Interviewreihe: Meinungen zur Endlagerkommission (4)

Foto: stevebustin via Flickr.com, Lizenz: CC BY-ND 2.0

Auf Basis des Standortauswahlgesetzes erarbeitet seit nun mehr knapp zwei Jahren die Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ einen Empfehlungsbericht für die Legislative, wie ein Suchverfahren für einen nationalen Endlagerstandort für hoch radioaktive Abfälle gestaltet werden könnte. Dazu fand am letzten Aprilwochenende eine zweitägige Bürgerkonsultation statt, über die der Bblog an anderer Stelle berichtet hat. Zudem widmet sich die aktuelle Ausgabe von ginkgo.tv der Veranstaltung in Form von Ablauf-Impressionen.

Prof. Dr. Schluchter – früherer Lehrstuhlinhaber an der BTU Cottbus und Entwickler des Triplex Konzepts für Partizipation – hat im Rahmen der Veranstaltung Interviews sowohl mit anwesenden Kommissionsmitgliedern als auch interessierten Bürgerinnen und Bürgern geführt, die wir Ihnen nicht vorenthalten möchten und in einer Reihe von Blogbeiträgen in den nächsten Tagen in der Rubrik Praxis veröffentlichen. Um Ihnen einen unvoreingenommen Eindruck von der Vielschichtigkeit der Teilnehmermeinungen zu erlauben, verzichten wir dabei auf jede Kommentierung und inhaltliche Einordnung.


Interview mit einer Teilnehmerin

Sind Ihre Erwartungen an die Konferenz erfüllt worden? Sind Ihnen irgendwelche Situationen aufgefallen, die Sie nicht erwartet haben?

Zum einen war meine Erwartung, Informationen zum Stand des Berichtes zu bekommen. Dann habe ich die Informationen bekommen, wie der Stand des Berichtes bewertet werden kann. Dann meine ich, dass vorab hätte geklärt werden müssen, wie diese Bewertungen zustande gekommen sind, denn ich habe dazu eine große Anfrage an die Methodik. Der Rahmen, in dem diskutiert wurde, ist nicht sehr deutlich gemacht worden. Das allergrößte Problem, das ich im Moment habe, ist der Umstand, dass die Zeit nicht reichen wird und es muss eigentlich eine Nachspielzeit von drei Monaten geben. Das ist eigentlich allen klar. Das ist für mich der absolut zentrale Punkt. Ich glaube, dass die Kommission auf eine Nachspielzeit bestehen muss, denn ich vermute, dass ein Akteurswechsel tödlich wäre für den Prozess. Wenn es ein Nachspiel gäbe, stellt sich die Frage, wie dies in die Politik eingehen könnte. Ich sehe da beträchtliche Hemmnisse und das wird von Außen eh beäugt. Die Öffentlichkeitsbeteiligung muss unbedingt sein und wie bekommt man dieses eingespielt? Das ist meine allergrößte Frage, denn davon wird auch die Wichtigkeit und Wertigkeit des Berichtes abhängen.

Wir haben vorher von Kommissionsmitgliedern gehört, dass es dort sehr starke Kontroversen gibt, sowohl im methodologischen als auch im inhaltlichen und politischen Bereich. Haben solche Mitteilungen für die Konferenz einen Sinn oder stören sie eher?

Ich glaube, dass diese Diskussion auf jeden Fall etwas bringt. Es treffen sich an den Tischen verschiedene Leute, die ihre Meinung austauschen. Ich denke, es kann überhaupt nicht genug Austausch geben. Die Frage nach einer solchen Veranstaltung ist ja immer „Was hat es gebracht?“. Ich glaube, dass die Kommissionsmitglieder die Ergebnisse dieser Diskussionen aufgreifen werden, obwohl mir bewusst ist, dass sie in den verbleibenden zwei Monaten einen Riesenberg Arbeit haben. Was ich mir mehr wünschen würde, und das möchte ich auch den Kommissionsmitgliedern mitgeben, dass sie in ihrem Abschlussbericht sehr deutlich machen, welche Punkte es sind, über die Konsens besteht und bei denen es Fortschritte gab und hinter die man nicht zurück gehen sollte. Ich würde aber genauso deutlich empfehlen, die Punkte, die offen sind, in eine To-Do-Liste aufzunehmen und nicht so zu tun, als wären alle Punkte konsensfähig. Es sollte also eine Aufgabenliste erstellt werden. Denn je offener und deutlicher das zum Ausdruck gebracht wird, steigt die Glaubwürdigkeit. Vorgetäuschte Konsense werden irgendwann einmal auffliegen. Transparenz heißt für mich, Konsens aber auch Dissens aufzudecken. Ich habe hier verschiedentlich gehört, dass auch die Politik damit nicht umgehen kann – und dazu sage ich nur, dann muss sie das lernen.

Ich habe den Eindruck, dass viele meinen, der Gewinn einer solchen Tagung besteht darin, dass man miteinander redet, durchaus kontrovers, aber auch vernünftig. Wie sehen Sie das?

Ich sehe einen großen Fortschritt darin, dass man in den Gesprächen auch lernt, andere Meinungen auszuhalten, also die Offenheit zu haben, was meint der andere wirklich, und unter Umständen auch vom Tisch zu gehen mit der Meinung, wir sind uns überhaupt nicht einig. Der andere ist bei seiner Position geblieben und das ist es auch. Es kann aber auch passieren, dass man sich etwas näher gekommen ist und die eigene Position etwas verändert hat. Irgendjemand muss aber letztendlich Entscheidungen treffen. Auch wenn ich meine Meinung anderen nicht nahe bringen konnte, muss man das auch aushalten. Ich glaube nicht an Konsenslösungen in diesem gesamten Feld. Man muss aber diese Spannungen aushalten, denn es gibt sehr unterschiedliche Interessen.

Ich möchte Sie am Ende bitten, mir Ihre Meinung zur Aussage mitzuteilen „Es ist zu spät, um Pessimist zu sein“.

Gerade nach dieser Veranstaltung heute ist Pessimismus nicht das richtige Wort. Es gibt aber schon etwas wie Resignation oder ein Gefühl von Ohnmacht gegenüber einer riesigen Aufgabe bei gleichzeitig begrenzter Zeit, bei gleichzeitigem unterschiedlichen Willen, eine Mega-Herausforderung zu lösen. Pessimismus können wir uns aber nicht leisten, weil die Aufgabe bewältigt werden muss. Aber euphorische Zuversicht ist auch nicht am Platz, weil manchmal ein Gefühl von Hilflosigkeit mitschwingt. Das ist so.

Literaturhinweise

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Bürger machen Haushalt - Leitfaden für Bürgerhaushalte in Städten und Gemeinden Buch

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Leitfaden partizipativer Verfahren. Ein Handbuch für die Praxis Buch

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