Beteiligung vor Missbrauch schützen

Die neue PR-Ethik-Richtlinie ‚Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘

Im Beitrag stellt Prof. Dr. Felix Krebber die neue Richtlinie „Bürgerbeteiligung und Kommunikation“ des Deutschen Rates für Public Relations (DRPR) vor.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus dem neuen KURSBUCH BÜRGERBETEILIGUNG #5.

Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) – das freiwillige Ethik-Selbstkontrollgremium der Kommunikationsbranche und des Kommunikationsberufsfelds – hat im Dezember 2022 eine Ratsrichtlinie zu Partizipation in der Organisationskommunikation vorgestellt. Die Richtlinie „Bürgerbeteiligung und Kommunikation“ regelt fortan freiwillige Beteiligungsverfahren, die von Organisationen wie Unternehmen, Verbänden, Vereinen und Behörden außerhalb formaler Genehmigungsverfahren oder regulierter politischer Prozesse umgesetzt werden. Sie ist Thema dieses Aufsatzes. Ihre Notwendigkeit wird anhand von Untersuchungsdaten hergeleitet und die bisherige kommunikationsethische Regelungslücke beschrieben. Daraufhin werden die Regelungen näher ausgeführt und Implikationen für die Beteiligungspraxis in der Umsetzung der Richtlinie aufgezeigt.

Seit einigen Jahren kommen Verfahren der Beteiligung von Bürger*innen (im Folgenden Bürgerbeteiligung) zum Einsatz, die außerhalb der herkömmlichen demokratischen Verfahren des Staates umgesetzt werden. Diese werden beispielsweise von Kommunen im Kontext von Stadtentwicklungsprojekten noch vor den eigentlichen Entscheidungsprozessen oder verwaltungstechnischen Genehmigungsverfahren realisiert. Auch Unternehmen beziehen zunehmend Bürger*innen direkt mit ein, etwa im Kontext von Infrastrukturprojekten oder (teils kontrovers betrachteten) Technologien wie Mobilfunkstandards oder dem Einsatz von Gentechnologie. Damit kommen diese privatwirtschaftlichen Akteure den gestiegenen Partizipationserwartungen der Zivilgesellschaft nach, die in westlichen demokratischen Gesellschaften zunehmend unmittelbare Einflussnahme einfordert (Bentele et al. 2015). Solche Beteiligungsprozesse werden von Unternehmen zumeist mit dem Ziel initiiert, geplante Vorhaben auch tatsächlich umzusetzen (Krebber 2016). Damit ist derartigen Verfahren ein strategischer (teleologischer) Kommunikationsmodus (Habermas 1997) eigen, der den Charakter von Beteiligung maßgeblich prägt. Ein systematischer Interessenkonflikt ist in diesen Verfahren von Beginn an angelegt: Zwischen Betroffenen auf der einen Seite; sie werden, wenn sie ein Vorhaben nicht gar ganz verhindern wollen, eine Umsetzung durchzusetzen versuchen, die mit möglichst wenig Beeinträchtigungen ihrerseits verbunden ist. Auf der anderen Seite stehen die Vorhabenträger, die ihr Projekt umsetzen wollen. Beide Gruppen sind in solchen Verfahren also mit eigenen – strategischen – Interessen beteiligt. In diesen Verfahren wird daher oft nicht allein die zu verhandelnde Sache strittig, sondern auch die Art und Weise der Kommunikation bzw. Anlage des Beteiligungsverfahrens (Burkart 2013). Daher ist aus einer kommunikationsethisch-normativen Perspektive ein hoher Maßstab an solche Verfahren anzulegen. Denn empirisch zeigt sich, dass es durchaus ‚schwarze Schafe‘ aufseiten der Anbieter von Beteiligungsverfahren (Vorhabenträger / Organisationen / Behörden / Unternehmen und gegebenenfalls ihren Agenturen / Dienstleistern) gibt, die diesen hohen Maßstäben nicht gerecht werden (Krebber 2020a). Eine angewandte, aus kommunikationsethischer Perspektive zu verurteilende Taktik kann etwa sein, mehr Einflussmöglichkeiten zuzusagen, als dann tatsächlich eingeräumt werden. Dies muss als Täuschung gewertet werden. Der professionellen Kommunikationspraxis ist daran gelegen, aus ethischer Perspektive angemessenes Verhalten zu fördern und unethisches Verhalten zu sanktionieren. Hierzu ist vonseiten der Berufs- und Agenturverbände im Kommunikationsberufsfeld – analog zur freiwilligen Selbstkontrolle im Bereich der Presse (Presserat) und Werbung (Werberat) – der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) gegründet worden, der auf Basis des Deutschen Kommunikationskodex sowie konkretisierender Richtlinien Fehlverhalten durch Missbilligungen und Rügen ahnden kann. Die jüngst verabschiedete Ratsrichtlinie „Bürgerbeteiligung und Kommunikation“ des DRPR fügt sich in dieses Regelwerk ein. Ihr Anwendungs- und Geltungsbereich ist denkbar breit und betrifft alle, die derlei Verfahren organisieren: er beinhaltet alle Beteiligungsverfahren, die freiwillig und zielgerichtet außerhalb gesetzlich normierter Genehmigungsverfahren stattfinden. Dabei ist allein die Anlage als Beteiligungsverfahren entscheidend und nicht, von wem sie organisiert werden. Auch Akteure, die sich nicht dem Kommunikationsberufsfeld zugehörig fühlen oder formal diesem zuzurechnen sind (etwa Ingenieur*innen oder Architekt*innen), können vom DRPR mit einer Missbilligung oder Rüge belegt werden. Explizit schließt dies auch freiwillige Verfahren ein, die nicht von Unternehmen organisiert werden, sondern etwa von Behörden, Verbänden, Vereinen oder anderen staatlichen oder nichtstaatlichen Organisationen, wenngleich bei der Konzeption der Richtlinie der Blick besonders auf Unternehmen oder in deren Auftrag agierende Agenturen / Dienstleister gerichtet war.