Wer denkt was?

Ein Interview mit der Geschäftsführerin von Civey Janina Mütze

“Wir haben die klassische Markt- und Meinungsforschung automatisiert”, erklärt Janina Mütze. Sie spricht über die Arbeitsweise von Civey, Repräsentativität in Umfragen und den Kartoffelsalat-Äquator.

Foto: Firmbee via Pixabay.

Frau Mütze, Sie sind Mitgründerin und Geschäftsführerin von Civey, einem Unternehmen für digitale Markt- und Meinungsforschung. Dabei verfolgen Sie seit Beginn einen anderen Ansatz als die etablierten Meinungsforschungsinstitute. Wie funktioniert Civey und worin liegt der Unterschied zwischen dem von Ihnen gewählten Vorgehen und klassischer Meinungsforschung?

Wir haben die klassische Markt- und Meinungsforschung automatisiert. Das heißt, wir erheben unsere Daten online und berechnen in Echtzeit mithilfe von selbstlernenden Algorithmen, die auf bewährter Survey-Statistik beruhen, das repräsentative Ergebnis. Sowohl unsere Nutzer, als auch die Kunden, die Markt- und Meinungsforschung bei uns beauftragen, erhalten sofort die aktuellen Ergebnisse. Damit konnten wir das größte Online-Panel in Deutschland aufbauen, das ermöglicht, auch besondere Zielgruppen wie zum Beispiel Unterstützer von direkter Demokratie gezielt zu befragen. Diese Kombination aus Geschwindigkeit und Datentiefe ist absolut neu im Markt.

Was hat es mit dem bisweilen zu lesenden Vorwurf einer fehlenden Repräsentativität bei Ihren Umfragen auf sich?

Unsere Umfragen sind repräsentativ. Wir sorgen mit verlässlichen Algorithmen dafür, dass in Echtzeit Nutzer verifiziert werden und stellen sicher, dass nur verifizierte Panelisten in den Ergebnissen berücksichtigt werden. Es ist richtig, dass es gelegentlich noch Vorbehalte gegenüber Online-Erhebungen gibt. Es ist aber aus unserer Sicht wichtig, sich mit Technologie auseinanderzusetzen und die neuen Möglichkeiten auszuschöpfen. Insbesondere, wenn man sich vor Augen führt, dass heute immer weniger Menschen per Festnetz erreicht werden, müssen neue Wege der Datenerhebung und Verarbeitung in der Markt- und Meinungsforschung gefunden werden. Wie das aussehen kann, erforscht beispielsweise auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Zusammenarbeit mit uns.

Was sind typische Themen bei den Umfragen von Civey und wer sind Ihre Auftraggeber?

Zu unseren Auftraggebern gehören viele Organisationen im öffentlichen Sektor, Medienhäuser und eine Vielzahl von Unternehmen. Auch das Interesse unserer Kunden ist sehr divers. Im Corona-Jahr 2020 haben wir für die Bundesregierung fortlaufend Daten zur Verbreitung der Pandemie oder der Effizienz der Corona-Hilfsprogramme erhoben. Unternehmen nutzen unsere Produkte unter anderem zum Live-Tracking ihrer Werbekampagnen, der Messung ihrer Marktanteile oder dem Einschätzen von Risiken. Interessanterweise ist es aber so, dass wir rund 60 Prozent unserer Fragen nur für die Nutzerinnen und Nutzer erheben. Sie sollen sowohl die Möglichkeit haben, ihre Meinung zu aktuellen Themen äußern zu können als auch Interessantes, Spannendes und manchmal Witziges zu erfahren. Daher stellen wir auch Umfragen wie die Vorliebe beim Kartoffelsalat – Mayo oder Essig? Das ergibt einen wirklich einmaligen Kartoffelsalat-Äquator quer durch Deutschland, wenn wir die Ergebnisse nach Landkreisen auswerten.

Welche Bevölkerungsgruppen nutzen vorrangig Civey, um ihre (politische) Meinung kundzutun?

Grundsätzlich erreichen wir alle Menschen im Land sehr gut aufgrund der Breite der Rekrutierung. Wir sehen jedoch, dass vor allem höher gebildete Personen gerne an unseren Umfragen teilnehmen. Auch haben wir einen Überhang an Männern, die ihre Meinung äußern möchten – wie so oft in den gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Lebensbereichen. Diese Verzerrungen können wir aber sehr gut erkennen und herausrechnen.

Es gibt Civey bereits seit 2015. Können Sie bezüglich der Themen und Teilnehmerschaft eine Veränderung im Zeitverlauf ausmachen?

Mit der Vergrößerung unseres Kundenkreises haben sich auch die Themen, zu denen wir erheben, diversifiziert. Heute sind wir in vielen Branchen aktiv. Besonders spannend finde ich unsere Erhebungen, die gezielt eine Zielgruppe fokussieren und sowohl für politische, aber auch unternehmerische Entscheidungsträger von großer Bedeutung sind, beispielsweise Ärzte und Pflegekräfte oder Personen, die sich als Corona-Risikogruppe einordnen.

Digitalisierung ist ein Megatrend. Wie wird sich aus Ihrer Sicht die digitale im Vergleich zur analogen Meinungsäußerung entwickeln?

Auch die Markt- und Meinungsforschung erlebt diesen Wandel. Als wir 2015 gegründet haben, schienen unsere neuen Ansätze noch recht erklärungswürdig. Heute sehen wir, dass sich auch in unserer Branche immer mehr Startups gründen, die sich mit den Herausforderungen beschäftigen. Die Digitalisierung macht eben hier nicht Halt! Ich denke, dass dies auch die Corona-Pandemie gezeigt hat. Sie hat quasi wie ein Brennglas aufgezeigt, wo unsere Missstände im Land bei der Digitalisierung liegen, aber wie schnell wir uns auch wandeln können, wenn wir das möchten. Ich hoffe somit, dass sich Fortschritt und Innovationen durchsetzen.

Zur Person

Janina Mütze ist ​Mitgründerin und Geschäftsführerin von Civey​. Neben ihrer Arbeit für Civey ist sie Mitglied im Aufsichtsrat des Fintechs Comeco sowie Mitglied im Beirat für Gründungen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Zudem ist sie im Advisory Board des Masterprogramms in Social and Economic Data Science an der Uni Konstanz. Vom deutschsprachigen Forbes-Magazin wurde sie 2018 in der Kategorie Technologie auf der Liste „30 unter 30“ geführt. Das Magazin Capital zeichnete sie 2018 als Top 40 unter 40 in der Kategorie “Unternehmer” aus.

 

Literaturhinweise

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