Zielgruppen von Bürgerbeteiligung

Foto: Ylva Sommer, Archiv

Am Anfang steht, wie so oft bei komplexen Prozessen, eine schlichte Frage: „Wer beteiligt wen?“.

Schon die erste Hälfte dieser Frage hat es in sich. Nur auf den ersten Blick fällt die Antwort leicht: Kommunen, Länder, Unternehmen sind typische Träger von Bürgerbeteiligung. Doch „Kommune“ zum Beispiel kann Vieles bedeuten: Ist es die Verwaltung? Das Planungsamt? Der Bürgermeister? Der Gemeinderat? Diese Frage ist nicht müßig, und sie ist auch nicht einfach zu beantworten. Unabhängig davon, wer die Rechnung zahlt, will der Träger des Beteiligungsprozesses klug gewählt sein. Die Verwaltung hat sicher die umfangreichste organisatorische Erfahrung, ist es aber oft nicht gewohnt, sich auf nicht klar strukturierte Prozesse einzulassen und neigt regelmäßig zur „Überorganisation“ von Beteiligungsformaten. Der Gemeinderat als Ganzes bietet reichlich Ansprechpartner und Zuhörer für die beteiligten Bürger. Je nach politischem Dissens in der jeweiligen Sachfrage ist hier aber auch eine Neigung zur parteipolitischen Auseinandersetzung zu berücksichtigen. Der Bürgermeister als überparteiliche Persönlichkeit erscheint da auf den ersten Blick geeigneter. Doch eine sich umfangreich entwickelnde Beteiligung kann schnell seine persönlichen Kapazitäten sprengen.

Ähnliches gilt für Unternehmen: Ist Beteiligung Chefsache? Oder doch besser in der Kommunikationsabteilung aufgehoben?

Ganz verzwickt wird es, wenn Großvorhaben zur Debatte stehen. Diese haben meist einen privatwirtschaftlichen Träger, aber oft steht auch die öffentliche Verwaltung unter Druck. Häufig wird hier gern – auch aus Kostengründen – die Verantwortung zwischen mehreren Parteien hin- und hergeschoben. Dabei ist gelingende Bürgerbeteiligung eine vergleichsweise geringe Investition – mit potentiell großem Nutzen für den Träger.

Wer also sollte, sofern nicht aus rechtlichen Gründen ohnehin vorgegeben, Träger eines Beteiligungsprozesses sein?

Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten. Doch es gibt drei Kriterien, die Berücksichtigung finden können bzw. sollen:

  1. Je bedeutender eine Institution für die finale Entscheidung ist, desto besser ist sie als Träger geeignet. Die Beteiligungsbereitschaft steigt, die Qualität wird besser, die Chance auf ein Gelingen und die Akzeptanz der finalen Entscheidung höher, wenn das entscheidende Gremium und seine Mitglieder erkennbar als Träger des Beteiligungsprozesses den Diskurs suchen. Umgekehrt ist eine Delegation des Beteiligungsprozesses an eine untergeordnete Abteilung oder gar an einen externen Dienstleister oft Auslöser einer langen Kette von Missverständnissen und Kommunikationsfehlern, die den Prozess letztlich gefährden.
  2. Je mehr aktive Mitglieder die tragende Institution hat, je größer die Chance auf einen gelingenden Prozess. Ein Gemeinderat mit 20 Mitgliedern bietet potentiell 20 Gesprächspartner für möglicherweise viele hundert Bürger. Zugleich können die Gemeinderäte auch im Prozess glaubhaft machen, dass sie an einer Meinungsbildung mit Diskurs interessiert sind, aber nicht persönlich für die Berücksichtigung jeder Partikularmeinung garantieren können. Denn nichts ist für einen Beteiligungsprozess riskanter als das Wecken falscher Erwartungen.
  3. Je mehr Reputation die tragende Institution bei den Bürgern genießt, desto größer die Bereitschaft aller Beteiligten, den Diskurs als Dialog zu verstehen und auch zuzuhören. Steht der Träger dagegen schon zu Beginn des Prozesses unter massiver Kritik, entwickelt sich eine Beteiligung schnell zum Tribunal.

Es empfiehlt sich also, schon in der Frühphase eines geplanten Beteiligungsprozesses intensiv über die Frage nachzudenken, mit welcher Trägerstruktur die maximale Beteiligungsbereitschaft und ein gelingender Verlauf erwartet werden kann. Meist gibt es in dieser Frage nur wenige Optionen.

Völlig anders sieht es beim zweiten Teil der Frage „Wer beteiligt wen?“ aus. Denn die „Bürger“ in der Bürgerbeteiligung sind stets völlig unterschiedlich. Eines sind sie nie: Eine homogene Gruppe. Bevor wir uns jedoch der Frage nähern, wie man die unterschiedlichen Gruppen in einem Beteiligungsprozess lokalisieren kann und was dies für die Planung eines solchen Prozesses bedeutet, sollten wir noch kurz einen Blick auf drei Paradigmen der Bürgerbeteiligung werfen, die gerade auch im Hinblick auf die Diskussion der Beteiligtengruppen eine essentielle Rolle spielen:

Prozess, nicht Funktion

Bürgerbeteiligung ist ein Prozess, keine Funktion. Bislang findet diese Grundlage in weiten Teilen des deutschen Planungsrechts noch keinen ausreichenden Niederschlag. Hier wird die Beteiligung zumeist als zeitlich klar eingerahmte Funktion in einer langen Kette von Maßnahmen verstanden. Eine Kritik, die zwischenzeitlich selbst große Konzerne wie zum Beispiel RWE teilen: „Den hohen Anforderungen an eine Partizipation, wie sie heute verstanden und von den Bürgern eingefordert wird, genügen die derzeitigen Verfahren im Verwaltungsrecht nicht mehr.“ (Studie „Akzeptanz für Großprojekte, RWE AG, Essen 2012)

Gelingende Bürgerbeteiligung ist ein Prozess, weil die Ergebnisse nicht vorausberechnet werden können und nicht vorgegeben werden dürfen. Sie ist ein Prozess, weil der genaue Ablauf weder in allen Details vorgegeben werden kann noch monostrukturell verläuft. Es gibt Parallelitäten, Wechselwirkungen, Rückschritte und Sprünge, Konsensbildungsetappen und Phasen des Konfliktes. All das sind Voraussetzungen eines gelingenden Prozesses, der am Ende breite Akzeptanz bei den Beteiligten schafft, gerade auch bei denen, die sich mit ihren anfänglichen Positionen nicht in vollem Umfang durchsetzen konnten.

Versteht man Beteiligung stattdessen als reine Funktion zur Legitimierung bereits vorher getroffener Entscheidungen, ist allenfalls eine formale Funktionserfüllung erwartbar. Die eingangs in diesem Buch erwähnten anderen Dimensionen gelingender Beteiligung (Akzeptanz, Qualität, Emanzipation) finden nicht statt. Wer so handelt, verwechselt Bürgerbeteiligung mit Öffentlichkeitsarbeit – und wird selbst unter Einsatz umfangreicher Mittel keinen nachhaltigen Erfolg haben.

Diskurs, nicht Entscheidung

Bürgerbeteiligung ist Diskurs, nicht Entscheidung. Sie bezieht ihren Wert nicht aus einer raschen Meinungsbildung, sondern eben aus dem intensiven und nicht immer schmerzfreien Aufeinanderprallen unterschiedlicher Interessen, Positionen, Erwartungen und Argumenten.

Diese nicht durch rasche Abstimmungen zu umgehen ist gerade die Stärke von Beteiligungsformaten. Denn erst in diesem Austausch entsteht Verstehen, daraus erst kann sich Akzeptanz entwickeln – und am Ende eine Entscheidung vorbereitet werden, die von den dafür gewählten bzw. zuständigen Gremien getroffen wird. Bürgerbeteiligung ist deshalb nicht mit so genannter direkter Demokratie zu verwechseln. Sie soll Entscheidungen in unserer parlamentarischen Demokratie nicht ersetzen, sondern mit gestalten.

In diesem Kontext ist es für einen Beteiligungsprozess auch von großer Bedeutung, dass allen Akteuren – Beteiligern wie Beteiligten – während des gesamten Prozesses stets klar ist, in welcher Weise die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung in den finalen Entscheidungsprozess einfließen.

Inklusion, nicht Ausgrenzung

Gerade weil ein Beteiligungsprozess komplex und schwer planbar ist, neigen Träger immer wieder dazu, den Kreis der zu Beteiligenden möglichst präzise zu definieren und dabei weit mehr als nötig einzuschränken. Gerne wird in der Planungsphase eine Liste der „Zielgruppen“ aufgestellt – und diesen jeweils ein spezifisches Beteiligungsformat als Angebot unterbreitet. Gerade bei Hinzuziehung externerer Dienstleister wird gerne, auch im Hinblick auf eine verlässliche Kostenkalkulation und seriöse Auftragsvergabe so vorgegangen.

Dagegen ist auch grundsätzlich nichts einzuwenden – allerdings zeigt die Erfahrung: Fast immer wird mindestens eine für das Gelingen wichtige Beteiligtengruppe vergessen. Das führt bestenfalls zu weniger guten Ergebnissen, im Extremfall zum Scheitern des Projektes. Ebenso werden häufig von einem Teil der zu Beteiligenden die konkreten für ihre Beteiligtengruppe angebotenen Beteiligungsformate als unpassend empfunden, was auch daran liegt, dass jede noch so kleinteilig formulierte Beteiligtengruppe dennoch inhomogen ist.

Jeder Beteiligungsprozess sollte deshalb bei aller Planung grundsätzlich eine maximale Offenheit aufweisen und den Bürgern die Möglichkeit zur Diffusion geben, also auch zur Teilnahme an Formaten die ursprünglich für andere Beteiligtengruppen konzipiert wurden.

Ein gelingender Beteiligungsprozess basiert auf Inklusion. Er muss möglichst alle in allen Phasen zu allen Formaten einladen. Ausnahmen – zum Beispiel geschützte Räume für Jugendliche – sind möglich, aber müssen Ausnahmen bleiben. Die Gesamtbotschaft des Prozesses ist aber: „Jeder ist uns stets willkommen!

Beteiligtengruppen erfolgreich lokalisieren

„Die Menschen wollen beteiligt werden“. Dieser Satz ist vielleicht eine der größten Fehlerquellen in der Planung von Bürgerbeteiligung. Ausgehend von dieser These wird allzu oft ein bunter Strauß von Angeboten, möglichst passend für die zuvor lokalisierten Beteiligtengruppen, zusammengestellt – und findet dann keine Ab- bzw. Teilnehmer.

Ein Beteiligungsprozess ist mit der Eröffnung eines Lebensmittelgeschäftes vergleichbar. Das richtige Angebot ist die eine Sache. Die Menschen aber zu Kunden zu machen, eine ganz andere. Natürlich haben die potentiellen Kunden Bedarf an den Produkten. Doch warum sollten sie ihren Bedarf gerade in Ihrem Laden decken? Und wäre es der Kundengewinnung förderlich, wenn Sie zum Beispiel Brot nur an Senioren, Wurst nur an Frauen und Kindern ausschließlich Süßigkeiten verkaufen wollten? Das optimale, möglichst breite Angebot ist nur ein Faktor. Die Kunden müssen Sie zudem einmal kennen lernen. Sie müssen sie davon überzeugen, dass sie Ihnen und Ihrem Angebot vertrauen. Über zwei Drittel aller neu eröffneten Ladengeschäfte ist nach einem Jahr gescheitert. Das wollen Sie mit Ihrem Beteiligungsprozess nicht erleben.

Also vertrauen Sie nicht allein auf den Satz „Die Menschen wollen beteiligt werden“. Sondern machen Sie Ihren potentiellen „Kunden“ ein Angebot, das sie nicht ablehnen können.

Die Optionskurven: Interesse versus Einfluss

Folie1

Ganz entscheidend ist dabei nicht nur die Frage, was Sie wem anbieten, sondern wann Sie es tun. Deutlich wird dies am Beispiel der Optionskurve in unserem Schaubild.

Gerade am Anfang eines Prozesses besteht eine große Einflussmöglichkeit. Die Pläne sind noch offen, die Alternativen noch nicht verworfen. Die Initiatoren haben sich bestenfalls nicht so umfangreich für das Projekt engagiert, dass sie jeden Änderungswunsch als Kritik an ihrer Arbeit oder gar Person empfinden. Oft sind sie in diesem Stadium noch zutiefst dankbar für wohlmeinende Kritik und kreative Vorschläge. Nur: Niemand interessiert sich für sie.

Das kann viele Gründe haben. Möglicherweise wissen die Betroffenen noch gar nichts von den Plänen. Oder sie nehmen sie nicht ernst. Vielleicht verdrängen sie diese auch, weil sie glauben, dass es schon „nicht so schlimm werden wird“. Oder sie haben in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass auch andere Projekte über Jahre geplant und dann doch nicht realisiert wurden. Auch die Medien können sich meist nicht für Pläne im Frühstadium erwärmen – wenn nicht gerade eine Chemiefabrik in einem Wohngebiet geplant wird.

Im weiteren Projektverlauf nimmt das Vorhaben konkretere Formen an. Alternativen werden geprüft und, meist aus gutem Grund, verworfen. Festlegungen werden getroffen, Investitionen getätigt und die Umsetzung wird immer alternativloser. Gleichzeitig steigt aber auch die Wahrnehmung des Projektes, die Berichterstattung und häufig auch die Betroffenheit. Potentiell Betroffenen wird nun plötzlich bewusst, dass sie mit möglicherweise massiven Eingriffen und Nachteilen zu rechnen haben. Kritik wird laut, der Wunsch nach Beteiligung wird artikuliert. Nun jedoch sehen die Initiatoren zu diesem späten Zeitpunkt kaum noch zeitlichen und organisatorischen Spielraum. Allenfalls wird jetzt noch eine Beteiligung geplant, die die Kritiker ruhig stellen soll – wirklich ändern will man am Projekt nichts mehr.

Das kommt Ihnen bekannt vor? Stuttgart 21 war ein solches Projekt. Mehr als ein Jahrzehnt Planungen, die formelle Beteiligung im Planungsverfahren brachte kaum mehr als ein paar Dutzend Bürger auf die Beine. Als dann die Bagger anrollten entstand binnen weniger Wochen eine Massenbewegung. Die anschließend durch ungeschicktes Agieren von Bahn und Landesregierung entstandenen Verwerfungen in der schwäbischen Landeshauptstadt werden noch Generationen nachwirken. Stuttgart 21 ist ein Musterbeispiel für ein an der Missachtung der Optionskurven gescheitertes Großprojekt.

Es gibt also ein zu früh ebenso wie ein zu spät. Wie aber findet man den richtigen Zeitpunkt für Bürgerbeteiligung?

Gar nicht.

Wir erinnern uns: Bürgerbeteiligung ist ein Prozess, keine Funktion. Prozesse haben eine Laufzeit. Wenn die Beteiligung möglichst früh im Projektverlauf beginnt und dabei über einen möglichst großen Zeitraum gestreckt wird, kann sie nicht nur die sich zu einem späteren Zeitpunkt als betroffen definierenden Bürger einflechten, sondern auch selbst früh mehr Aufmerksamkeit und Beteiligungsanreize erzeugen.

Fazit: Beteiligung sollte frühzeitig beginnen und das Projekt über einen genügend langen Zeitraum begleiten, dabei stets auch Einstiegsmöglichkeiten für Neueinsteiger bieten.

Irrweg Zielgruppendefinition

In der Planung von Bürgerbeteiligung wird, wie schon eingangs erwähnt, oft viel Zeit in die „Zielgruppenfindung“ investiert. Dabei haben erfolgreiche wie gescheiterte Beteiligungsverfahren oft eine erstaunliche Gemeinsamkeit: Die Zielgruppen finden die Beteiligung – nicht umgekehrt. Weil diese Gruppen allerdings nicht das Ziel, sondern die Akteure der Beteiligung sind, sprechen wir besser von Beteiligtengruppen

Fatal ist es, wenn in einem Beteiligungsverfahren zum Beispiel passende Formate für die klassische Beteiligtengruppe engagierter Bildungsbürger gemacht werden, zum Beispiel eine Kaskade von Vorträgen und Diskussionsveranstaltungen, zugleich aber besonders kritische Teile der Bürgerschaft nicht berücksichtigt werden. Die Liste von unter wachsamen Augen eigens eingeladener Journalisten „gesprengten“ Veranstaltungen ist lang – und erklärt bis heute das schmerzhafte Zucken vieler Politiker, sobald sie den Begriff Bürgerbeteiligung hören.

Häufig wird auch der umgekehrte Fehler begangen: Die Bürgerbeteiligung wird auf die lautesten Kritiker der geplanten Maßnahme zugeschnitten, weil sie vor allem einen befriedenden Charakter haben soll. Dieses Vorgehen aber kann das Gelingen ebenso gefährden. Denn selbst bei entsprechenden Angeboten neigen die meisten Bürger dazu, sich an solchen konfliktgetriebenen Prozessen nicht zu beteiligen. Am Ende realisiert man keine Bürger- sondern eine Stakeholderbeteiligung für Gruppen mit hohem Interesse und Einsatzwillen.

Letztere Konstellation ist mehr als nur eine Randerscheinung. Über ein Drittel der von uns untersuchten Beteiligungsverfahren im Jahr 2013 folgte diesem Grundmuster: Plan -> Protest -> Beteiligung.

Doch das ist nicht Bürgerbeteiligung im eigentlichen Sinn, sondern eher ein – häufig durchaus gelingender Versuch – nachträglicher Schaffung von Akzeptanz, im Prinzip eher eine Mediation als ein seriöses Beteiligungsverfahren. Darüber mehr an anderer Stelle in diesem Buch. Für uns bleibt festzuhalten: Bürgerbeteiligung ist mehr als Stakeholderbeteiligung, die zu Beteiligenden sollten deshalb weder nach Lautstärke noch nach Einflusspotential ausgewählt werden.

Der Mythos Repräsentativität

Auch ein weiteres Auswahlkriterium sollte keine Rolle spielen: Die vermeintliche Repräsentativität. In der Tat ist eine repräsentative Bürgerbeteiligung verlockend – aus Kosten und Zeitgründen, und auch, weil es den Trägern der Beteiligung das beruhigende Gefühl gibt, das Verfahren kontrollieren zu können. Die Bertelsmann-Stiftung hat hier ein bewährtes Verfahren entwickelt (Bertelsmann Stiftung (Hg.) BürgerForum – Handbuch, Gütersloh, 2015).

Ein ausgewählter Kreis von Bürgern wird als Gruppe konstituiert und bearbeitet ein Thema über einen längeren Zeitraum hinweg in mehreren Workshops sowie ergänzend online intensiv in immer gleicher Zusammensetzung – mit oft faszinierenden Ergebnissen.

Keine Frage: Das ist ein gutes Format von Bürgerbeteiligung, vor allem im Hinblick auf die Dimension der Qualität. Aber es kann in jedem Beteiligungsprozess nur ein – nicht das einzige – Format sein. Weil es keine offene Beteiligung ist, weil Repräsentativität nicht durch 40 mehr oder weniger zufällig ausgewählte Bürger erzielt werden kann. Und weil Repräsentativität auch kein Faktor in der Bürgerbeteiligung darstellt. Repräsentativität erzeugt unsere parlamentarische Demokratie durch Wahlen. Die Gewählten werden so zu Entscheidungen legitimiert. Die Legitimation, die aus Beteiligungsprozesses entsteht, beruht auf der Breite des Zugangs und der Tiefe des Diskurses – nicht auf der Selektion der Beteiligten.

Der Mythos „Schweigende Mehrheit“

Diese Freiwilligkeit erzeugt stets eine nicht repräsentative Zusammensetzung der Beteiligten, denn wer sich letztlich zur Beteiligung motiviert fühlt entscheidet dies aus einem jeweils völlig individuellen Motivationsmix.

Beteiligen wird sich meist nur eine Minderheit der möglichen Gesamtgruppe. Eine Tatsache, aus der gerne von Gegnern eines Beteiligungsverfahrens die Argumentation abgeleitet wird, das Verfahren hätte keine Legitimierung, da die „schweigende Mehrheit“ nicht teilgenommen hätte. Gerne wird dieser schweigenden Mehrheit dann die jeweils eigene Position unterstellt. Das ist in der Praxis natürlich meist ebenso falsch wie der Anspruch, dass nur eine möglichst vollständige Beteiligung Legitimierung für die Ergebnisse brächte. Schließlich gilt dies auch nicht für das „Hochamt“ unserer parlamentarischen Demokratie, die Wahlen. Schon längst nimmt an vielen Wahlen nur eine Minderheit der Wahlberechtigten (und stets eine Minderheit der Bevölkerung) teil. Niemand käme auf die Idee, den so Gewählten ihre Legitimation abzusprechen.

Gelingende Bürgerbeteiligung basiert auf einem Angebot zu freiwilligem bürgerschaftlichem Engagement – weit über die Grenzen der Wahlberechtigten hinaus. Ob ein Bürger dieses Angebot annimmt, entscheidet er selbst. Diese Entscheidung ist ein wesentliches Element von Beteiligung. Mitglieder der „schweigenden Mehrheit“ können aus ihrem Schweigen hervortreten und von Beobachtern zu Subjekten politischen Handelns werden – oder sie können weiter schweigen. Beides ist legitim. Nicht legitim ist es, die Nichtbeteiligten vereinnahmen zu wollen.

Betroffenheit wird nicht zugewiesen, sondern empfunden

Wer also soll beteiligt werden? Eine gängige Antwort ist: Alle Betroffenen. Doch woran erkennt man Betroffenheit? Wie lokalisiert man diese Gruppe?

Häufig sind die unmittelbar Betroffenen einfach bestimmbar. Das können beim Bau eines Kraftwerkes die Anlieger sein. Bei einer geplanten Verkehrsberuhigung die Anwohner der betroffenen Straßen, bei der Ausweisung eines Naturschutzgebietes die Bewohner und Bewirtschafter des entsprechenden Areals. Schwieriger wird es schon, die mittelbar Betroffenen zu definieren. Naturschützer können Einwendungen gegen die Belastungen durch das geplante Kraftwerk haben, Pendler ein Problem mit den Umwegen, zu denen sie die Verkehrsberuhigung zwingt. Tourismusanbieter könnten an einem Naturschutzgebiet großes Interesse haben, Gewerkschaften eine negative Auswirkung auf Arbeitsplätze befürchten.

Bereits diese Beispiele zeigen: Der Kreis der Betroffenen ist oft größer, als es auf den ersten Blick erkennbar ist. Auch deshalb sind beteiligungsoffene, inklusive Verfahren so wichtig: Weil Betroffene oft nicht von den Trägern des Verfahrens vorab vollständig definiert werden können – und weil Betroffenheit manchmal erst im Laufe des Verfahrens entsteht oder artikuliert wird.

Betroffenheit ist keine objektive, sondern eine subjektive Kategorie. Betroffenheit wird nicht zugewiesen, sondern empfunden. Sie kann sich im Laufe eines Verfahrens verändern, sie kann entstehen, sie kann vergehen.

Stark konzipierte, offene Beteiligungsverfahren bieten genau diesen Mehrwert für den Träger: Sie lassen Betroffenheit in ihrer ganzen Bandbreite erst klar erkennbar werden und tragen dadurch zur Qualität der gefundenen Lösung bei. Ein wichtiger Aspekt zum Beispiel im Rahmen der zunehmend beliebter werdenden Bürgerhaushalte: Sie artikulieren Themen und Betroffene, die in der alltäglichen Kommunalpolitik sonst über Jahre hinweg unbeachtet blieben.

Typische Beteiligtengruppen

Verfahren sollten inklusiv sein, alle Beteiligtengruppen sind vorab am grünen Tisch kaum lokalisierbar. Dennoch ist ein Beteiligungsverfahren keine „Black Box“. Zahlreiche Beteiligtengruppen spielen in nahezu jedem Verfahren eine wichtige Rolle bzw. sind leicht zu definieren:

Breite Öffentlichkeit

Ich spreche im Zusammenhang mit der Definition der Beteiligtengruppen gerne von den „Drei Öffentlichkeiten“. Öffentlichkeit deshalb, weil diese Gruppen meist umfangreich, inhomogen und wenig strukturiert sind. Drei Öffentlichkeiten deshalb, weil diese drei Beteiligtengruppen in nahezu jedem Verfahren eine Rolle spielen und in ihrer Beteiligungsbereitschaft, ihrer Interessenslage und ihrer Beteiligungsintensität deutlich differenziert sind.

Die so genannte breite Öffentlichkeit subsummiert alle potentiell Beteiligten, die sich keiner sonstigen Gruppe zurechnen lassen und die nur schwer konkret benannt werden können. Meist ist die Mehrheit der potentiellen Teilnehmer am Beteiligungsverfahren Mitglied dieser Gruppe. Sie umfasst alle Alters-, Bildungs- und Einkommensgruppen.

Die Einbeziehung der breiten Öffentlichkeit ist auch im Interesse eines sachlichen Diskurses sehr wünschenswert, da diese Gruppe aufgrund der im Vergleich zu anderen Gruppen relativ geringen emotionalen Betroffenheit eher zu sachlichen, konsensorientierten Lösungen neigt und so positiv auf die Diskurskultur des Prozesses wirken kann.

Offene Formen der Beteiligung mit geringer Verbindlichkeit (Foren unter anderem) und geringem persönlichem Aufwand sind beliebte Formate für diese Zielgruppe.

Engagierte Öffentlichkeit

Der so genannten engagierten Öffentlichkeit sind alle Bürger zuzuordnen, die sich grundsätzlich im Einzugsbereich des Verfahrens bereits zuvor politisch oder gesellschaftlich engagieren und/oder eine hohe Affinität zum Thema der Beteiligung aufweisen. Dies können auch Experten sein, die kein persönliches, sondern eher fachliches Interesse am Thema haben. Aber auch eventuell betroffene Beschäftigte zählen hierzu. Bei dieser Gruppe ist von einem starken, intrinsisch motiviertem Beteiligungsinteresse auszugehen und ein intensiver, oft qualitätsvoller Input zu erwarten.

Formate mit mehr Ressourcenaufwand und Verbindlichkeit werden dieser Zielgruppe besonders gerecht (Zum Beispiel Bürgergutachten, Workshopreihen, Arbeitsgruppen).

Kritische Öffentlichkeit

Die so genannte kritische Öffentlichkeit zeichnet sich nicht nur durch eine sehr kritische Einstellung zum jeweiligen Thema der Beteiligung aus, sie steht oftmals auch dem gesamten Beteiligungsverfahren ablehnend gegenüber und wittert eine „Mitmachfalle“. Häufig liegt dies in schlechten Erfahrungen der Vergangenheit begründet, manchmal auch in dem Bewusstsein, eine nicht mehrheitsfähige Position zu vertreten. In diesem Fall fürchtet man, im Verlauf des Verfahrens delegitimiert zu werden und die mediale Aufmerksamkeit zu verlieren, die gerade den Antagonisten in politischen Debatten in besonderen Maße entgegen gebracht wird.

Gelingende Bürgerbeteiligung versucht, dieser Gruppe Formate anzubieten, die ihre Befürchtungen aufgreift und ihnen Möglichkeiten bietet, sich zu artikulieren, ohne sich vereinnahmen zu lassen. Dies dient letztlich nicht nur der Akzeptanz, sondern auch der Qualität der Ergebnisse, da oftmals besonders wichtige Impulse gerade von Mitgliedern dieser Gruppe ausgehen. Der faire, inklusive und wertschätzende Umgang mit dieser Gruppe hat große positive Auswirkungen auf den Gesamtprozess und dessen Glaubwürdigkeit. Es ist zum Beispiel durchaus vorstellbar – aber bislang nur selten praktiziert – dieser Gruppen eigene Ressourcen für selbstorganisierte Diskursformate zur Verfügung zu stellen, deren Ergebnisse dann in den Gesamtprozess auf nachvollziehbare Art einfließen – zum Beispiel in Form eines „Gegengutachtens“ oder eines „Ergänzungsberichtes“.

Gewinner und Verlierer

Sinnvoll ist es auch, sich in der Planungsphase des Beteiligungsverfahrens Gedanken darüber zu machen, wer sich als Gewinner oder Verlierer des zugrundeliegenden Prozesses sehen könnte. Diese Gruppen sind auf jeden Fall für eine Beteiligung zu gewinnen und gerade der direkte Austausch zwischen Angehörigen beider Gruppen kann wertvolle Impulse für den Prozess setzen.

Jugend

Fast immer geht es bei Beteiligungsverfahren um Entscheidungen mit weitreichenden Wirkungen bis in zukünftige Generationen. Was liegt also näher, als die jungen Menschen von heute an diesem Verfahren zu beteiligen? Gerade im Hinblick auf die emanzipatorische Dimension ist dies ein interessanter Aspekt. Außerdem haben Kinder und Jugendliche oft sehr spontane und undiplomatische Zugänge zu Themen. Ihre Beteiligung wird in fast allen Verfahren als ausgesprochene Bereicherung empfunden. Allerdings braucht es besondere, geschützte Formate. Dies kann im schulischen Kontext geschehen, aber auch im Rahmen von Verbands- oder offener Jugendarbeit organisiert werden. Onlineformate sind dazu ebenso geeignet wie Workshops und eher eventorientierte Angebote.

Medien

Immer wieder wird in Beratungsprozessen mit potentiellen Trägern eines Beteiligungsverfahrens auch die Zielgruppe Journalisten/Medien formuliert. Doch Journalisten sind keine Beteiligtengruppe. Seriöse Journalisten definieren sich als kritische Berichterstatter, nicht als Akteure gesellschaftlicher Prozesse. Sie spielen in einem Beteiligungsverfahren durchaus eine bedeutende Rolle, weil sie Transparenz sichern, die Prozesse kritisch hinterfragen, Betroffenheit und Beteiligungsbereitschaft auslösen können. Sie können im Idealfall mit ihrer Berichterstattung Verbesserungen des Prozesses anregen. Aber sie sind keine Beteiligtengruppe.

Beschäftigte und Umsetzer

Dies ist die wohl am öftesten vergessene Beteiligtengruppe – die es jedoch in nahezu jedem Prozess gibt. Beschäftigte in Unternehmen und Verwaltungen, deren Arbeitsplätze ganz konkret von dem Vorhaben betroffen oder gar gefährdet sind. Menschen, die die Ergebnisse des Prozesses anschließend über Jahre hinweg umsetzen. Experten, die meist über den größten Erfahrungsschatz und eine sehr gesunde Einschätzung des Machbaren verfügen. Sie wertschätzend zu beteiligen sichert nicht nur Qualität, sondern sorgt auch dafür, dass gute Ergebnisse im Anschluss auch eine Chance auf Realisierung haben.

Weitere potentielle Beteiligtengruppen

Gerade der Bereich der so genannten engagierten Öffentlichkeit lässt sich häufig noch deutlich weiter ausdifferenzieren. Fachleute und Wissenschaftler können im Rahmen geeigneter Formate wichtige Impulse in den Diskursen geben aber auch inhaltliche Zuarbeit leisten und so den nicht fachlich vorgebildeten Beteiligten bei der Beurteilung von Ideen, Argumenten und Lösungspfaden helfen. Senioren verfügen häufig über umfangreiche Lebensweisheit und über ausreichend Zeit, sich auf anspruchsvollere Formate einzulassen. Migranten sind ebenfalls eine Bereicherung jedes Beteiligungsprozesses und haben so oft erstmals die Gelegenheit, sich an gesellschaftlichen Prozessen in ihrer neuen Heimat zu beteiligen. Unterstützung, zum Beispiel auch in Form von Dolmetschern lohnt sich für den Prozess ebenso wie für die Betroffenen.

Kategorisierungsmerkmale

Unterschiedliche Beteiligtengruppen haben unterschiedliche Interessen, Zugänge, Potentiale und Bereitschaft. Daraus resultieren Einflüsse auf den Prozess und Herausforderungen an die Organisatoren. Es gibt also nicht unbedingt in jedem Fall „das“ richtige Format für eine konkrete Zielgruppe. Denn deren Rolle und Interessenslage kann in unterschiedlichen Beteiligungsverfahren völlig unterschiedlich sein. In dem oben erwähnten Beispiel könnte die Gruppe der Umweltschützer bei der Frage der Ausgestaltung eines Naturschutzgebietes eine ganz andere Rolle im Prozess spielen als bei der geplanten Ansiedlung einer Fabrik. Rollen definieren sich also nie allein aus der Sozialstruktur einer Beteiligtengruppe, sondern aus deren konkreter Motivations- und Interessenssituation im jeweiligen Verfahren. Im Folgenden skizziere ich die wesentlichen Faktoren und ihre potentielle Auswirkungen.

Betroffenheit

Am einfachsten nachvollziehbar ist der Einfluss der subjektiven Betroffenheit auf den Beteiligungsprozess. Je größer diese Betroffenheit, desto höher meist auch die Beteiligungsbereitschaft und die Intensität – desto größer aber auch das Risiko einer konfliktorientierten Teilnahme. Bei großer Betroffenheit braucht es weniger motivierende, sondern eher moderierte Formate, um auch weniger extrovertierte Teilnehmer in den Diskurs finden zu lassen.

Emotionalität

Je höher die Emotionalität, desto höher die Beteiligungsbereitschaft – nicht unbedingt über einen längeren Prozess. Beteiligtengruppen mit hoher emotionaler Betroffenheit benötigen Formate, die umfangreiche Artikulierungsmöglichkeiten bieten, also eher Diskurse in kleinen Einheiten.

Professionalität

In manchen Beteiligungsprozessen ist die Quote professioneller Stakeholder sehr hoch. Meist steigt sie mit den finanziellen Auswirkungen der Entscheidungen. Nicht selten hängen Investitionen und/oder Risiken in Millionenhöhe vom Ausgang des Beteiligungsverfahrens ab. Dies lässt die Quote der professionellen Diskursteilnehmer in die Höhe schnellen. Teilweise werden sogar professionelle Agenturen oder Berater „gebucht“. Solche Vorgehensweisen können nicht verhindert, aber zumindest offen angesprochen werden, denn sie gefährden ggf. das gesamte Verfahren. Vorbereitete Statements lassen sich in offenen Formaten selten verhindern. Muss man mit einem verstärkten Auftreten solcher professioneller Teilnehmer rechnen, sollten auf jeden Fall auch Formate mit zufällig ausgewählten Teilnehmerkreisen und mehreren Terminen wählen. Denn je länger und intensiver eine Gruppe arbeitet, desto schwieriger ist es für Profis, sich zu verstecken und so manipulativ zu wirken.

Beteiligungsbereitschaft

Die Beteiligungsbereitschaft in den unterschiedlichen Gruppen schwankt. Sie kann, wie bereits geschildert, nicht immer als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Hier kann ein Träger nivellierend eingreifen, indem er besonders bei Gruppen, die für den Prozess wichtig sind oder für die die Ergebnisse folgenreich sein könnten zusätzliche Maßnahmen zur Erhöhung der Beteiligungsbereitschaft ergreift. Dies können klassische Werbemaßnahmen ebenso sein wie die Zurverfügungstellung von Ressourcen im Sinne der Chancengleichheit. Entsprechend niederschwellige Formate sind ebenfalls angemessen.

Geeignete Formate

Ein ausführlicher Katalog bewährter Formate ist Bestandteil dieses Buches. Deshalb sei hier auf eine umfangreichere Darstellung verzichtet. Einige Worte zur Auswahl geeigneter Formate für spezifische Beteiligtengruppen wollen wir aber an dieser Stelle noch verlieren:

Fast immer gibt es mehr als ein geeignetes Format. Wichtig ist, dass es die Beteiligtengruppe anspricht und möglichst vielen Bürgern die Möglichkeit gibt, sich aktiv in den Prozess einzubringen. Eine Faustregel besagt, dass man pro Beteiligtengruppe mindestens zwei, besser drei verschieden Formate anbieten sollte, damit jeder das für ihn passende wählen kann.

Dabei kann es durchaus Formate geben, die nur bestimmten Beteiligtengruppen offen stehen (Zum Beispiel ein geschützter Raum für Jugendliche). Der Reiz einer Bürgerbeteiligung liegt jedoch darin, Menschen aus unterschiedlichen Gruppen zusammen in einen Diskurs zu bringen. Dies gelingt am besten bei Formaten, die mehreren Beteiligtengruppen offen stehen.

Die Mischung ist es, die eine Bürgerbeteiligung gelingen lässt. Die Mischung der Beteiligtengruppen ebenso, wie die Mischung unterschiedlicher Formate mit unterschiedlichen Anforderungen an Zeit und Kompetenz der Beteiligten. Dazu gehört auch eine Mischung der Zugänge: Offen, zufallsgetrieben und in geringem Umfang auch begründet selektiert.

Nicht für die Beteiligten planen, sondern mit ihnen

Die beste Möglichkeit, eine gesunde Mischung der Formate zu erzielen, ohne einzelne Beteiligtengruppen ungewollt zu benachteiligen, ist eine frühzeitige Einbindung von Vertretern der unterschiedlichen Gruppen schon im Planungsprozess des Beteiligungsverfahrens.

In einer solchen Begleitgruppe können die Formate mit den Beteiligten diskutiert und definiert werden. Der vermeintliche Mehraufwand in der Planungsphase lohnt sich erfahrungsgemäß in jedem Fall, er verbessert die Qualität und Erfolgschance des Prozesses erheblich.

Fazit: Ein Prozess mit vielen Unbekannten

Gelingende Bürgerbeteiligung ist keine Geheimwissenschaft. Doch es gibt viele Faktoren, die zu berücksichtigen sind, zahlreiche Fehler, die gemacht werden können. Fast immer hängen sie mit einer ungenügenden Vorbereitung auf die unterschiedlichen Beteiligtengruppen zusammen.

Der Prozess der Lokalisierung möglicher Beteiligtengruppen ist komplex und birgt ein hohes Fehlerpotential. Mit der Intensität der Vorbereitung steigt dieses Potential eher an. „Kein Plan überlebt die erste Feindberührung“, schrieb der bekannte Militärstratege Helmuth von Moltke schon im 19. Jahrhundert. Für gelingende Bürgerbeteiligung heißt das natürlich nicht, auf eine gute Vorbereitung zu verzichten. Allerdings erhöht eine maximale Offenheit des Verfahrens die Chancen, auf unerwartete Entwicklungen reagieren zu können. In der Zeitplanung – und im Budget – einer Bürgerbeteiligung sind deshalb unverplante Ressourcen hilfreich, die eine solche Anpassung ermöglichen.

Die Etablierung eines mit Vertretern der Beteiligtengruppen besetzten Begleitgremiums schon in der Planungsphase erhöht ebenfalls die Wahrscheinlichkeit, allen Gruppen adäquate Angebote machen zu können.

So kann ein lernendes Verfahren praktiziert werden, das der Bereitschaft der Bürger, sich zu engagieren mit maximaler Wertschätzung begegnet und noch im laufenden Verfahren auf Impulse, Ideen, Ergebnisse und Erwartungen reagieren kann.

Bürgerbeteiligung ist ein Prozess, ein Lernprozess für alle Beteiligten ebenso wie für die Beteiligenden. So verstanden kann sie nur gelingen.

Der Autor

Der Autor, Jörg Sommer, ist Vorstandsvorsitzender der Deutschen Umweltstiftung und seit vielen Jahren gestaltend in Beteiligungsprozessen tätig. Dieser Text ist dem von ihm herausgegeben KURSBUCH BÜRGERBETEILIGUNG entnommen.

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