„Vorgegaukelte Bürgerbeteiligung“ an der Ostsee

Quelle: www.beltretter.de , eigene Aufnahme

An der Ostsee schlummert ein Milliardenprojekt im Schubladen der deutsch-dänischen Verkehrskommission: der Fehmarnbelt-Tunnel, ein geplanter, 17,6 Kilometer langer Straßen- und Eisenbahntunnel unter der Ostsee zwischen der deutschen Insel Fehmarn und der dänischen Insel Lolland zur Querung des Fehmarnbelts. Das Bauunternehmens Femern A/S wartet noch unter anderem auf die Umweltgenehmigung aus Deutschland, um das Vorhaben zu entscheiden. Der geplante Tunnel befindet sich nämlich in der Vogelfluglinie. Dazu forderte der Bundesgeschäftsführer vom Naturschutzverband Nabu Leif Miller, das größte Projekt Nordeuropas endgültig zu beenden. Damit würden die Steuerzahler entlastet und ein ökologisches Desaster für die Ostsee vermieden. Ebenfalls kritisiert werden die höheren Lärmemissionen der täglichen 78 Güterzüge mit einer Länge von mehr als 800 Metern und mindestens 9.500 Autos und LKWs, welche dann den Tunnel passieren würden. Dieses starke Verkehrsaufkommen würde den Tourismussektor beschädigen, aus welcher die Inselgemeinde derzeit rund 80 Prozent ihrer wirtschaftlichen Einnahmen generiert. Vorort steigt der Protest: die „Beltretter“, ein Zusammenschluss von knapp 20 Initiativen, Parteien und Organisationen, wurde gegründet. Die Aktivisten wählten in Anlehnung an den Widerstand der Anti-Atomkraft-Bewegung im Wendland ein blaues Andreaskreuz statt des gelben Kreuzes gegen das Endlager Gorleben.

Um Akzeptanz zu schaffen, hat das Unternehmen Femern A/S die unmittelbar betroffenen Baustellen-Anwohner in Puttgarden und Marienleuchte mit schicken Broschüren dazu eingeladen, an einer Busfahrt zur Baustelle in Dänemark mit anschließendem Kaffeetrinken und Kuchenessen teilzunehmen. Die Beltretter reagieren empört:“Das ist ja wie bei einer dieser Heizdecken-Fahrten, wo einem ein Stück Kuchen versprochen, aber dann ganz anderes und vor allem Kostspieliges untergejubelt wird“, so Karin Neumann, Sprecherin der Beltretter.

In einer Pressemitteilung „Bürgerbeteiligung wohl am besten ohne Bürger“ werfen sie der Landesregierung Schleswig-Holstein vor, die Erörterungstermine in Kiel zu organisieren, 100 km weit weg von den betroffenen Regionen. Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens hatte es rund 3.000 Einwendungen von Bürgern und Vereinen gegeben. Die Anhörung dazu wird vom 9. bis 16. November 2015 in Kiel stattfinden, wobei eine Verlängerung um einige Tage möglich ist. „Man stelle sich eine 85-jährige Fehmaranerin vor, die Einwendungen übermittelt hat, weil ihr Zuhause unmittelbar betroffen ist. Soll sie die Reise nach Kiel auf sich nehmen, dort eine Woche oder länger im Hotel übernachten und darauf warten, dass ihre Sorgen auch endlich Thema werden? Ein Unding, ja, ein Skandal!“, so Karin Neumann. Die Beltretter betonen, dass Ihnen versprochen wurde, es solle bei diesem Großprojekt besser laufen als bei Stuttgart 21. „Nun aber [sei] das Gegenteil der Fall“. Eine wichtige Leitlinie einer guten Bürgerbeteiligung ist Erreichbarkeit und Offenheit, damit alle Betroffenen beteiligt werden können. So kann der Eindruck entstehen, dass die Landesregierung es durchaus wünschenswert findet, wenn einige Betroffenen ihre Meinung nicht äußern können …

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