Berliner direkte Demokratie: progressiv aber verbesserungswürdig

Foto: Uwe Hiksch via flickr.com , Lizenz: CC BY-SA 2.0

Die Bürgerinitiative „Berliner Mietervolksentscheid“ hatte in den vergangenen Monaten mehr als 40 000 Unterschriften für einen Volksentscheid gesammelt, quasi doppelt so viele wie nötig: 20.000 gültige Stimmen wären ausreichend gewesen. Die Hauptforderung: ein Gesetz für bezahlbare Mieten im sozialen Wohnraum in Berlin. Zu diesem Erfolg teilte die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus Antje Kapek mit: „Der Senat muss jetzt ergebnisorientierte Gespräche mit den Initiatoren des Volksbegehrens aufnehmen. Lippenbekenntnisse und Placebo-Maßnahmen reichen nicht aus“.

Seit Abgabe der Unterschriften Ende Juni wurden Gespräche zwischen den verschiedenen Parteien, den zuständigen Senatsverwaltungen und dem Mieterbündnis geführt. Die Berliner SPD habe sich laut verschiedenen Medien mit dem Mietenbündnis auf einen Kompromiss geeinigt. Das Gesetz soll am 8. Oktober ins Abgeordnetenhaus eingebracht werden, Mitte November beschlossen und zum 1. Januar 2016 umgesetzt werden.

Allerdings scheinen die Initiatoren des Volksbegehrens viel zurückhaltender zu sein. Auf die Internetseite der Bürgerinitiative ist zu lesen: „Wir werden nun in Ruhe die Erarbeitung des Gesetzesentwurfes abwarten […] und diesen dann bewerten. Erst wenn das Gesetz vom Abgeordnetenhaus beschlossen wurde […], werden wir darüber entscheiden, ob damit wesentliche Inhalte unseres Volksentscheides erfüllt sind oder nicht. Bis dahin werden wir den Volksentscheid nicht zurückziehen.“

„Erst wenn das Gesetz vom Abgeordnetenhaus beschlossen wurde […], werden wir darüber entscheiden, ob damit wesentliche Inhalte unseres Volksentscheides erfüllt sind oder nicht. Bis dahin werden wir den Volksentscheid nicht zurückziehen.“

Und was passiert wenn die Berliner, die am Volksbegehren beteiligt waren und unterschrieben haben, mit dem Gesetz nicht einverstanden sind? Obwohl das Mietenbündnis betont, dass die von der SPD vorgeschlagenen Maßnahme große Teile der Inhalte übernehmen, will die Bürgerinitiative eine öffentliche Debatte und somit einen Raum für die Reaktionen der Beteiligten über den Inhalt des Gesetzes eröffnen. Zurzeit findet die öffentliche Diskussion nicht statt, und nur minimale Änderungen dürfen vorgenommen werden, um Zulässigkeitsmängel zu beheben, bevor das Gesetz auf dem Tisch des Abgeordnetenhauses liegt. Die Erfahrung in Hamburg zeigt aber, dass das Verfahren tatsächlich flexibler sein könnte. Dort dürfen die Initiatoren von Volksbegehren inhaltliche Änderungen im Gesetz vornehmen, sofern sein Grundcharakter und seine Zielsetzung bestehen bleiben. Ein noch weiter entwickeltes demokratisches Verfahren wäre die Möglichkeit, mit einem geänderten Gesetzentwurf in die zweite Stufe des Volksbegehrens zu gehen.

Diese Forderungen zu stellen würde den demokratischen Anspruch des Mietenbündnis noch voranbringen … 

 

Literaturhinweise

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