenderweise wächst die Liste möglicher Themen nach wie vor Monat für Monat immer noch an. Denn gerade mal einem Newsletter pro Woche stehen bis zu einem Dutzend Vorschläge und Inspirationen aus dem Kreis der Leser*innen gegenüber.

Auch deren Zahl steigt noch immer. Seit Anfang 2022 gibt nicht nur jeden Donnerstag eine neue Ausgabe des Newsletters, sondern auch am folgenden Sonntag die vertonte Fassung als Podcast. Auf der Webseite demokratie.plus sind alle jemals erschienenen Ausgaben zu finden. Jeden Monat gibt es Tausende von Zugriffen. Seit wenigen Wochen erscheint der Newsletter auch parallel auf der deutschen Seite des weltweit größten professionellen Netzwerks LinkedIn – und hat sich dort bereits in den Top Ten der wöchentlichen Newsletter platziert.

Der Newsletter bleibt werbefrei, Geld ist damit nicht zu verdienen. Und doch ist jeder Donnerstag der Tag der Woche, auf den ich mich besonders freue – und das geht offensichtlich auch vielen Leser*innen so.

Die ersten 52 Newsletter konnte ich im vergangenen Jahr im Republik Verlag als Taschenbuch veröffentlichen. Und auch diese Buchpublikation verkaufte sich besser als erwartet. Die Einnahmen fließen übrigens vollständig in die Arbeit des Berlin Institut für Partizipation, und das hat noch viele Studien und Projekte in der Pipeline.

Deshalb freue ich mich, mit diesem Band nun den vollständigen zweiten Jahrgang von demokratie.plus vorlegen zu können. Alle Ausgaben des Jahres 2021 finden sich vollständig in chronologischer Reihenfolge, nur leicht redaktionell bearbeitet, um den Lesefluss zu fördern.

Möglich war dies nur dank zahlreicher Unterstützer*innen. Ich danke den Mitarbeiter*innen des Berlin Instituts für Partizipation, ganz besonders Bernd Marticke, ohne dessen Beitrag dieses Buch so nicht möglich gewesen wäre. Ich danke unseren über 150 assoziierten Mitgliedern, die ebenso wichtige Impulse gaben und geben.

Ganz besonders danke ich allen Leser*innen für Ihre Treue, insbesondere aber auch für ihre Anmerkungen, ihre Motivation und natürlich ganz besonders für ihre Kritik. Diese Kritik ist es, die mir dabei hilft, Ausgabe für Ausgabe besser zu werden.

Das ist letztlich auch das Prinzip, nach dem Demokratien funktionieren. Denn Demokratie ist kein Wahlverfahren, sondern eine Gesellschaftsform. Vor allem aber: Ein System, dass Veränderung nicht nur ermöglich, sondern fördert – und benötigt.

Diese Veränderungen gelingen in demokratischen Gesellschaften nicht konfliktfrei, aber friedlich. Damit das gelingt, brauchte es zwei Dinge: Werte und Wirksamkeit. Sie sind immer wieder Thema in den einzelnen Ausgaben – und deshalb auch Titel dieser zweiten Buchausgabe.

Lassen wir uns überraschen, wie viele noch folgen.

Jörg Sommer
Berlin, Frühjahr 2022