Jugendbeteiligung in der Bahn

Das Stuttgarter Beteiligungsprojekt YOU-Bahn

In einer U-Bahn über den öffentlichen Personennahverkehr sprechen? Das ist in Stuttgart beim Jugendbeteiligungsprojekt „YOU-Bahn“ jetzt möglich. Im Interview berichtet Niclas Dycke über das Projekt.

Die YOU-Bahn ist ein Projekt der AG Jugendbeteiligung Stuttgart. Diese setzt sich aus der Bürgerstiftung Stuttgart, der Mobilen Jugendarbeit, der Stuttgarter Jugendhaus Gesellschaft sowie dem Team Tomorrow zusammen. Das Projekt YOU-Bahn hat das Ziel, mit jungen Menschen über den ÖPNV im ÖPNV ins Gespräch zu kommen, und auf diese Weise neue Blickwinkel auf die Thematik zu ermöglichen.  

Die YOU-Bahn ist eine innovative Form der Beteiligung junger Menschen. Wie ist das Projekt entstanden und welches Ziel steht dahinter?

Das Projekt entstand als Antwort auf die Idee einiger Jugendichen, dass sie gerne ein Format zum Thema ÖPNV umsetzen würden. Die Thematik wurde für die Jugendlichen interessant, da der Stuttgarter Jugendrat zwei Sitze im Aufsichtsrat der SSB (Stuttgarter Straßenbahnen) hat und sie als gewählte Vertreter*innen so darauf aufmerksam geworden sind. Dabei war ihnen wichtig, das Format direkt in die Bahn zu bringen, um dann dort über ÖPNV zu sprechen, anstatt das Format an einem Veranstaltungsort durchzuführen. Die nachfolgenden Stakeholder-Gespräche mit der SSB waren relativ lang, da diese ihre eigenen Interessen und die möglichen Kosten abwägen musste. Jedoch konnten weitere Gespräche, die die Vorteile, wie die Ergebnisse des Projekt oder auch die mögliche Öffentlichkeitsarbeit, für die SSB hervorgehoben haben dazu beitragen, dass das Projekt schlussendlich kostenfrei umgesetzt werden konnte. 

Viele Ihrer Projekte beteiligen junge Menschen. Auf was sollte bei der Beteiligung junger Menschen geachtet werden?

Bei der Methodenauswahl ist vorallem darauf zu achten, dass es viel Aktivierung gibt und dass der Informationsteil kürzer gehalten wird. Außerdem sollten möglichst viele interaktive Angebote geschaffen werden. In der YOU-Bahn wurde dies unter anderem durch die Möglichkeit umgesetzt, eigene Reels zu drehen. Es geht also darum, sich daran zu orientieren, was die jungen Menschen interessiert und wie sie normalerweise Informationen erhalten. Auch ein Peer-to-Peer-Ansatz kann von großem Vorteil sein, da dieser junge Menschen dazu befähigt, mit Gleichaltrigen ins Gespräch zu treten und so eine Diskursmöglichkeit zu schaffen. In der YOU-Bahn gab es beispielsweise das Angebot, dass verschiedene Jugendrät*innen anwesend waren und Pläne ausgedruckt hatten, auf denen die Jugendlichen im Gespräch an die jeweiligen Haltestellen schreiben konnten, was ihnen fehlt, was gut ist, was noch nicht so gut ist und was sie noch brauchen. Im Vergleich zu anderen Formaten, die wir bereits umgesetzt haben, war die YOU-Bahn viel stärker darauf angewiesen, dass die jungen Menschen in die U-Bahn kommen, es entstand also eine Komm-Struktur. Dadurch war es wichtig, dass viele Multiplikatoren eingesetzt wurden. Das also gezielt beispielweise die „Mobile Jugendarbeit“-Standorte oder Jugendhäuser angesprochen wurden, dass sie mit einer Gruppe teilnehmen könnten. Denn gerade im Jugendalter gehen die meisten eher dort hin, wo ihre Freund*innen sind, als abends alleine zu so einer Veranstaltung zu gehen. Das heißt, man muss auf die Power der Gruppe setzen, und ganze Gruppen ansprechen, damit diese gemeinsam teilnehmen. Es hilft zudem, wenn es kostenlose Verpfelgung gibt, um so weitere Anreize zu setzen. Im Fall der YOU-Bahn konnten die jungen Menschen nach ihrer Fahrt in der YOU-Bahn noch auf eine kleine Afterparty ins JES (Junges Ensemble Stuttgart) gehen, auf der sie ein Freigetränk bekommen haben und den Abend ausklingen lassen konnten. 

Der erste Termin der YOU-Bahn war bereits und Sie haben schon mehrere ähnliche Projekte umgesetzt. Wie waren die Rückmeldungen der jungen Menschen und welche Bilanz ziehen Sie selbst?

Eine Stärke der Formate ist in jedem Fall, dass diese nicht von Bürgerstiftung Stuttgart allein umgesetzt werden, sondern von einem Verbund von Organisationen im Rahmen der AG Jugendbeteiligung Stuttgart. Dadurch kann man verschiedene Gruppen, verschiedene Jugendliche ansprechen und bei allen sind die Rückmeldungen durchweg sehr positiv gewesen. Es geht auch oftmals nicht vorrangig um eine Ergebnisqualität, weil die Ergebnisse erstmal hintenanstehen. Die Prozessqualität ist die Qualität, die eher hoch bewertet wird. Weil es eher darum geht, dass die jungen Menschen am Ende sagen: „Wir hatten einfach eine gute Zeit in der YOU-Bahn“ oder „Wir hatten eine gute Zeit beim Wohnzimmer (#0711wohnzimmer)“. Es geht dabei auch um eine Art Aneignung von Räumen, die normalerweise so nicht genutzt werden können oder dürfen und so diese Räume dann anders zu besetzen und vor diesem Hintergrund auch partizipativ zu bespielen. Das ist auf jeden Fall eine Sache, die die jungen Menschen immer sehr cool finden und bei der immer gesagt wird: „Hey, so etwas soll es einfach viel öfter geben“. Durch die Projekte sollen Räume geschaffen werden, in denen junge Menschen einfach auch so sein dürfen, natürlich immer unter den gegebenen Regeln, die gibt es natürlich überall. Es sollen Orte geschaffen werden, die in diesem Moment auch nur für junge Menschen sind, und die keinem Konsumzwang unterliegen. Das wird eigentlich immer sehr positiv aufgenommen. Was sich am Ende als Ergebnis darstellt, ist natürlich nochmal eine andere Ebene. An dieser Stelle geht es dann auch darum, wie die Ergebnisse in Richtung Verwaltung oder Kommunalpolitik gespielt werden können. Das ist dann auch eher unsere Aufgabe als Brückenakteure, die Ergebnisse in diese andere Ebene zu heben. Aber, was sich auch immer zeigt, ist, dass der Pool an jungen Menschen, auch aus Jugendhäusern, die sagen: „Hey, ich will beim nächsten Mal auch mithelfen“ immer größer wird. Das spricht eben auch für das Projekt, weil die jungen Menschen damit auch ein kleines Engagement umsetzen, und sich so zeigt, dass es ganz gut ankommt. 

Zur Person

Niclas Dycke, Projektleiter des Bereichs Demokratieförderung in der Bürgerstiftung Stuttgart. Dort setzt er neben anderen Formaten gemeinsam mit der AG Jugendbeteiligung das Projekt „YOU-Bahn“ um. Seinen Master absolvierte er im Studiengang „Planung und Partizipation“ an der Universität Stuttgart.

 

 

Literaturhinweise

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