Knackpunkt in der Endlagersuche der Schweiz

Planungsskizze Oberflächenanlage in der Schweiz, Quelle: maars, Nagra

Mit einer Pressemitteilung hat gestern das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI darüber informiert, dass sie die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (NAGRA) gebeten hat, Unterlagen zu technischen Berichten nachzureichen. Im Laufe der Standortauswahlverfahren für ein geologisches Tiefenlager hatte die Nagra im Januar 2015 vier von den sechs untersuchten Standorten fallen gelassen, weil diese Regionen die festgelegten Kriterien für ein sicheres Endlager nicht erfüllen. Die beiden Standorte Jura Ost (Bözberg) und Zürich Nordost (Weinland) blieben im Spiel.

Die Regionen, die damit aus dem Prozess herausfielen, waren über diese Aussagen durchaus glücklich. Seit gestern sind  die Spielregeln allerdings nicht mehr so klar: Das Kriterium der maximalen Tiefenlage, welches das Standortgebiet Nördlich Lägern als nicht geeignet einstufte, ist dem ENSI nicht ausreichend begründet. Bautechnische Daten müssen von der Nagra nachgeliefert werden. Auf einmal kommt die Region Nördlich Lägern wieder ins Spiel. Einerseits gewinnt die Nagra dadurch, dass sie nun Unterlagen nachliefern muss, bei der Bevölkerung natürlich nicht gerade an Vertrauen. Andererseits verursachte die ENSI Entscheidung große Erregung bei den Teilnehmern der Regionalkonferenz in Nördlich Lägern (das Bürgerbeteiligungsverfahren für die Endlagersuche in der Schweiz). Von einer „großen Überraschung“ spricht Hanspeter Lienhart, Präsident der Regionalkonferenz Nördlich Lägern gegenüber der lokalen Zeitung Der Landbote. Er fügt hinzu, «seit Februar glaubten wir, dass in unserer Region ein Tiefenlager für radioaktive Abfälle wohl eher nicht gebaut wird.» So seien viele Mitglieder der Konferenz über den ENSI-Einspruch enttäuscht.

Auf der anderen Seite sind die Reaktionen anders. Jürg Grau, Präsident der Weinländer Regionalkonferenz, zeigte sich nicht wirklich erstaunt. So habe die Konferenz bei ihrer letzten Vollversammlung «selber festgestellt», dass es Unklarheiten betreffend die Tiefenlage gäbe. Innerhalb der Arbeitgruppe 1 der Endlagerkommission Deutschlands, die sich mit Öffentlichkeitsbeteiligung beschäftigt, plädiert die Deutsche Umweltstiftung für die Möglichkeit während der Beteiligung im Standortauswahlverfahren die Kriterien breit zu diskutieren. Das Beispiel in der Schweiz zeigt, dass die potenziell betroffenen Regionen die Kriterien im laufenden Verfahren immer wieder diskutieren und nur eine breite Basis für diese Grundlagen einen akzeptierten Prozess schaffen kann.

Möglich ist dieser Verfahrensschritt der ENSI durch das im Schweizerischen Prozess festgelegte Sachveto. Das Sachveto gibt der betroffenen Region die Möglichkeit, zum Ausdruck zu bringen, dass sie von Prozess/Kriterien/Entscheidungen (noch) nicht überzeugt ist. Die Verantwortlichen (hier die Nagra) sind dann zu weiteren Informationen und Dialogen verpflichtet, bevor der Prozess weitergeht. Diesmal hat keine Region sondern das ENSI eine Art Sachveto benutzt, um den Prozess zu stoppen, bis weitere Informationen zur Verfügung gestellt werden. In Deutschland wird die AG Öffentlichkeitsbeteiligung sich mit dem Thema noch ausführlicher beschäftigen.

Literaturhinweise

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Politische Teilhabe von Migrantinnen*selbstorganisationen mit Fokus auf ihre Lobby- und Gremienarbeit Forschungsbericht

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Dorfgespräch - Ein Beitrag zur Demokratieentwicklung im ländlichen Raum Buch

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Direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung - die 'Alternative für Deutschland' auf dem Prüfstand Buchabschnitt

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