Gute Bürgerbeteiligung ausgezeichnet

Die Gewinner der in diesem Jahr erstmalig verliehenen Auszeichnung „Gute Bürgerbeteiligung“ des Kompetenzzentrums Bürgerbeteiligung e.V. kommen aus Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg.

Stellvertretend für zahlreiche Beteiligungsprojekte in ganz Deutschland werden ausgezeichnet: die Stadt Herrenberg für ihr Leitbild 2035, die Region Freiburg für ihren Klimabürger:innenrat, die Gemeinde Bischweier für ihr Bürgerforum, die Stadt Solingen für das Modellprojekt „fYOUture – Wenn Demokratie leben lernt“ und die Stadt Werder (Havel) für ihren Zukunftshaushalt.

Mehr als 50 Bewerbungen von öffentlichen Trägern (insbesondere Städten, Gemeinden und Kreisen) waren für die Auszeichnung beim Kompetenzzentrum Bürgerbeteiligung e.V. und seinem Kooperationspartner, dem Berlin Institut für Partizipation, eingegangen.

Gesucht wurden herausragende Projekte für qualitativ hochwertige Beteiligungsprozesse, die als Beispiel für gute Bürgerbeteiligung dienen können.

Dr. Andreas Paust, Vorsitzender des Kompetenzzentrums: „Die hohe Zahl an Bewerbungen belegt das große Engagement der Kommunen bei der Bürgerbeteiligung. Dabei spiegeln die eingegangenen Bewerbungen die Vielfalt der möglichen Bürgerbeteiligungsaktivitäten wider – von Bürgerräten über Leitbildprozesse bis hin zu Bürgerhaushalten war alles dabei.“

Die meisten Beteiligungsverfahren bezogen sich auf Stadt- und Quartiersentwicklung sowie Verkehrsplanung und Klimaschutz. Andere behandelten lokale Leitbilder und Zukunftsentwürfe. Auch spezielle Formate zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen wurden mehrfach eingesetzt. Die meisten Bewerbungen kamen aus Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg.

Nach einem intensiven Auswahlprozess entschied Anfang Oktober eine hochkarätig besetzte Jury, die Auszeichnung an fünf Kommunen aus Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg zu vergeben.

Jörg Sommer, Direktor des Berlin Institut für Partizipation, war von der Qualität der Einreichungen beeindruckt: „Die Ausgezeichneten stehen stellvertretend für die zahlreichen Kommunen, die gute Bürgerbeteiligung durchgeführt haben – und das auch zukünftig tun wollen.“

Die Gemeinde Bischweier erhält die Auszeichnung für ihr Bürgerforum und den daran anschließenden Bürgerentscheid, mit denen eine Gewerbeansiedlung zur Produktionsversorgung und Vormontage für die Mercedes-Benz AG begleitet wurde. Dazu erarbeiteten 34 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger die Themen Verkehr und Auswirkungen auf Gemeinde, Region und Umwelt und erstellten ein Bürgergutachten, das an den Bürgermeister und den Gemeinderat übergeben und bei einer Bürgerinformationsveranstaltung der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die Planungen wurden daraufhin angepasst und verbessert. Im Januar 2023 fand ein Bürgerentscheid zur Frage statt, ob die Gemeinde ein Verfahren für einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan einleiten soll. Mit 76,23 Prozent stimmten die Bürgerinnen und Bürger für das Vorhaben. Die Wahlbeteiligung lag bei 47,55 Prozent. Damit ist das Resultat bindend. Die Planungen werden nun weiter vorangetrieben.

Die Region Freiburg erhält die Auszeichnung für den ersten interkommunalen Klimabürger:innenrat Deutschlands. Beteiligt waren daran die Stadt Freiburg sowie 15 Umlandgemeinden aus den Landkreisen Emmendingen und Breisgau Hochschwarzwald. In insgesamt 5 Sitzungen im Zeitraum von Mai bis Juli 2022 kamen rund 90 geloste Bürger:innen zum Thema „100% Erneuerbare Energien Region“ zusammen, um konkrete Handlungsempfehlungen für die Region zu erarbeiten, am Ende des Prozesses entstand hieraus das Bürger:innengutachten mit insgesamt 48 Empfehlungen, das im September 2022 der breiten Öffentlichkeit vorgestellt und bis Ende des Jahres in allen Kommunen präsentiert wurde.

Die Stadt Herrenberg erhält die Auszeichnung für ihren hybriden und breiten Beteiligungsprozess, mit dem das Leitbild der Stadt Herrenberg bis in das Jahr 2035 fortgeschrieben und an den UN-Nachhaltigkeitszielen ausgerichtet wurde. Im Zentrum des Beteiligungsprozesses stand die Frage: Wie gelingt es, möglichst viele Menschen einzubinden, die sich sonst häufig nicht zu Wort melden? Nach zwei Jahren, inklusive einer Corona-Pause und Prozess-Neuplanung, konnte der Handlungsleitfaden für die Zukunft von Herrenberg vorgelegt werden. Erarbeitet mit den Herrenberger:innen, der aktiven Zivilgesellschaft, dem Gemeinderat und der Verwaltung. Das Leitbild ist online, wurde in Leichte Sprache übersetzt, als Wimmelbild gezeichnet und die Grundlage, um jährlich Rechenschaft abzulegen.

Die Stadt Solingen erhält die Auszeichnung für ihr Modellprojekt „fYOUture – Wenn Demokratie leben lernt“, mit der es ihr gelungen ist, Jugendbeteiligung gesamtstädtisch zu verankern. Als erste Stadt in NRW hat sie eine kommunale Handlungsstrategie für vielfältige Jugendpartizipation entwickelt, bei der junge Menschen aus unterschiedlichen Milieus erreicht wurden. Die Strategie wurde im Rahmen von Trialogen (Workshopreihe) unter gleichberechtigter Beteiligung von Jugendlichen, Vertretenden der Kommunalpolitik sowie Verwaltung entwickelt. Sie wurde im Jugendhilfeausschuss einstimmig verabschiedet und so eine verbindliche und nachhaltige Verankerung struktureller Jugendbeteiligung auf den Weg gebracht. Nach Projektabschluss wurde zudem eine Planstelle zur Verstetigung und Weiterentwicklung gesamtstädtischer Jugendbeteiligung eingerichtet.

Die Stadt Werder (Havel) erhält die Auszeichnung für ihren Zukunftshaushalt, bei dem die Stadt alle zwei Jahre ein mehrstufiges Beteiligungsverfahren durchführt. Wie bei einem klassischen Bürgerhaushalt können Einwohner:Innen Projektideen für ihre Stadt einreichen. Das Gesamtbudget beträgt bis zu 200.000 Euro. Das Besondere am Zukunftshaushalt ist der starke Fokus auf die Kinder- und Jugendbeteiligung. Denn junge Menschen dürfen nicht nur selbst Ideen einbringen, sondern entscheiden am Ende auch, welche Projekte umgesetzt werden. Dazu finden zentral angelegte Wahlen in Kooperation mit den Schulen in Werder (Havel) statt. In Verbindung mit einem gelosten Gremium aus Kindern und Jugendlichen, das die Wahl vorbereitet, ergibt dies ein interessantes Lernfeld der Demokratie. Das Wahlergebnis ist bindend.

Die Ehrung der ausgezeichneten Projekte findet am 28. November 2023 um 17.00 Uhr im Rahmen des bipar-Kongresses D³ – #deutschland #digital #demokratisch in Berlin statt. Die Veranstaltung wird im ALEX Offener Kanal Berlin gesendet und live ins Internet gestreamt.