Videokonferenzen und Datenschutz

Die Corona-Pandemie hat den Anbietern von Video-Konferenzen ein dramatisches Wachstum beschert. Plötzlich nutzen Institutionen und Individuen Dutzende unterschiedliche Videokonferenzsysteme. Viele fragen sich jedoch: Wie sicher sind diese Tools? Wie sicher ist die Privatsphäre? Welchen Anbietern kann man vertrauen?

Das Berlin Institut für Partizipation hat alle großen Anbieter unter die Lupe genommen und im Hinblick auf Sicherheit, Kosten, Zuverlässigkeit, Einfachheit in der Handhabung und angebotene Features bewertet, darunter folgende, weit verbreitete Tools:

Es gibt zahlreiche weitere Lösungen, die sich jedoch in Technik und Kosten nur unerheblich von den oben gelisteten unterscheiden. Ursprünglich war geplant, eine Art „Hitliste“ in Bezug auf Datensicherheit und Anwendbarkeit zu erstellen, letztlich haben wir aber darauf verzichtet, da sich die Angebote im Grunde in weiten Teilen extrem ähneln, die Preisgestaltungen nur schwer vergleichbar sind, die Risiken prinzipiell bei allen Anbietern ähnlich gelagert und einige Kriterien auch den subjektiven Prioritäten der Anwender unterliegen. Ob zum Beispiel die Server in Deutschland liegen oder nicht, ist vielen Institutionen wichtig, hat aber für die tatsächliche Datensicherheit kaum eine Relevanz.

Eine besondere Rolle nehmen Tools wie Jitsy oder BigBlueButton ein. Diese Systeme sind Open-Source Software, die Sie theoretisch auf einem eigenen Server installieren können. Sie brauchen dazu jedoch erhebliche Kenntnisse bzw. IT-Fachleute sowie eine Serverarchitektur, die am Ende deutlich mehr Kosten verursacht als selbst die teuersten Paketpreise professioneller Anbieter. Die Sicherheitsprobleme wären damit jedoch keinesfalls beseitigt.

Wichtiger erscheint uns deshalb, einige klare Informationen zu geben und einige Verhaltensempfehlungen zu formulieren. Dies wollen wir im Folgenden tun:

  • Videokonferenzen über das Internet sind immer unsicher. Sie wissen nicht, wer mithört oder mitsieht, Sie wissen nicht, wer wo was aufzeichnet. Verhalten Sie sich deshalb in Videokonferenzen so, als wären Sie auf einer Live-Konferenz: Auch dort wissen Sie nicht, wer genau zuhört und wo Mitschnitte Ihrer Beiträge am Ende landen. Gehen Sie davon aus, dass jede Videokonferenz im öffentlichen Raum stattfindet. So wie Sie stets davon ausgehen sollten, dass E-Mails in etwa den privaten Charakter einer Postkarte haben: Sie wissen nie, wer sie liest. Ein Beispiel: Nach Informationen von BR und „Spiegel“ kann allein der BND offenbar auf mehr als eine Billion Internetverbindungen täglich zugreifen. Und das ist noch einer der „Unseren“. Kein einziger Anbieter, auch keine Software auf dem eigenen Server kann sie davor bewahren.
  • Videokonferenz- und Webinaranbieter halten stets umfangreiche Auswertungsmöglichkeiten für die Veranstalter parat. Ob diese genutzt werden, erfahren Sie nie. Videos können mitgeschnitten und transkribiert werden, Ihre Teilnahme kann dokumentiert werden, selbst Ihre Aufmerksamkeitsrate kann berechnet werden. Auch hier gilt: Verhalten Sie sich, als säßen Sie nicht zu Hause, sondern wären im öffentlichen Raum. Auch dort wird zur Kenntnis genommen, wenn sie während der Keynote im Foyer draußen mit einem alten Bekannten Kaffee trinken.
  • Achten Sie immer darauf, was sich im Hintergrund Ihrer Videoaufzeichnung befindet. Sich vor das eigene Bücherregal zu setzen, ist beliebt, weil es einen belesen und intellektuell erscheinen lässt. Aber wollen Sie wirklich, dass Unbekannte sehen, was Sie lesen (oder zumindest für lesenswert halten?). Übrigens sind auch Tools einiger Anbieter, die Ihren Hintergrund ausblenden nicht sicher, denn zunächst einmal nimmt die Kamera alles auf und schickte es auf den Anbieterserver. Erst dort wird dann anonymisiert.
  • Anbieter und alle, die auf deren Daten Zugriff haben, wissen genau, wann Sie an welchen Videokonferenzen mit wem über was gesprochen haben. Viele laden eine Software auf Ihren Rechner herunter und/oder zwingen Sie dazu, einen Account anzulegen. Andere Anbieter funktionieren nur mit dem Google Chrome Browser. Haben Sie, wie die meisten Menschen, einen Google-Account, weiß Google (und damit ggf. auch zahlreiche Werbetreibende), auch über Ihr Videokonferenzverhalten Bescheid.
  • Es gibt auf dem Markt keine Videokonferenzlösung, die Sie vor diesen Auswertungen schützt. Etwas sicherer sind Anbieter, die ohne den Chrome-Browser, ohne Account und ohne erzwungenen App-Download funktionieren. Aber auch die bieten keine hundertprozentige Sicherheit.

Unser Fazit

Bleiben Sie entspannt, aber konzentriert. Stellen Sie sich bei Videokonferenzen einfach vor, jedes Wort, das Sie sagen, würde in einem vollen Konferenzsaal über die Mikrofonanlage laufen, während Sie gleichzeitig ein ZDF-Fernsehteam filmt. Außerdem würden Mitarbeiter von Google, Amazon und Facebook im Raum sitzen und sich jedes Ihrer Worte notieren.

Das in etwa ist der Grad an Privatsphäre, die Ihnen Videokonferenzen bieten.

Es gibt keinen Grund, deshalb nicht an solchen Konferenzen teilzunehmen. Sie gehen auch auf Präsenzveranstaltungen. Und dort erzählen Sie auch keinen Unsinn.

Übrigens: Haben Sie ein Google-Konto, einen Facebook-Account, eine Payback-Karte, eine Alexa im Wohnzimmer oder Siri auf Ihrem iPhone aktiv? Dann sind Videokonferenzen Ihre geringste Sorge.

Was wir nutzen

Das Berlin Institut für Partizipation nutzt mit diesem Hintergrundwissen aktuell zwei Tools:

Interne Besprechungen, Bewerbungsgespräche und kleine Meetings mit Externen (bis max. 12 Personen) führen wir über Whereby durch. Das Tool ist kostengünstig, sehr stabil, leicht zu benutzen und unsere Gäste brauchen keine Software, keinen Account und nicht einmal eine E-Mailadresse oder einen Klarnamen.

Für größere Meetings und Webinare nutzen wir Zoom. Auch dieses Tool ist relativ stabil und einfach. Es versucht zwar, unseren Gästen einen Download „aufzuschwatzen“, der ist aber zur Benutzung nicht erforderlich. Zudem hat Zoom spannende Features wie Gruppenräume und die Einbindung von Umfragetools und weiteren Add-Ons, die uns ermöglichen, damit sogar attraktive längere Seminare und Workshops mit weit mehr Interaktivität als klassische Webinarvorträge zu realisieren. Zoom steht zudem aufgrund anfänglich laschen Umgangs mit dem Datenschutz unter besonderer Beobachtung der Community und hat hier in jüngster Vergangenheit erheblich nachgebessert. Es bleiben aber alle unsere obigen Empfehlungen auch für Zoom gültig.