Stärkung der Demokratie

Neue Formen der Beteiligung

Die vom Landtag Sachsen-Anhalt eingesetzte Enquete-Kommission „Stärkung der Demokratie“ beendet ihre Arbeit und übergab jüngst einen Abschlussbericht an das Parlament. Die darin enthaltenen Empfehlungen zielen insbesondere auf eine Stärkung der kommunalen Beteiligungskultur.

Bild: Heinrich-Böll-Stiftung via flickr.com , Lizenz: CC BY-SA 2.0

Der Landtag von Sachsen-Anhalt beschloss zur Weiterentwicklung der kommunalen Demokratie die Einsetzung einer Enquete-Kommission. Das aus fraktionsübergreifend zwölf Landtagsabgeordneten bestehende Gremium erarbeitete mit Unterstützung von Sachverständigen und kommunalen Spitzenverbänden Vorschläge für mehr Bürgerbeteiligung. Den Abschlussbericht, der den siebenmonatigen Prozess dokumentiert, übergab der Kommissionsvorsitzende Andreas Schumann kürzlich an Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch.

Demokratie im Wandel

Unser politisches System steht vor großen Herausforderungen. Vor dem Hintergrund zunehmender Kritik an der derzeitigen repräsentativen Demokratie werden Stimmen, die mehr Formen direkter Demokratie und Mitbestimmung fordern, lauter. Zahlreiche Städte und Gemeinden in Deutschland erproben bereits neuartige Demokratiemodelle und -konzepte. In diesem Rahmen berichteten wir über verschiedene Beispiele gelungener kommunaler Bürgerbeteiligung. Auch Sachsen-Anhalt möchte zukünftig durch den Einsatz neuer Formen die politische Debattenkultur in den Kommunen im Land weiter stärken. Der Abschlussbericht der Enquete-Kommission unter dem Titel „Stärkung der Demokratie“ bildet dafür einen nächsten Schritt.

Empfehlungen für direktere Demokratie

Das Augenmerk der Untersuchung liegt auf dem verbessertem Zusammenspiel von aktiver Bürgerschaft und kommunaler Selbstverwaltung. Die Kommission erkennt darin die Basis für das Funktionieren der Demokratie in Sachsen-Anhalt (vgl. S. 6 f.). Sie formuliert daher eine Reihe von Empfehlungen an den Landtag, welche bei entsprechender Umsetzung jene Interaktion ausbauen und fördern könnten.

Begrüßenswert ist, dass das Papier alle vier notwendigen Dimensionen gelingender Bürgerbeteiligung – Legitimierung, Akzeptanz, Qualitätssicherung und Emanzipation – adressiert. Erst wenn diese vier Kriterien in Partizipationsprozessen Berücksichtigung finden, kann dieser nachhaltig zu einer besseren Debattenkultur beitragen und so die lokale Demokratie festigen.

Demnach sieht der Bericht u. a. vor, die Selbstverwaltung in Gemeinden unter 300 Einwohnern sowie in Stadtteilen durch ein Ortsrat-Wahlrecht zu erweitern (vgl. S. 13 f.). Durch die Stärkung des Willensbildungsprozesses auf den kleinsten Verwaltungsebenen, erfahren diese eine deutliche Emanzipation als politische Subjekte. Dies ist für die Entscheidungsfindung und daher nicht zuletzt für die Qualität der Ergebnisse von entscheidender Bedeutung. Daneben solle die Möglichkeit von Bürgerfragestunden ausgebaut werden. Bisher war diese Form der Bürgerinformation lediglich in beschließenden Gremien möglich. Nun solle dieses Verfahren auch in ausschließlich beratenden kommunalen Gremien angeboten werden können (vgl. S. 16). Auf diese Weise erhofft sich die Kommission einen intensivierten Dialog zwischen lokaler Bevölkerung und politischen Entscheidungsträgern. Beide Instrumente sind potenziell in der Lage zusätzlich legitimierend auf die politische Entscheidungsfindung einzuwirken.

Des Weiteren empfiehlt die Kommission, das Zustimmungsquorum für Bürgerentscheide auf 20 % abzusenken und so dem bundesrepublikanischen Durchschnitt anzupassen (vgl. S. 17). Dadurch sollen institutionelle Hürden im gesellschaftlichen Willensbildungsprozess verringert und die politischen Debatten belebt werden. Einzelinteressen könnten leichter Eingang in die politische Willensbildung finden. Das kann die Beteiligungsbereitschaft der Menschen fördern und dazu beitragen, dass alle Meinungen, Fakten und Positionen im Rahmen einer intensiven, inhaltlichen, thematischen Befassung Gehör finden. Dieser Prozess ist wiederum der Grundstein für gesteigerte Akzeptanz der finalen politischen Entscheidung.

Ansatz gut, Umsetzung offen

Wie Erfahrungen zeigen, versprechen gute Beteiligungsverfahren qualitativ hochwertige Ergebnisse, indem sie das Wissen der Vielen optimal einbinden. Daher können Formen zusätzlicher Bürgerbeteiligung auch eine verlässliche Basis für die Qualitätssicherung von kommunalpolitischen Entscheidungen liefern. Die Empfehlungen der Enquete-Kommissionen benennen dazu notwendige Vorbedingungen. So resümierte der Kommissions-Vorsitzende Andreas Schumann bei der Vorstellung der Ergebnisse: „Wir machen mit diesem Papier gute Vorschläge, wie wir mehr Bürgerbeteiligung im Land erreichen können.“ Was davon tatsächlich politische Realität wird, bleibt vorerst abzuwarten.

Den Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Stärkung der Demokratie“ können Sie hier kostenfrei herunterladen.

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