Bericht Grüne Zukunftswerkstatt Klimaschutz

Foto: Archiv

Autor: Cécile Marchand

Am 5. Oktober 2015 fand eine von Bündnis 90/Die Grünen organisierte Zukunftswerkstatt zum Thema Klimaschutz im Hinblick auf den Klimagipfel in Paris statt. Ziel war es, mit klimapolitisch relevanten Akteur/innen in den Dialog zu kommen über mögliche Entwicklungspfade bis zum Jahr 2050.

Das Spektrum der Teilnehmenden war relativ breit: Jugendliche Mitglieder der Klimareporter AG der Schule Leonardo da Vinci in Potsdam, Vertreter aus Wirtschaft, Regional- und Kommunalpolitik, Entwicklungspolitik, Wissenschaft,  und aus der Umweltbewegung … Alle Teilnehmenden waren jedoch beruflich oder im Rahmen intensiven Engagements mit dem Thema Klimaschutz beschäftigt. Laien gab es, abgesehen von den Schülern kaum. Persönlich war ich von der Anzahl an jungen Leute positiv überrascht.

Die Begrüßung von Annalena Baerbock, Sprecherin der Grünen für Klimapolitik, fand ich spannend und vor allem thematisch passend für eine Klimawerkstatt. Sie gab eine Einführung zur Veranstaltung, erläuterte das Ziel und den Ablauf des Tages. Das Ziel erschien mir allerdings sehr vage, da keine Ergebnissicherung vorgesehen war. Die Partei wolle mit uns in den Dialog kommen, und dies mithilfe einer innovativen Methode der Zukunftsforschung, aber wofür? Was wird konkret mit den Ergebnissen der Zukunftswerkstatt gemacht? Werden die Teilnehmenden in Zukunft Feedback bekommen? Diese Fragen blieben unbeantwortet…

Zudem habe ich der Vortrag des Fraktionsvorsitzenden Anton Hofreiter als unpassend empfunden. Ist eine politische Stellungnahme legitim als Eröffnungsvortrag für eine Zukunftswerkstatt? Sollte sich diese nicht die Vision der Teilnehmenden beschränken?

Für den ersten Workshop wurden Gruppen von 25 Leuten gebildet, unabhängig von ihren Interessen. Es wurden 4 verschiedenen Szenerien vorgestellt, die in Zusammenarbeit mit Organisation wie z.B BUNDJugend entwickelt worden waren.

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Die Methode war folgende: die Teilnehmenden hören sich die vier verschiedenen Szenerien an und äußern sich anschließend zu jedem Szenario: was löst dieses Szenario bei mir aus? Wie reagiere ich darauf? In meiner Gruppe äußerten sich fast alle Teilnehmenden. Natürlich jede und jeder zu den Themen, von denen sie sich am meisten betroffen fühlten. Die Beteiligungsquote war sehr hoch, die Szenerien haben viele Reaktionen ausgelöst! Der Versuch der Moderatorin das Gleichgewicht zwischen den Teilnehmenden herzustellen, damit Frauen und Jugendliche sich auch äußern, war erfolgreich. Dennoch hatte ich mir eine Zukunftswerkstatt eigentlich anders vorgestellt. Ich hatte erhofft, dass jede Gruppe ein oder mehrere Szenerien selbst bearbeitet. Natürlich hätte dies viel mehr Zeit gebraucht, aber auch viel mehr gedanklichen Freiraum geschaffen. Die Frage am Schluss der Arbeitsphase, welches Szenario wir uns wünschen, konnte ich nur mit Schwierigkeiten beantworten. Ich wünsche mir eigentlich ein anderes Szenario als das Szenario der globalen Transformation, wie es vorgestellt wurde. Bei den Szenarien hatte ich den Eindruck, ohnmächtig zu sein, da meine Zukunft in großen Teilen von Entscheidungen abhängt, auf die ich keine Einfluss haben kann. Die Macht des gesellschaftlichen Wandels wurde in allen Szenarien unterschätzt und die Erwartungen an die Politik dafür stark hervorgehoben. Ich meine: Wenn man die pessimistischen Szenerien verhindern möchte, sollte genau diese Art von Werkstätten Empowerment schaffen, und nicht Ohnmacht … 

Am Nachmittag fand die zweite Arbeitsphase statt: Nach dem Blick in der Zukunft ging es nun zurück in der Gegenwart. Es ging los mit mehreren Workshops zu den Bereichen Dekarbonisierung der Wirtschaft und der Industrie, Finanzierung der Klimaneutralität, Energiewirtschaft, Kommunal – Stadt- und Regionalplanung, Mobilität, Land- und Forstwirtschaft, Frieden und Sicherheit, Entwicklungszusammenarbeit und Migration, für die sich die Teilnehmenden während der Anmeldung bereits eingeschrieben hatten. Diese Workshops sollten die Diskrepanz zwischen unseren (vorgekauten) Zukunftswünsche und dem „Stand der Dinge“ aufzeigen. Es galt folgende Frage zu beantworten „Welche Hürden gibt es in dem Bereich für den Wandel zur klimagerechten Gesellschaft und welche Lösungsansätze könnten diese Hürden bewältigen ?

Im Workshop „Mikro-Klima: Herausforderungen für Kommunen, Stadt- und Regionalplanung“, an dem ich teilgenommen habe, war die Diskussion spannend und fruchtbar aber leider nicht wirklich inklusiv. Er wurden viele Fachbegriffe benutzt und die Diskussion wurde von Menschen, die sich mit dem Thema im Rahmen ihres Arbeitslebens beschäftigen, dominiert. Ich konnte mich aufgrund meiner Berufserfahrung in diesem Bereich beteiligen. Für diejenigen, die am Thema Interesse, aber keine konkreten Erfahrung hatten, war eine Beteiligung quasi unmöglich.

Die Vorstellung der Ergebnisse im Plenum wurde von der Meinung der „Critical Friends“ zu der dargestellten Hürden und Lösungsansätzen ergänzt werden. Die Jugendlichen aus Potsdam sollten diese Rolle übernehmen. Einige haben diese Rolle hervorragend übernommen, für andere war es nicht so einfach. Wenn das Diskussionsniveau in jedem Workshop so hoch war wie in meinem, kann ich nachvollziehen, dass sich Jugendliche innerhalb einer halben Stunde keine Meinung zu den Ergebnissen bilden können. Beteiligung ist kein einfacher Prozess: Man kann nicht einfach davon ausgehen, dass Bandbreite der Akteur/innen und Diskussionsraum ausreichende Grundlagen für ein inklusives und emanzipatorisches Beteiligungsverfahren sind. Vielleicht war das auch nicht das Ziel des Tages …

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Der Herbst der "Wutbürger": Soziale Kämpfe in Zeiten der Krise Sammelband

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