Partizipation in der Arbeitswelt

Auch in Unternehmen steht mehr Beteiligung auf der Tagesordnung

Beteiligung ist auch für Gewerkschaften ein Thema. Beate Rohrig im Interview zu den Möglichkeiten betrieblicher Partizipation.

Beate Rohrig ist Leiterin des Kooperationsprojektes „Partizipation in der Arbeitswelt“, in dessen Rahmen die Zukunftsgewerkschaft IGBCE gemeinsam mit dem Berlin Institut für Partizipation in den kommenden Jahren neue Möglichkeiten und Formen der Mitarbeiterbeteiligung entwickeln und erproben will. Im Interview berichtet sie über die damit verbundenen Erwartungen und Herausforderungen:

Wie kommt eine Gewerkschaft dazu, sich mit Bürgerbeteiligung zu beschäftigen?

Natürlich unterscheidet sich die Arbeitswelt von der Zivilgesellschaft. Aber: Es sind dieselben Menschen, die wählen, sich politisch engagieren, mehr Beteiligung einfordern, an Bürgerbeteiligungsprozessen teilnehmen und dort Selbstwirksamkeit erfahren. All diese Menschen sind meist auch irgendwo Teil einer Belegschaft – und das oft den größten Teil ihrer täglichen wachen Zeit.

Sie bringen ihre Erfahrungen und Erwartungen auch mit ins Unternehmen?

Absolut. Insbesondere junge und überdurchschnittlich gebildete Menschen verlangen nach partizipativen Strukturen. Wir haben schon 2019 in einer Studie festgestellt, dass über 90% der Befragten sich eine stärkere Einbeziehung in innerbetriebliche Entscheidungsprozesse wünschen. Die Studie belegt, dass ein großes Interesse seitens der Beschäftigten bzgl. aktiver innerbetrieblicher Mitgestaltungsmöglichkeiten besteht und die sie mehrheitlich zukünftig stärker in die Gestaltung von innerbetrieblichen Veränderungsprozessen eingebunden werden wollen.

Ihre Gewerkschaft fordert also mehr Partizipation im Unternehmen für die Beschäftigten?

Mit einfachen Forderungen ist es nicht getan. Das Thema ist komplex. Mehr Mitarbeiterbeteiligung kann durchaus sinnvoll sein – wenn sie die bestehenden Strukturen der Mitbestimmung stärkt. Es gibt aber hier und da auch den Trend, informelle und unverbindliche Beteiligungsangebote gegen gewählte Betriebsräte auszuspielen.

Es geht also auch in Unternehmen um die Klärung des Verhältnisses zwischen repräsentativen Strukturen und Beteiligung?

Da sind die Herausforderungen in der Arbeitswelt mit denen in der Gesellschaft durchaus vergleichbar. Es kommen aber noch weitere Herausforderungen hinzu. Die erwähnte Studie hat auch ergeben, dass die Beteiligungserwartungen sich in einem ähnlichem Umfang auch an die Betriebsräte selbst richten. Auch Betriebsräte können und sollten Beteiligungsangebote an die Belegschaften machen, um ihre Arbeit rückzukoppeln. Ähnliches gilt auch für die Gewerkschaften selbst. Auch hier gilt: Die Möglichkeiten der Mitgliederbeteiligung sind noch nicht wirklich erkundet.

Ihr Projekt „Partizipation in der Arbeitswelt“ beschäftigt sich also mit allen drei Handlungsfeldern?

Das haben wir vor. Wir stehen ja noch ganz am Anfang. Unser Projekt ist auf mehrere Jahre angelegt. Wir wollen erforschen, was wir aus der klassischen Bürgerbeteiligung für die Arbeitswelt lernen können, welche Formate und Methoden übertragbar sind, zu welchen Themen welche Beteiligung Sinn macht. Und natürlich wollen wir auch wissen, wie wir mit mehr Beteiligung die Gewerkschaften und Betriebsräte stärken können.

Ist Ihr Vorhaben also eher Grundlagenforschung, oder geht es auch um praktische Veränderungen?

Wir beginnen mit der Grundlagenforschung, erproben dann aber auch ganz praktische Projekte und am Ende streben wir einen nachhaltigen Kulturwandel an. Dass es uns ernst damit ist, zeigt auch der Beschluss des vergangenen Gewerkschaftskongresses:

„Starke Gewerkschaften haben einen demokratische Aufbau und damit einen klar strukturierte Entscheidungspfad, durch diese stringente Organisation mit klaren Hierarchien wird erfolgreich geführt, entschieden und kommuniziert. Dieses Führungs- und Organisationsprinzip wird zunehmend in Frage gestellt von den veränderten Ansprüchen Beschäftigter. Teilhabe, Diskussionsmöglichkeit und Mitentscheidungskompetenz werden immer stärker eingefordert. Die IGBCE stellt sich diesem Kulturwandel und will ihren Mitgliedern mehr direkten Einfluss auf die Meinungsbildung in der IGBCE ermöglichen.“

Ziel des Projektes ist der langfristige Aufbau von Beteiligungskompetenz in der Organisation und die Entwicklung einer gewerkschaftsspezifischen Beteiligungskultur.

Am Ende geht es um nicht weniger als einen bewusst wissenschaftlich und interessenbasierten Kulturwandel zu initiieren, der die Organisation auch für junge, partizipativ orientierte Mitglieder attraktiv macht.

 

Zur Person:

Beate Rohrig ist Leiterin des Kooperationsprojektes „Partizipation in der Arbeitswelt“, in dessen Rahmen die Zukunftsgewerkschaft IGBCE gemeinsam mit dem Berlin Institut für Partizipation in den kommenden Jahren neue Möglichkeiten und Formen der Mitarbeiterbeteiligung entwickeln und erproben will.

Literaturhinweise

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Benjamin Barber

Starke Demokratie: Über die Teilhabe am Politischen Buch

Rotbuch Verlag, Berlin, 1994, ISBN: 978-3880228047.

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